Review

kurz angerissen*

Die Gürtelschnalle droht sich zu lösen. Ein Blick in den Abgrund, ein plötzlicher Ruck – im letzten Moment greift eine Hand nach unten und bekommt den Handschuh zu fassen. Doch der beginnt langsam, sich zu lösen. Das Ende scheint unausweichlich...

Szenarien wie diese kennt man aus Bergsteiger-Thrillern der Marke „Cliffhanger“ zuhauf und irgendwo erwartet man sie fortan in jeder weiteren Produktion dieser Gattung anzutreffen, doch Baltasar Kormákur, der schon seine handelsüblichen Straßen-Thriller eher spröde anlegte, umschifft jedes Pathos wohlweislich und lässt eher unspektakulär sterben. Es sind keine tiefen Abhänge, schwarzen Schluchten und spitzen Bergkanten, die zu rot glühenden Todesfallen stilisiert werden, sondern die reine Atmosphäre,die in Verbindung mit menschlicher Selbstüberschätzung den Tod im trockenen Stil bringt.

Insofern ist „Everest“ zwar ein bildgewaltiger, visuell streckenweise spektakulärer Film, der Hochgefühle wie Demut gleichermaßen auszulösen weiß und einen hohen Immersionsgrad erzeugt; spannend hingegen ist er nicht. Dialoge mit situativ bedingtem Inhalt und Ablauf stehen im Zentrum und erzeugen in der Kommunikation mit der Heimat leider auch so manches Klischee um bangende Ehefrauen, wie es eher vom Kriegsfilm bekannt ist. Auf dem Schlachtfeld hingegen scheint jedes Pathos von der kalten Umgebung eingefroren zu werden.

Die dadurch erzeugte Neutralität übt eine durchaus balsamierende Wirkung aus (insbesondere, wenn man der theatralischen Blockbuster-Gestik überdrüssig geworden ist), verhindert jedoch auch eine tiefgehende Auseinandersetzung mit den Motiven der Bergsteiger für ihr Handeln. Eine spontane Diskussionsrunde am Tisch im Zeltlager kann nicht aufwiegen, was während des Auf- oder Abstiegs deutlicher hätte herausgearbeitet werden können. Erfolglos kämpft auch das Casting mit einem namhaften Aufgebot gegen die Anonymität der dicken Mäntel, Brillen, Bärte und Ausrüstungen an.

Als Mahnmal funktioniert „Everest“ dennoch einwandfrei; gerade in Bezug auf diesen höchsten Berg der Erde, dessen Größe sich der Mensch dank heutiger technischer Möglichkeiten zu Unrecht ebenbürtig fühlt.

*weitere Informationen: siehe Profil

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