---------Dieses Review bezieht sich auf den internationalen Zusammenschnitt---------------
Wie alle großen Schauspiel- gleichwie Regiestars Hongkongs, die in den 90er-Jahren ihr Glück in Hollywood versuchten, ist nun auch Heroic Bloodshed - Legende John Woo endlich in die Heimat zurückgekehrt. Spätestens die auf ganzer Linie enttäuschende, verschenkte PG-13-Sci-Fi-Gurke „Paycheck" 2004 hatte bewiesen, dass die Zeiten Wooscher Großtaten auch in US-Produktionen wie „Hard Target" oder zuletzt „Mission: Impossible II" gezählt waren und eine kreative back-to-the-roots-Orientierung unumgänglich. Die reicht noch deutlich weiter als bis zur von ihm dereinst begründeten goldenen Ära des Heroic-Bloodshed-Kinos und führt den Ballerbalett-Meister in die Gefilde des historischen Kriegsepos, in dem statt Pistolenkugeln Pfeile durch die Lüfte gefeuert werden. Weder die charakteristischen Zeitlupen noch die obligatorsichen Tauben muss der Fan im Comeback-Knaller „Red Cliff" jedoch missen, mit dem Woo seine beste Arbeit seit langem vorlegt. Schändlicherweise wurde das sich im Original über zwei Teile erstreckende, insgesamt weit über vierstündige Epos für die Vermarktung im Westen wie es bei asiatischen Werken ja leider so oft der Fall ist, auf eine internationalen Fassung zusammengeschnitten, die knappe zweieinhalb Stunden läuft, damit mal eben die Hälfte des Originalmaterials missen lässt und in good old germany dann nicht einmal eine Kinoauswertung spendiert bekam - obwohl die grandiosen Bilder, die Woo für „Red Cliff", die teuerste asiatische Produktion aller Zeiten, auf Zelluloid zauberte, so sehr nach großer Leinwand schreien wie keiner seiner Filme zuvor.
Wir schreiben das Jahr 208 n. Chr: Der machtgierige Prime Minister Cao Cao (Zhang Fenyi) richtet seine expansiven Ambitionen nach erfolgreicher Vereinnahmung der Nord-Provinzen des Reiches gen Süden. Trotz zahlenmäßiger Unterlegenheit ihrer Streitkräfte formieren die dortigen Herrscher entschlossen den Widerstand gegen Cao Caos übermächtige Armee - am titelgebenden Red Cliff kommt es schließlich zur Entscheidungsschlacht...
Wie detailliert sich die Originalfassung dem Geschehen abseits des Schlachtfeldes, den politischen Hintergründen und vor allem Charakteren widmet, lässt sich aus dem internationalen Rumpf leider nicht ergründen und verbleibt bis zur Sichtung des vollständigen Zweiteilers im Raum der Spekulation - der zusammengeschnittenen Fassung jedenfalls hätte ein ausführlicheres Eingehen in der Hauptsache auf die in der militärischen Führung und den Herrscherpositionen vertretenen Hauptfiguren nicht geschadet, kommt aufgrund deren Vielzahl doch der jeweilige Background stets etwas kurz und verhindert eine allzu intensive Involvierung des Zuschauers in die Schicksale der Handelnden. Der Wechsel zwischen ausführlichen Schlachtszenen und Potraitierung der Taktikentwicklung in den Planungszentren der Kontrahenten lässt die Auseinandersetzung zwischen Nord und Süd stets ein wenig anonym wirken, verlässt selten den global-epischen Rahmen des großen Ganzen, um anhand der Einzelschicksale noch tiefer ins Geschehen einzutauchen.
Allzu sehr schadet das „Red Cliff" jedoch insofern nicht, als die Epik, mit der Woo diesen Krieg aus der übergeordneten großen Perspektive auf die Leinwand wuchtet, den Film mit dem überwältigenden Eindruck, den sie bereits während der Anfangscredits entfaltet, mühelos zu tragen vermagt. Woo präsentiert ein gigantisches Schlachtengemälde, das dem Rechenknecht immense Kriegerhorden und Streitflotten für die Großansicht entlockt und mit graziler Choreografie für die Nahaufnahmen des blutigen Getümmels kombiniert. Bei allem Bombast der aufmarschierenden Heere, im Finale sekündlichen Feuerbälle und Explosionen sind es stets die Sequenzen, in denen die Kamera einzelne Kämpfer inmitten des Schlachtfelds beim Hauen und Stechen begleitet, die in Sachen Action die begeisterndste Wirkung entfalten: Dynamische Choreograifien mit mal mehr, mal weniger ausgeprägtem Martial-Arts-Einschlag mischen sich mit Woos gewohnt grandioser und trotz Schusswaffenverzichts die bewährten Trademarks Slow-Motion und suppendes Blut nicht missen lassender Inszenierung zu einem großartigen Actionreigen, hart und brutal ohne es an graziöser Eleganz fehlen zu lassen.
Apropos Woosche Markenzeichen: Weiße Tauben lässt der Meister hier gefühlt mehr fliegen als in all seinen bisherigen Filmen zusammen, legt er in „Red Cliff" doch generell eine sehr ausgeprägte und atmosphärisch auch perfekt passende Symbol-Affinität an den Tag. Zudem lässt sich eine Szene in der Eröffnungsschlacht, in der ein Baby von einem Soldaten durch den tobenden Kampf getragen wird, wohl gut und gerne als Hommage ans Kult gewordene „Hard-Boiled"-Motiv verstehen.
Auf die Kraft der Bilder vertraut Woo bei alldem nicht nur in den Schlachtenszenen, sondern stilisiert jede einzelne Sekunde seines Films zum optischen Hochgenuss, der mit weiten Landschaften, prächtigen Gewändern oder stylishen Sonneneffekten für Eyecandy sorgt.
Doch neben der visuellen weiß durchaus auch die inhaltliche Seite von „Red Cliff" zu überzeugen. Entfaltet die in der abzusehenden Entscheidungsschlacht gipfelnde Auseinandersetzung zwischen Nord und Süd in der internationalen Fassung zwar keine große Tiefe, so fasziniert doch die Darstellung des Taktierens und Kriegslistenschmiedens der verfeindeten Parteien enorm: Von raffinierter Aufstockung der eigenen Waffenbestände aus dem Kontingent des Gegners über zeitliche Verzögerungen des Kampfes, um die gerade opportune Windrichtung abzuwarten bis zu unehrenhaften Mitteln wie der versuchten Ansteckung der feindlichen Armee mit einer in den eigenen Reihen grassierenden tödlichen Krankheit haben die Kontrahenten hier weit mehr in petto als stumpfes Aufeinanderlosgehen - bei einer derartigen zahlenmäßigen Unverhältnismäßigkeit der Heere unvermeidlich. Der Entwicklung von List und Taktik kommt in „Red Cliff" mindestens genauso viel Gewicht zu wie den Schlachten selbst - gleiches gilt für den Unterhaltungswert.
Fazit: Mit „Red Cliff" schließt HK-Legende John Woo endlich das auf lange Sicht unrühmliche Hollywood-Kapitel ab und präsentiert ein hervorragendes Comeback: Sein Film ist ein bombastisches Schlachtenepos, das sich durch gewohnt großartig inszenierte, harte Action gleichermaßen auszeichnet wie atmosphärisch-epische Optik und ausgiebige faszinierende Darstellung militärischen Taktierens. Dass es der internationalen Fassung dabei etwas an Tiefe und Figurenausarbeitung mangelt, schadet dem Werk angesichts des visuellen Hochgenusses nur insofern als es den Weg zum wahren Meisterwerk verbaut. Woo is back.