Review

Achtung: Aufgrund der dünnen Handlung und nötiger Argumentation enthält dieses Review Spoiler.

So lange ist es noch gar nicht her, 1959, da wurde das Thema Vergewaltigung, und vor allem das mehrmalige Hinweisen auf den Schlüpfer, im Gerichtsthriller Anatomie eines Mordes zu einem Skandal. Dabei kokettierten Filmemacher eigentlich jeher mit den Grundwerten der Exploitation. Man denke hier unter anderem an die glorreichen 30er Jahre, die mit Maniac, Sex Madness, Scarface oder die den Mondo Filmen vorgreifenden Africa Speaks, Bring 'Em Back Alive und Beyond Bengal zeitgenössisch nach Schauwerten suchten. Nur entstand skurilerweise nach dem zweiten Weltkrieg zunächst eine neue, konservative Welle, die auch filmisch wenig an die Freiheiten der frühen Jahrzehnte anschließen wollte. Man beachte, daß seinerzeit Flucht in Ketten mit der Aufarbeitung schwarz - weißer Rassenproblematik revoluzionär war - und das immerhin 13 Jahre, nachdem die Amerikaner Deutschland von den Nazis befreit hatten.

Geändert hat sich dies blitzschnell mit den rebellischen Bewegungen in den 60ern. Diese haben durchaus Gutes vollbracht, wurzelt doch hier auch ein klares Durchsetzen der Rechte von Minderheiten. Allerdings wurde im Zuge der (sexuellen) Befreiung auch das Medium Film deutlich expliziter, was dem Exploitation Fan zunächst gefällt, sicher, was jedoch auch immer eine aufgeklärte, distanzierte Betrachtungsweise erfordert. So bietet (sexuelle) Gewalt im Film nicht nur die Möglichkeit, eine gewisse Sensationslust zu befriedigen, aus der sich bei vielen im Verlauf des Erwachsenwerdens ein reines Faible für die Effekttechnik entwickelt. Unter dem Blickwinkel der Dystopie ermöglichen explizite Bilder auch, die eigentliche Schlechtigkeit des Menschen zu ergründen und einen tief verwurzelten Wunsch nach einem Entgegenwirken in der Realität zu entwickeln. Wenn in jüngerer Zeit ein Bret Easton Ellis mit seinem - leider auch im Vergleich zu seinen anderen Werken - Ausnahmeroman American Psycho in einer psychotischen Achterbahnfahrt mit dem zynischen Blick auf die dekadente Konsumwelt gepaart mit einer modernen Version der Phantasie eines Marquis de Sade wirft, dann darf man von Kunst sprechen, immerhin wurde der Roman sogar wieder von seiner Indizierung befreit.

Ist man ehrlich, so muß man zugeben, daß weder die auf einer Vergewaltigung aufbauenden Rachewestern noch plumpe Exploitationfilme wie Das letzte Haus links, Der Schlitzer oder Ich spuck auf dein Grab dieses Niveau erreichen. Wohl aber sprechen auch diese Filme auf ihre Art aufwühlend den Drang nach Gerechtigkeit an, die sich schon aus Philosophie, Religion und klassische Literatur nicht wegdenken läßt.
Nun erwartet man von einem Amateurfilmer wie Eric Stanze nicht, daß er sich in I Spit on your Corpse, I piss on your Grave auf eine sonderlich dramatische Handlung konzentriert. Eher würde er doch versuchen, alle mit seinem Budget möglichen Widerlichkeiten anzubieten. Umso überraschter war ich, daß er tatsächlich versucht, eine Geschichte als Grundlage anzubieten. Diese ist zwar auch nur marginal tiefsinniger als beim zeitgleich entstandenen August Underground, welcher nur wahl- und sinnlos aneinander gereihte Szenen arrangiert, bedient sich mit seinem ursachenbasierendem Erklärungsversuch jedoch einer zunächst sozialethisch vertretbareren Grundlage.

Das klingt ob der Tatsache, daß alle im Verlauf von I Spit on your Corpse, I piss on your Grave vorgestellten Charaktere aktiv und passiv an einer Vergewaltigung teilgenommen haben etwas absurd. Tatsächlich bedient sich Stanze aber eines lauen Paradigmenwechsels, der ähnlich wie bei Mike Mendez' Killers das schwache Opfer zum sadistischen Täter macht. Hierbei beschränkt es sich nicht darauf, daß Sandy (Emily Haack) aus der Bedrohung heraus agiert. Ihr Lover beabsichtig nämlich nicht nur sie zu töten, sondern hat noch weitere Männer im Keller gefesselt, die, so stellt sich heraus, alle eine grausame Verbindung zu Sandy besitzen. Zusätzlich werden ähnliche Erfahrungen ihrer Mutter angeführt, was ihren Geistes - und Gemütszustand untermauern soll.
Ich unterstelle Eric Stanze hierbei wohlwollend, daß es seine Absicht war, aufzuzeigen, wie moralisch fragwürdiger Umgang mit Frauen ein Leben zerstören kann und gleichzeitig - ähnlich einem klassischen Märchen oder einer Bibelgeschichte mit Abschreckungspädagogik - darauf hinzuweisen, daß Taten auf einen zurückfallen können und gegebenenfalls brutal gesühnt werden.

Leider muß sich Stanze vorwerfen lassen, die Story wenig dramatisch aufzugreifen. Dies würde die Darsteller, die ohnehin sichtlich am Limit arbeiten, auch maßlos überfordern. So muß sich der Zuschauer aber in der ohnehin kurzen Spielzeit mit langatmigen Füllszenen herumschlagen, die wenig überzeugen mögen. Auch die Nacktsequenzen sind wenig atemberaubend inszeniert. Nun gibt es verschiedene Arten, solche Bilder zu komponieren. Der letzte Tango in Paris, Der Nachtportier, Im Reich der Sinne, Tokio Dekadenz, Das Fleisch der Wassermelone oder Meine Nächte sind schöner als deine Tage als wenige Beispiele für Filme, die mit Erotik im Rahmen einer brisanten Handlung funktionieren.
Hier zeigt sich I Spit on your Corpse, I piss on your Grave gelinde gesagt platt. Ich will mich, begrüßend, daß in diesem Filmterrain als einem der wenigen noch natürliche Frauen zu sehen sind, der breiten Meinung, Emily Haack sei absolut häßlich nicht anschließen. Sie in Szene zu setzen ist der Kamera jedoch herzlich unwichtig. Lieber konzentriert man sich darauf, wenige Perversitäten wie die anale Dildopenetration eines Mannes langatmig abzufilmen, wobei auf eindeutige Aufnahmen verzichtet wird und die Emotionslosigkeit ein derartiges Auswalzen nicht rechtfertigen.

Damit sind sich ausnahmsweise Splatterkids wie Moralapostel einig: Es handelt sich um belanglosen Schund. Übrigens auch für Liebhaber sleaziger Frauenknast Filme. Mit deren Entertainmentwerten hat I Spit on your Corpse, I piss on your Grave nichts gemein. Das wäre eine andere Art von Schund, Titten Trash oder so.

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