Das letzte Vermächtnis des im Juli 2014 verstorbenen Panna Rittikrai besteht im Grunde aus eben diesem finalen Film und dem davor gedrehten BKO: Bangkok Knockout (2010), welcher als reines Kampf- und Stuntfestival bereits die Grundzüge des Schaffens des Stunt Director und Actionchoreographen im aktuellen Gewand zusammenfasste und hier noch einmal in der destruktiven Steigerung wiederholt. Dass der Mann nach einer lang währenden, vor allem in den Achtzigern und Neunzigern des vergangenen Jahrhunderts aktiven Karriere schon im Alter von 53 Jahren krankheitsbedingt verschied, stellt die Filme zudem gleichzeitig als Einführung, Wiederholung und Abschied der Mechanismen des Thailändischen Actionkinos dar, für das er im Grunde allein auf weiter Flut steht. Eine Zusammenführung von (räudigen) Gewohnheiten, die nach all der Zeit immer noch in handwerklicher Präzision ausgeübt werden können und der Anmoderation von Frische und neuem Talent, und ein soviel mehr als die Simplizität von Geschichte und Emotion und Schauspiel, die sich scheinbar losgelöst von tieferen Ebenen auf der Leinwand ergeht. Gebrochene Knochen, vermehrt blutige Einschüsse mit der Pumpgun, Bekanntschaften von Metall und Körper, von Glas und Fleisch, von Ventilator und Gesicht:
Nach dem gewaltsamen Tod ihrer Eltern wurden die Waisenkinder Thee [ Dan Chupong ] und Than [ Nathawut Boonrubsub ] abseits der Großstadt von ihrem Onkel Nonm [ Ping Lumpraploeng ] aufgezogen. Während sich Than mit der Existenz als Automechaniker abfindet, forscht Thee auf eigene Faust nach den Mördern seiner Eltern nach und gerät dadurch auch in das Gewerbe von Attentätern. Als er eines Tages beauftragt wird, Ploy [ Nisachon Tuamsungnoen ], die Tochter eines reichen Geschäftsmannes auszuschalten, stellt er sich stattdessen auf deren Seite und beschützt sie, wodurch er gleichzeitig die Aufmerksamkeit weiterer entsandter Killer wie Nui [ Kessarin Ektawatkul ] und Pod [ Chatchapol Kulsiriwuthichai ] und auch die der Hintermänner eines die Vergangenheit einschließenden Komplotts auf sich und seine übriggebliebene Familie zieht.
Die Eröffnungsszene entpuppt sich dabei als rabiate Gesamtschau und so auch Art Resümee der Art der Inszenierung von Aktion und Reaktion; eine Traumsequenz, die mit dem Rest der Handlung nichts zu tun hat und wie als Appetizer auf mehr, als Trailer und standalone picture wirkt. Ein Fußballspiel, dass schnell zur heftigen Prügelei, allerdings immer noch mit dem Ball am Fuß, nur ergänzt mit dem Ausschalten der Gegner in Form von Sprüngen und Tritten und dem Weghauen der Gliedmaßen wird. Eine Sequenz ohne Vorstellung der Personen, ohne Worte und Prämisse und Motiv; alles Faktoren, die auch nicht wirklich im Sinne der Filmemacher und auch nicht wirklich im Bewusstsein der Zuschauer erforderlich sind.
Entscheidend ist der unverstellte Exzess, der show-off, die Auslotung des Möglichen, auch die Umgebung, möglichst raues, derbes, mit allerlei Dreck und Schmutz und Unrat umrandetes und zusätzlich mit diversen Zivilisationsschrott zugebautes und vollgestopftes Milieu. So wie BKO: Bangkok Knockout fast komplett in einem mehrstöckigen, dem Zerfall hinterlassenen Fabrikgelände spielte und den Kombattanten dort allerlei Möglichkeiten zum Benutzen von Werkzeugen, zum Zweckentfremden von Gebrauchsgegenständen und dem Klettern über und Fallen auf Gerätschaften bot, so werden auch hier eifrig die schäbigen Plätze wie Lagerhallen und Industriebrachen, allerdings verbunden mit vielen Schauplatzwechseln und Bewegungen dazwischen aufgesucht. Heimisch fühlt man sich abgeschieden der Gesellschaft; wurden in den früheren Arbeiten, die bisher großteils einzig auf Video CD und dies nur in der Landesregion des Nordosten Thailands erschienen und der einfachen arbeitenden Bevölkerung gefragt sind, zumeist entsprechende Ländlichkeiten wie zusammengehauene Dörfer, wenn überhaupt, und wenn nicht gar nur der anliegende Wald und seine Felder für die Prügelorgien gesucht.
Dieses Motto der Ausgrenzung und des Austobens fernab der Hochkultur behält man hier ebenso bei wie man keine Gefangenen und kein Erbarmen mit den anwesenden Darstellern, die zumeist auch ihre eigenen Stuntman sind macht. Bis auf Ausnahmen ist die Riege besetzt mit Rittikrais Entourage; Wiederholungstäter der physischen Schnörkellosigkeit, die noch einmal und mit gleichem Körpereinsatz und Geber- und Nehmerqualitäten wie auch die letzten Jahre dabei sind, auch wenn sie dabei stetig in der hinteren Reihe bleiben und anders als einzig der ehemalige Schützling und Begleiter Tony Jaa nie im Vordergrund zu sehen sind.
Einer der dies fast geschafft hätte bzw. für den kurzen Moment erreicht und im kleinen Kreis wenigstens den Namen hat, ist Dan Chupong, dessen Wiedersehen hier im (unfreiwilligen) Abschied von Rittikrai umso willkommener und gutzuheißen ist. Chupong vertritt die klischeehafte Figur des Assassinen mit Herz mit folgerichtiger Art und Weise, die gleichzeitig unterkühlt und dann plötzlich auch wieder überaus emotional, d.h. mit Weinen und Leiden und wie aus dem Handbuch des Heroic Bloodshed, inkl. all der Männerfreundschaft und des Schwurs bis zum Tode und darüber hinaus ist. Sowieso wird hier natürlich nichts Neues, dies nur etwas anders und auch mit teils ungewohnt hohen Schussgebrauch, ähnlich dem zeitigen Born to Fight (2004), dem ersten großen Achtungserfolg erzählt; darunter einer (von zwei) Plansequenz(en) ohne Schnitt, einer Erstürmung einer Bar mit den Pistolen im Anschlag, wobei die Kamera unterhalb der Gürtellinie und von seitlich hinten dem Attentäter längs und quer im 360° Winkel folgt. Überhaupt ist die auch bleihaltige und mit kraftvollen Explosionen gewürzte Inszenierung formell bei weitem nicht so hanebüchen, wie es der landläufigen Meinung zufolge den Anschein hat, bestimmen rapide Wechsel von Tempo und Halt den Rhythmus ebenso entscheidend wie auch die Überraschungen und Überrumpelungen der Sehgewohnheiten, vor allem auch der hohe Gewaltgrad im Bild und ohne Punkt und Komma, ohne Wackelkamera und Schnittstakkatto – als Gegenentwurf z.b. zu The Raid 2 – und anderen Ablenkungen hier tatsächlich an der Tagesordnung sind.