“Im Krieg gibt es keine Regeln!”
Das mit einem Budget von 2 Mio. US-Dollar ausgestattete Mammutprojekt “The Bridge on the River Kwai” gestaltete sich bereits in der Vorproduktion als äußerst schwieriges und riskantes Unternehmen. Als Regisseur wurde der Brite David Lean auserwählt, der sich bereits mit gelungenen Literaturverfilmungen wie "Great Expectations", "Brief Encounter" und “Oliver Twist” einen Namen gemacht hatte. Als Produzent wurde Sam Spiegel angeheuert, der nach einigen Pleiten in Folge durch seine Zusammenarbeit mit Elia Kazan an “On the Waterfront” (1954) sich nun wieder am aufsteigendem Ast befand. Erste Probleme ergaben sich in der Wahl des Drehbuchautoren und des Hauptdarstellers. Die Studiobosse bei Columbia bestanden auf einen amerikanischen Hauptdarsteller. In die engere Wahl kamen Gary Grant und William Holden, wobei Letzterer das Rennen machte und dessen Lohn auch gleich die Hälfte des Budgets verschlang. Die Adaption des französischen Romanes “Le pont de la reviere Kwai” von Pierre Boulle übernahm Carl Foreman. Mit dessen Version war Lean aber ganz und gar nicht zufrieden, und so wurde Michael Wilson mit einer Überarbeitung beauftragt. Die Endfassung fand dann zwar Leans Zustimmung, jedoch dufte keiner der beiden Autoren im Vorspann genannt werden, da sich beide damals auf der sog. “schwarzen Liste” Hollywoods befanden. Im Vorspann wurde einfach Pierre Boulle als Drehbuchautor aufgeführt, obwohl er mit dem Film absolut nichts zu tun hatte, geschweige denn über ausreichende Englischkenntnisse verfügte, um seinen Roman auf Englisch zu adaptieren. Erst die restaurierte Fassung brachte den beiden wahren Autoren im Vorspann die verdiente Anerkennung.
Die Dreharbeiten auf der Insel Ceylon, irgendwo mitten im Dschungel zwischen Thailand und Rangoon, fanden unter härtesten Bedingungen statt. Tagsüber herrschten Temperaturen von weit über 30° Celsius, doch die Witterungsverhältnisse entsprachen genau den Vorstellungen David Leans und verliehen dem Film seinen ungeheuren Realismus. Obgleich die äußerliche Schönheit der Insel zunächst an Hawaii oder an die Karibik erinnert, merkt der Zuschauer schnell, dass Ceylon eher Absolom gleicht. Zu Beginn sieht man britische Kriegsgefangene, angeführt durch Col. Nicholson (Alec Guiness - oscarprämiert), auf das Gefängniscamp 16 zumarschieren. Ihr Marsch wird begleitet durch den “Kwai March”, eine Abwandlung/Erweiterung des berühmten “Colonel Bogey March” - ein Symbol für Mut und Entschlossenheit, für Gemeinschaftsgeist und Solidarität. Damit wurden die britischen Soldaten in weniger als 5 min charakterisiert.
Am Camp 16 angelangt, erleben wir die erste Begegnung zwischen Col. Nichsolson und Col. Saito (Sessue Hayakawa), der japanische Oberbefehlshaber des Camps. Saito erweist sich als unmenschlicher “Sklavenhalter”, der die britischen Gefangenen dazu benutzen will, eine Brücke über dem Kwai zu bauen, um eine Eisenbahnlinie in Richtung Indien auf der Brücke anzulegen. Was Col. Nichsolson nicht passt, ist, dass auch ranghöhere Offizieren Handarbeit ausüben sollen, was einen Verstoß gegen die Genfer Konvention darstelle. Es stellt sich heraus, dass Nichsolson streng militärisch veranlagt ist. Seine Truppe wurde von der britischen Regierung gezwungen, sich zu ergeben, ohne ersichtlichen Grund. Er führte den Befehl aus, weil es seine Pflicht als Colonel war. Und auch jetzt macht er keine Anstalten, sich gegen die Japaner zur Wehr zu setzen. Als Kriegsgefangene sind er und seine Truppe verpflichtet zu tun, was die Japaner ihnen befehlen, solange die Vorschriften beachtet werden. Er weigert sich also, seinen Offizieren den Befehl zur Ausführung von Handarbeit zu erteilen. Doch Col. Saito schenkt der Genfer Konvention keine Beachtung und offenbart seine ganz persönliche Sichtweise zum Thema Krieg: “Im Krieg gibt es keine Regeln!”. Bei glühend heißer Sonne bleiben Nicholson und seine Offiziere standhaft. Von Mittag an bis zur Dämmerung bleiben sie in einer Reihe stehen, ehe die Japaner die Offiziere in eine Gefängniszelle und Nichsolson in den “Ofen” stecken.
Auch die Strafe gehört für Nicholson zum Dasein im Militär dazu. Viel wichtiger ist es ihm, an seinen Prinzipien festzuhalten und seine Offiziere vor der Ausführung von Handarbeit zu bewahren. Der Bau der Brücke wird indes von japanischen Bauingenieuren geleitet, doch mit den inkompetenten Bauherren sowie einem Haufen undisziplinierter britischer Soldaten läuft überhaupt nichts zusammen. Währenddessen gelingt Commander Shears (Williams Holden), einem amerikanischen Gefangenen im Camp 16, das Unmögliche: die Flucht von der Insel. Shears, der den geborenen Einzelgänger verköpert, der sich nur in Not- und Extremsituationen zwangsweise auf Kooperation mit Anderen einlässt, ist heilfroh, von der Insel weggekommen zu sein und will nun so schnell wie möglich zurück in die Staaten. Allerdings fliegt unerwartet seine Tarnung auf, denn er ist gar nicht Comm. Shears. Der britische Major Warden (Jack Hawkins) ist hinter Shears’ Geheimnis gekommen und spannt ihn kurzerhand für eigene Zwecke ein. Warden wurde beauftragt, die Fertigstellung der Brücke am Kwai vor Ort zu unterbinden. Dafür nimmt er neben zwei britischen Offizieren eben noch jenen Shears mit, der Informationen aus erster Hand liefern kann.
Von hier an verläuft die Handlung zweigleisig. Zum Einen haben wir die Erergnisse rund um den Brückenbau. Die Japaner sehen ein, dass die Briten nur unter ihren eigenen Offizieren ordentlich arbeiten und dass die Briten die besseren Konstrukteure sind. Die britischen Offizieren (einschl. Nicholson) sind mittlerweile freigelassen und mehrmals muss sich Col. Saito gegenüber Nicholson eingestehen, dass die Briten auf psychologischer Ebene Herr der Lage sind. Der Sturkopf Nicholson, erblindet vor unendlichem Stolz und Selbsteifer, fühlt sich Saito nun endlich überlegen und möchte die überlegene Stellung der Briten festigen durch den Bau einer ganz besonderen und einzigartigen Brücke am Kwai, die die Japaner nicht im Traum in dieser Form fertigstellen könnten. Auch der Vorwurf von Major Clipton (James Donald), dass dies Kooperation mit dem Feind sei, kann ihn nicht davon abhalten.
Zum Anderen haben wir eben das Team um Major Warden und Shears, die die Fertigstellung der Brücke unterbinden sollen. Ihr Vorhaben gipfelt schließlich in einem der berühmtesten und spektakulärsten Showdowns der Filmgeschichte!
David Lean hat mit “The Bridge on the River Kwai” einen Kriegsfilm geschaffen, der fast vollständig auf Feuerwaffen und Pyrotechniken verzichtet. Der Krieg spielt sich auf psychologischer Ebene ab. Der Krieg findet nicht auf dem Schlachtfeld statt, sondern in den Köpfen der Offiziere. Der Krieg ist letztendlich nichts als der reinste Wahnsinn! So beschreibt es auch Major Clipton am Schluss des Filmes. Und die beiden Colonels Nicholson und Saito sind definitiv wahnsinnig, und auch Major Warden, der für die erfolgreiche Ausführung seines Auftrages/Befehls sterben würde, steht den beiden in nichts nach. Clipton ist der Charakter, der die Gedanken des objektiven Publikums widerspiegelt, und ironischerweise bekommt ausgerechnet er zwei Mal Nichsolsons berühmten Satz “Manchmal kann ich Sie gar nicht verstehen” zu hören.
“The Bridge on the River Kwai” ist ein cineastisches Meisterwerk. Ein mustergültiges Drehbuch, authentischer Drehort, perfektes Set-Design, grandiose Schauspieler, gelungene Kameraführung, einprägsame Musik - all das kombiniert durch einen der besten Regisseure aller Zeiten. Ein Klassiker der Filmgeschichte, der seine sieben Oscars absolut verdient hat. 9/10