Review

Miami 1985, ein wild gewordener Arcade-Automat richtet ein Massaker an. Kaum passender könnte man Kung Fury einleiten, einen gerade kostenfrei veröffentlichten Film, der sich den Traumwelten der 80er Jahre widmet; eine maximal verdichtete Vision der damaligen Popkultur.
Doch vor dem “legal gratis ansehen” kurz zurück zum Anfang. Ein Trailer spukte durchs Internet, der für eine Kickstarter-Kampagne werben sollte, um Kung Fury überhaupt zu verwirklichen. Der schwedische Werbefilmer David Sandberg hatte mit dieser Collage sehr schnell einen Nerv getroffen, der zumindest bei mir spätestens mit dem Musikvideo zum von David Hasselhoff interpretierten Song “True Survivor” reinstes Wohlgefallen ausstrahlte. Alter Schwede, dachte ich, genau auf sowas hatte ich schon lange im wahrsten Sinne des Wortes gehofft! Visuell ist es ja eine Sache, aber mit diesem astreinen Wiederbeleben des Gewinner-Rocks konnte kaum noch etwas schief gehen. Dieses Gefühl mit dem Einsetzen des Abspanns, zu dem man im federnden Schritt eines Siegers den Saal verlässt, wurde in dem Track perfekt eingefangen.

Kung Fury schlägt auch deshalb nur bedingt in die Retro-Richtung und genau das ist die eigentliche Stärke des gut 30-minütigen Meisterstücks. David Sandberg schämt sich nicht, den Computer für all das zu nutzen, was er benötigt um seine Vision zu manifestieren. Das funktioniert ähnlich wie bei Sky Captain and the World of Tomorrow. Es gibt also zahlreiche deutlich aus dem Rechner stammende Grafiken.
Warum mir Kung Fury dann so besonders gefällt, wo ich doch unter anderem die beiden Filme um die Marvel-Figur Thor oder Zack Snyders Man of Steel so für die Computerwelten kritisiere hat einen ganz bestimmten Grund. Während in vielen CGI-Filmen heute nämlich der Fehler begangen wird, den Computer für möglichst atemberaubende Welten zu verwenden, wird dabei meist vergessen, daß die Idee, die Story und die Schauspieldarbietung den Film steuern und beleben müssen, während Effekte dies nur von den Grundsäulen bestimmt begleiten können. Kung Fury bietet zwar wie gesagt zahlreiche Effekte, geht aber die Umsetzung auf eigene Art in diesem Sinne an.

Hierzu gehört vor allem eine lebhafte Phantasie. Wer sich noch erinnern kann kennt vielleicht Pac Man für das Atari VCS 2600, ausgeliefert mit einer Anleitung, in der etwa “das gelbe Rechteck” als Banane erklärt werden musste. Computer- und Videospiele waren zwar stark beeinflusst von Actionhelden, Martialartisten, Barbaren, Geisterjägern, Jedi und Außerirdischen, manche beeinflussten sogar selbst die zeitgenössischen Trends. Die Pixelgrafiken hingegen eigneten sich eher, um mit Phantasie in andere Welten abzutauchen und gegebenenfalls das eigentliche Spiel in der Realität um Handlungen wie einen Raumschiff-Flug zu ergänzen.
Kung Fury bedient sich einerseits zahlreicher Klischees aus den Videotheken der 80er, beamt seinen Zuschauer aber viel mehr noch in einen Kosmos, der von den Airbrushdesigns der Spielekartons geformt worden ist. Diese Artworks, deren Stil man parallel auch auf Filmplakaten und Plattencovern bewundern durfte, war nicht nur Anreißer für den Verkauf, sondern setzte für uns damalige Kinder auch einen Keim, aus dem in unseren Köpfen bunte Schlachten wuchsen, während wir die farblich limitierten Klötze über den Bildschirm schoben.

Wie aus dem Trailer eventuell bekannt gelingt es in der Welt von Kung Fury mühelos, ein Auto mit dem Skateboard als Hebel in die Luft zu treten. Weil Hacker in den 80ern ein Mysterium darstellten, scheinbar alles auf den Kopf stellen konnten, gibt es auch im Film die Figur des Hackerman, der es dem Cop Kung Fury ermöglicht durch die Zeit zu reisen, um in Nazi-Deutschland gegen Adolf Hitler anzutreten, der auch unter dem Kampfnamen Kung Führer auftritt. Hackerman bekam für eine virale Marketingkampagne außerdem ein Spin-Off spendiert.
Ob Kampfamazone oder Saurier mit Laseraugen, Kung Fury begegnet auf seiner Bill & Ted ähnlichen Zeitreise einer ganzen Latte von Elementen, die Kinder von damals einfach lieben müssen. Gespickt ist der Film von zahlreichen markigen Sprüchen, die einerseits die Selbstverliebtheit des Protagonisten betonen und andererseits oftmals von übertriebener Gewalt begleitet werden. Ob dem Ghettoblaster die Batterien ausgehen oder das Bild Störungen aufweist, die von den Einblendungen eines virtuellen Videorekorders quittiert werden, Kung Fury weist bis in die Tiefe ein Auge fürs Detail auf.

Damit ist Kung Fury auch eine konsequente Weiterführung der Grindhouse-Welle, mit der Quentin Tarantino und Robert Rodriguez zunächst ihre Filme Death Proof und Planet Terror vermarktet haben. War die Double-Feature-Version schon von vier Fake-Trailern begleitet, von denen Machete es mittlerweile zu zwei eigenständigen Spielfilmen gebracht hat, folgten weitere Retrofilme wie Black Dynamite, die ihrerseits verschiedene Aspekte der Grindhouse-Ära hervorhoben. Auch in Skandinavien gab es mit Filmen wie Dead Snow oder Norwegian Ninja bereits Anspielungen auf verschiedene Genrefilm-Elemente, doch in seinem frischen Wahnsinn ist Kung Fury wirklich einzigartig.
Erinnerungen weckt der Film dabei an etwas, was in der schwedischen Metalszene wurzelt. Ich denke da gar nicht speziell an Hammerfall, die in der zweiten 90er-Hälfte relativ anachronistisch ihr 80er-Revival feierten. Ich denke eher daran, was sich unter den Fans mit der Zeit dann entwickelt hat. Hierbei waren es vor allem jüngere Anhänger der harten Gitarrenmusik, die Festivals nach der Jahrtausenwende bald mit knallbunten Outfits aus Leder und Spandex bevölkerten. Es ist vermutlich genau dieser trockene Schwedenhumor, der die fragwürdige Ironie eines Hipsters in eine Selbstpersiflage bei maximalem Spaß verwandelt.

Auch David Sandberg wirkt erstaunlich jung für jemanden, der ein so authentisches Potpurri wie Kung Fury auf die Beine stellen kann. Nun gehöre ich als Jahrgang 80 schon zur zweiten Welle der 80er Kids, sprich ich habe die Zeit nicht in vollem Bewusstsein als Teenager erlebt, sondern ich wurde genau in das beginnende Jahrzehnt geboren, um dann die Ausläufer über die zeitlichen Grenzen hinweg zu genießen und zu feiern. Schließlich spreche ich nicht grundlos davon, an den Ausgrabungen meiner eigenen Kultur teilzunehmen, wie es ein Autor wie Constantin Gillies in seinen Werken gern betont. Für mich bedeutet nostalgische Archäologie oftmals auch, Dinge erstmals zu erleben, die ich damals hätte erleben können und sie bedeutet leider oft auch, Erinnerungen zu vernichten.
Kung Fury wirkt vielleicht gerade deshalb wie eine seiner Trennlinien beraubte Traumwelt, weil die 80er ihren Einfluss über die Videotheken, die Fernsehprogramme und über die weiter verwendeten Commodore 64 und Amiga, das Atari VCS 2600, das Nintendo NES oder das Sega Master System hinaus verübten. Wer Glück hatte, fand noch einen vergilbten Arcade-Automaten in einer finsteren Spelunke.

Bei seiner ehemaligen Profession nicht überraschend bedient sich David Sandberg eines Stils, in dem man immer wieder Elemente von 80er-Werbespots wiederfindet. Spätestens heute unfreiwillig komisch angesichts hochgepriesener, aber in der Gegenwart so lächerlich klein wirkender Leistungsdaten, zeigten uns Computerhersteller eine Vision der Zukunft, in die wir uns verliebten, der wir aber mit der angepriesenen Maschine niemals nahe kommen konnten. Entscheidend ist, daß sich Sandberg in Kung Fury nicht über die Produkte der Zeit lustig macht, sondern höchstens darüber, wie sie verkauft worden sind und natürlich darüber, wie sehr er selbst diese Dinge liebt.
Kung Fury ist insofern eine verschmitzte Herzensangelegenheit; eine Hyperidealisierung einer Kulturdauerwelle, die ihre Anhänger über Jahre gehalten oder wieder zurückgerufen hat. In diesem Sinne könnte man Vergleiche zur Machart von Kill Bill ziehen, der außerdem, ganz wie Kung Fury, sogar eine Zeichentrick-Sequenz zeigt. David Sandberg, der als Produzent, Regisseur oder Hauptdarsteller so unzählige Positionen des ambitionierten Projekts besetzt, kann ohne Umschweife vermitteln, daß er die Werke der 80er inhaliert hat und gleichzeitig als Filmemacher hungrig ist, dies auch künstlerisch umzusetzen.

Irgendwie konnte David Sandberg ja auch gar nicht zurück, nachdem er 2013 sein vorheriges Leben an den Nagel gehangen hat, um sich mit gerade mal $5,000 ein Büro mit Greenscreen einzurichten und mit ein paar Kumpels den legendären Kung Fury Trailer zu drehen. Vieles ist seit dem passiert. Bei Kickstarter übertrafen die Backer mit US$630,019 deutlich das angestrebte Ziel von $200,000. Was einerseits grandios wirkt, zeigt jedoch auch die Grenzen dieses Systems, denn für eine Million hätte Sandberg einen ganzen Spielfilm umsetzen wollen.
Vielleicht ist es aber nun genau so optimal gelaufen, denn Kung Fury ist am Ende das Resultat über 100 Mitwirkender, die alle hinter dem Projekt standen und aufzeigen wollten, daß es wirklich funktioniert. Für David Sandberg, der mit Kung Fury auch in Cannes aufgetreten ist, kann das Werk nur den gewünschten Weg nach Hollywood bedeuten. Schließlich sahen allein auf Youtube im Jahr vor Release des Kurzfilms 10,5 Millionen Zuschauer den Kung Fury Trailer, sogar 11,5 Millionen klickten bisher das “True Survivor” Musikvideo lediglich auf dem David Hasselhoff Vevo Account an. Und gerade 19 Stunden nachdem der komplette Kung Fury Kurzfilm auf dem Youtube Account der Produktionsfirma Laser Unicorns freigeschaltet worden ist, haben schon atemberaubende 2,5 Millionen das Werk gesehen, welches nach diesem Einschlag wohl nur konzentrische Kreise des Erfolges loslösen kann.

Ganz Geschäftsmann bietet David Sandberg unterdessen bereits zahlreiches Merchandise an, welches mit dem kongenialen Artwork verziert ganz im Stil der 80er aufwartet. So gibt es neben den üblichen Shirts zum Beispiel auch “True Survivor” als Vinylsingle, oder den ganzen Soundtrack als klassische Langspielplatte. Der ganz große Coup sollte aber Kung Fury: Street Rage werden. Fiel auf der Premierenfeier am Rande nur eine verschmitzte Bemerkung, daß es ein limitiertes Spiel für Commodore geben werde, wurde das Spiel tatsächlich auf Steam released. Damit schloss sich der Kreis zu einem kongenialen Meisterstreich und ließ nur hoffen, daß man aus dieser Richtung noch einiges hören würde, doch so richtig ging dieser Traum wohl nicht in Erfüllung.

Details
Ähnliche Filme