Gar nicht einmal soweit entfernt von den traditionellen Poliziescos legt Enzo G. Castellari („Keoma“, „Ein Haufen verwegener Hunde“) diese weitere Zusammenarbeit mit Franco Nero („Django“, „Zwei wilde Companeros“) an. Ganze 10 Filme brachten die beiden in dieser Konstellation hervor und die meisten davon gelten zurecht als oberklassige Vertreter der seinerzeit florierenden, italienischen Akkord-Filmwirtschaft. Castellaris inszenatorische Fähigkeiten sind unbestritten und der charismatische Franco Nero nun mal für jeden Film ein Gewinn.
In Bezug auf die nicht zimperliche Wahl seiner Methoden nicht so ganz weit weg von Genreikone „Dirty Harry“ angelegt, mimt er hier den heruntergekommenen, hartgesottenen Privatdetektiv Larry Staziani, der auf den markigen Decknamen Cobra hört, und sich mehr schlecht als recht in seinem schmuddeligen Viertel mit gelegentlichen Observierungen fremdgehender Frauen für eifersüchtige Ehemänner oder das Wiederauffinden von Haustieren herumschlägt, weil sein Ehrgeiz ihn nicht nur seinen Job beim F.B.I. kostete, sondern ihn auch für mehrere Jahre hinter Gittern brachte. Nun schaut eines Tages sein alter Freund und Ex-Kollege Godschmidt, ausgerechnet von William Berger verkörpert, vorbei und offeriert ihm die Chance inoffiziell wieder für das F.B.I. zu arbeiten. Denn in Genua, wo das F.B.I. natürlich keinerlei Befugnisse besitzt, baut sein alter Erzfeind von damals, Kandinsky, sich ein neues Drogenimperium auf. Für Cobra bedeutet dies gleich eine halbpersönliche Angelegenheit, lebt dort doch sein Sohn als Halbwaise in einem Heim...
Franco Nero ist auch hier wieder eine Klasse für sich mit einer Extraportion Ironie, schlagkräftigen Argumenten und einer eigenen Auffassung von Recht und Ordnung, die so im Gesetzbuch sicher nicht niedergeschrieben ist, aber das interessiert hier ohnehin niemanden. In Trenchcoat und mit Schlapphut auf dem Kopf läuft er wie ein bunter Hund durch Genua, klebt seine aufgekauten Kaugummis an die unmöglichsten Stellen (nach den Streichhölzern in den Italowestern nun also die Kaugummi-Macke *gg*), spielt neckisch mit seinem Flummi, schläft mit der verführerischen Sängerin Brenda (Sybil Danning, „Panther Squad“, „The Tomb“), prügelt Informationen aus zwielichtigen Gestalten heraus, ballert mit seinem Revolver herum und erregt damit gleich soviel Aufmerksamkeit, dass Kandinsky umgehend ihm ein Begrüßungskomitee auf den Hals hetzt.
Der Fall selbst ist sogar ziemlich undurchsichtig und spannend, wobei die Anzahl möglicherweise verwickelter Personen schon soweit reduziert wird, dass so viele Verdächtige nicht mehr in Frage kommen. Das Drehbuch leistet sich zwar bisweilen auch seine Auszeiten, wenn in pathetischen Intermezzos Cobra Minuten mit seinem Sohn verbringen kann, obwohl man diese Parts auch genauso aus dem Drehbuch hätte streichen können, denn einen zusätzlichen Schub bedeuten sie für Cobra letztlich nicht unbedingt.
Viel Lokalkolorit, insbesondere die schmuddeligen Seitengassen, der Hafen, Discotheken und Nachtclubs geben dem Film als Ambiente viel, sofern man sich denn dafür begeistern kann und rassistisch-reaktionäre Tendenzen, wie die von Nero zusammengeprügelte, drogensüchtige Karate-Tunte, ernten dann auch noch gern Szenen-Applaus für heute undenkbare politische Unkorrektheit. Ja, so waren sie die Achtziger. Technisch gesehen, läuft „Der Tag der Cobra“ seiner Zeit deutlich hinterher und das Thema selbst war eigentlich auch schon oft genug durch, aber einen gewissen Charme hat der Film.
Castellari erzählt stringent und inszeniert gewohnt souverän ohne, abseits der luftigen Hetzjagd eingangs, großartig auf Action zu setzen, sondern sich stattdessen auf seine Hauptfigur und den für ihn doch recht kniffeligen Fall zu verlassen, den Nero wiederum lange Zeit ziemlich locker mit flapsigen Kommentaren versieht. Sein Buddy, ein Jude mit regem Informationsfluss, kommt auch ganz knuddelig rüber und findet sich regelmäßig wieder zu einem neckischen Dialog mit Cobra ein, während Paolo Vasile („Gretchko“) einen rassigen Score beisteuert.
Der Grundtenor gestaltet sich also nicht allzu ernst, wobei sich der Film besonders zum Ende hin schon einige Härten herausnimmt, wenn unter anderem eine Spitzhacke zweckentfremdet wird oder eine Leiche an einem Seil baumelt, während Cobra im Berserker-Modus kontinuierlich die Sache durchschaut und Nägel mit Köpfchen macht. Sein letzter Abschuss bleibt dennoch etwas fraglich.
Denn zwar meistens, aber beileibe nicht immer, ist klar, wer dem Privatdetektiv ans Leder will. Mal prügelt er sich mit Verfolgern, die ihn eigentlich nur bewachen sollen, dann sind es Kandinskys Schergen, die ihm auf dem Fischmarkt um Mitternacht ganz schön zusetzen, worauf sich Cobra übrigens unbeeindruckt am nächsten Morgen aus der Ohnmacht erhebt, in ein Taxi steigt und sich zur nächsten Wäscherei fahren lässt, um den Gestank aus den Klamotten zu bekommen.
Natürlich wird Cobra auch eingeschüchtert und muss selbst Federn lassen, der lokale Polizeiapparat schein auch nur mit sich selbst beschäftigt und lässt den Schnüffler nach Lust und Laune sich wie ein Elefant im Porzellanladen aufführen. Unlogisch, aber gemäß der Gesetze des Genres.
Fazit:
Erst mit dem Mundwerk dann mit der Brechstange verschafft sich Franco Nero hier Gehör und erklärt im Alleingang dem im großen Stil aufgezogenen Drogenhandel den Krieg. Handlanger gehen einige drauf, mal zerstört Nero das weiße Pulver auch selbst, irgendwann geht ihm dann jedoch auch die Geduld aus, er legt zum Finale richtig auf und erledigt die Organisation komplett. Kein Genrehighlight, aber ein sympathischer Thriller mit einem guten Franco Nero, der, wie immer, souveränen Regie Castellaris und der richtigen Dosis Gewalt und Humor. Der Schwerpunkt liegt natürlich weniger auf einer cleveren Handlung, sondern auf der Hauptfigur und ihrer Vorgehensweise. Der bisweilen unangenehm rassistische Ton und die sich hinter dem Film verbergende Ideologie sind heutzutage natürlich längst verpönt, gehören zu solchen Filmen aber nun einmal dazu.
Insbesondere Genrefans werden hier wieder gut unterhalten, auch wenn „Der Tag der Cobra“ nicht zur Klasse von „Ein Mann schlägt zurück“ und sowieso nicht „Tote Zeugen singen nicht“ aufschließt.