Noch bevor Craven 1996 nach einem Drehbuch von Kevin Williamson mit "Scream" den Klassiker des postmodernen Slasherfilms - selbstironisch, selbstreferenziell und selbstreflexiv - inszenierte, legte er mit dem sechsten Sequel zu seinem Klassiker "A Nightmare on Elm Street" (1983) bereits eine nicht minder doppelbödige und komplexe Horrorstory vor, die Horrorfilm und Kommentar zum Horrorfilm zugleich ist.
"Wes Craven's New Nightmare" setzte die 10 Jahre zuvor begonnene und mit "Freddy's Dead: The Final Nightmare" (1991) eigentlich beendete Reihe um den untoten Kindermörder Freddy Krueger fort, da die riesige Fangemeinde durchaus auf hohe Einspielergebnisse hoffen ließ. Für die Wiedererweckung einer der größten modernen Horrorikonen wollte man unbedingt deren Schöpfer Wes Craven verpflichten, der eigentlich kein Interesse an einer x-ten Fortsetzung hatte, sich durch eine verhältnismäßig hohe Gage und die Zusicherung künstlerischer Freiheit aber überzeugen ließ. Craven hatte jedoch nicht die Absicht um die zentrale Figur des Bösewichts eine neue Gruppe austauschbarer Opfer um ihr Leben kämpfen zu lassen, sondern er wollte sich auf eine Weiterentwicklung der von ihm geschaffenen Charaktere und des von ihm geschaffenen Konzepts einlassen. Ihn reizte der Gedanke, Protagonisten einzusetzen, die mittlerweile das Alter der Kinozuschauer von "A Nightmare on Elm Street" erreicht hatten, anstatt Identifikationsfiguren für ein jugendliches Publikum abzuliefern. (Vgl. Cravens Audiokommentar; 00:28:07)
Und um nicht an die im Laufe der Teile immer kruder und konstruierter anmutende Dramaturgie der vorangegangenen Filme gebunden zu sein - was freilich auch durch einfaches Ignorieren der entsprechenden Teile möglich gewesen wäre, wie Craven auch schon als am Drehbuch von "A Nightmare on Elm Street 3: Dream Warriors" (1987) Beteiligter den (nicht nur in seinen Augen) schlechten zweiten Teil ausblendete - distanzierte er sich vom Handlungsverlauf der Reihe, indem er seinen siebten Teil außerhalb dieser ansiedelte: In "Wes Craven's New Nightmare" ist die Nightmare on Elm Street Reihe ebenso fiktiv wie sie es in der Realität ist, bis schließlich das Albtraumwesen aus den Filmen in die Realität hereinbricht.
Zunächst beginnt "Wes Craven's New Nightmare" wie andere Vertreter der Reihe auch: In seinem Heizungskeller schmiedet sich Krueger eine neue Krallenhand, als das erste Blut spritzt entpuppt sich das Gesehene allerdings als Film im Film. Unter der Regie von Wes Craven (Wes Craven) wird gerade ganz offenbar ein neuer Nightmare-Film gedreht und am Set beäugt Heather Langenkamp (Heather Langenkamp) mit ihrem Sohn Dylan (Miko Hughes) die Trickeffekte ihres Mannes Chase (David Newsom), der in der innerfilmischen Realität für Freddys neue Klingenhand verantwortlich ist. Diese spielt plötzlich verrückt und kostet zwei Crewmitgliedern das Leben - und erneut muss der Zuschauer feststellen, dass er in die Irre geführt worden ist: Die Ereignisse entpuppen sich als Alptraum von Heather, die zuhause in ihrem Bett zusammen mit Mann und Kind von einem Erdbeben geweckt wird.
Bereits in den ersten Minuten führt Craven somit effektvoll die drei Ebenen des Films (Traum, Film, Realität) vor, deren Beziehung zueinander immer wieder (spielerisch) thematisiert wird.
Und die Beziehungen sind enger, als es zunächst noch den Anschein hat - denn während Heather die Alpträume noch auf terrorisierende Anrufe eines fanatischen Freddy-Fans zurückführt (hier orientierte sich Craven an der außerfilmischen Realität; Langenkamp musste sich tatsächlich mit solcherlei Anrufen herumschlagen), zeigt sich bald dass mehr dahintersteckt: tatsächlich ist bei New Line Cinema ein neuer Nightmare on Elm Street Film geplant, Craven schreibt bereits an einem Drehbuch und Heathers Mann wurde ohne ihr Wissen bereits für die Spezialeffekte eingespannt. Und schnell zeigt sich, dass nicht nur Heather von Alpträumen geplagt wird: Wes selbst leidet seit geraumer Zeit an Alpträumen und Freddy-Darsteller Robert Englund malt hier gänzlich unbewusst ein Porträt von Freddy Krueger. Und auch Heathers Sohn träumt mehrfach vom bösen Mann mit der Krallenhand und bald weist auch sein Stofftier erste "Schnittwunden" auf. Und bald sind auch erste Tote zu beklagen, darunter auch Heathers Mann, der während der Autofahrt im Sekundenschlaf sein Leben lässt - irritierenderweise mit vier tiefen Schnittwunden in der Brust.
Für diese Ereignisse hat Wes schließlich auch eine Erklärung parat, als ihn Heather aufsucht nachdem man sie bei New Line gebeten hatte erneut in die Rolle der Nancy zu schlüpfen: Ihm zufolge existiert ein uraltes Böses, das nur durch das Erzählen von Geschichten einzufangen ist, mit denen man seinen wesentlichen Kern fasst, und dieses Böse sei die letzten Jahre in den filmischen Geschichten um Freddy Krueger herum gefangen gewesen. Wenn solch eine Geschichte jedoch sterben würde (sei es, weil man sie aus ökonomischen Gründen verändert oder weil sie so schrecklich sind, dass sie verboten werden - zwei Attacken auf Kommerzialisierung und Zensur, mit denen Craven gerade auch bei der Nightmare-Reihe seine Probleme hatte) dann würde auch das Böse darin freigesetzt werden. Und nach dem vermeintlichen Ende der Nightmare-Serie mit Teil 6 sei das Böse nun entfesselt und in den Alpträumen von ihm, Heather und den anderen gegenwärtig.
Dieses Gespräch zwischen Heather und Wes wird von Craven kombiniert mit Auszügen des Drehbuches, an dem Wes schreibt um das Böse wieder zu bannen. Da Teile des Gespräches tatsächlich zwischen Langenkamp und Craven stattgefunden haben sollen - freilich als bloßes Ersinnen einer Prämisse für den siebten Teil - bricht Craven ganz besonders in dieser Szene (und später nochmal im Finale) die Grenzen zwischen Realität, Film und Film im Film auf um damit einen Zusammenhang zwischen Realität und Kunst herzustellen, der zum einen auf einer sehr simplen Ebene die Bedrohung durch Freddy Krueger verstärken soll indem man ihm zur durchaus realen Bedrohung stilisiert (in den Credits steht dann auch dementsprechen bei Robert Englund wie bei Freddy Krueger "as himself"), und der zum anderen auf einer schon etwas subtileren Ebene den Horrorfilm bzw. den gewalttätigen Film gegen die üblichen Vorwürfe verteidigen soll, wie es Craven später auch in der Scream-Trilogie - die nun womöglich doch noch um ein Sequel erweitert werden soll - machen sollte.
Gerade der märchenhafte Charakter des Films (der in der Idee vom nur durch das Geschichtenerzählen zu bannenden Bösen bereits anklingt) spielt dabei noch eine tragende Rolle. Ganz deutlich wird dieser Charakter im Finale anklingen.
Bis dahin muss Heather die Erfahrung machen, dass das Böse in Form von Freddy, der hier auch ein neues Erscheinungsbild besitzt (weniger Haut, gedämpftere Rot/Grün-Töne, ein langer schwarzer Mantel, direkt an der Hand angebrachte Klingen und ein ständig wutverzerrtes Gesicht - Fans der vorherigen Versionen bekommen "ihren" Freddy nur bei Robert Englunds Auftritt in einer TV-Show geboten... dort dann allerdings gleich mehrfach, denn das halbe Publikum trägt sein Outfit ebenfalls), tatsächlich existiert und nach ihrem und auch Dylans Leben trachtet. Nach einem in jeder Hinsicht unangenehmen Krankenhausbesuch, bei dem Heathers Freundin Julie stirbt, als sie auf Dylan aufpasst, welcher unter dem Einfluss eines Schlafmittels hinter ihr Freddy Krueger auftauchen sieht, welcher sie mit seinen Klingen an der Wand und der Decke zerfetzt (eine Szene die man aus dem ersten Teil kennt) und anschließend Dylan selbst entführt, macht sich Heather auf ihren Sohn zu retten. Dabei gerät sie immer mehr in die Rolle der Nancy hinein: Ihr Haar bekommt eine graue Strähne, John Saxon, der ihr erst behilflich ist, wird zu Nancys Vater und rät ihr zu einem erholsamen Schlaf und ihre Umgebung wird schließlich zur Elm Street. Mittels einer Schlaftablette begibt sie sich dort dann endgültig in Freddys Reich - und genau hier setzt Craven die Märchenmotive um, dier zuvor im Film schon direkt zitiert hat: Haben Heather und Dylan zu Beginn noch ausgiebig Hänsel und Gretel gelesen (die Hexe in den Illustrationen war sicherlich nicht zufällig schon mit klauenartigen Händen und einer rot/grünen Strumpfhose ausgestattet) (00:24:40), versucht Freddy nun Dylan mit Pfefferkuchen zu locken und treibt ihn kurz darauf in einen riesigen Ofen. Freilich kann sein Opfer entkommen und Freddy selbst ins Feuer stoßen. Anschließend erwachen Mutter und Sohn daheim im Bett, wo sie auf das Drehbuch zu "Wes Craven's New Nightmare" stoßen, aus welchem Heather vorzulesen beginnt, als Dylan ein Märchen hören will. Damit wird der Film nicht nur mit Märchenzitaten ausgestattet, er erklärt sich darüber hinaus sogar selbst zum Märchen. Und damit nimmt Craven für sich als Horrorfilmer in Anspruch, was man dem Märchen gemeinhin schon zusprechen würde, dem brutalen Horrorfilm hingegen eher nicht. Craven spricht sich hier ganz deutlich für jede Art von fiktiven Stoffen aus, die menschliche Ängste behandeln und deren Produktion wie Rezeption eine befreiende Wirkung darstellt und die Elemente abbaut, die einen insgeheim in den (Alp-)Träumen verfolgen.
Diese Annahme bleibt letztlich etwas naiv - nicht zuletzt deswegen, weil Craven in keinster Weise auf die Mechanismen verschiedener Medien wie etwa Literatur und Film eingeht - stellt aber zumindest den löblichen frühen Versuch eines narrativen Genrefilms dar, über sich selbst reflektierend Stellung zur Thematik von Gewaltverherrlichung und -verharmlosung zu beziehen.
Zudem fällt die Naivität nicht allzusehr ins Auge, da allerlei Zitate (etwa eine Nosferatu-Nachstellung (01:24:35), die auch in Teil 5 schon ansatzweise zu betrachten war), der ständige Wechsel zwischen den Ebenen und zahlreiche "Gastauftritte" schon genug vergnügliche Beschäftigung liefern.
Damit ist der Film sicherlich kein übermäßig intelligenter Film, der intelligenteste Beitrag in der Nightmare-Reihe ist er aber sicherlich geworden. Auf formaler Seite ist zudem anständig gearbeitet worden (auch wenn einige Effekte hier budgetbedingt etwas unzulänglich erscheinen mögen) und auch die Darsteller/innen, die sich weitestgehend selber spielen, können auf voller Linie überzeugen.
Die Konzept-Änderungen und Freddys neues Erscheinungsbild sorgten in Verbindung mit seinen verhältnismäßig wenigen Auftritten bei den eingefleischten Fans mitunter für sehr schwache Bewertungen, zumal der Film vielen auch nicht blutig genug geraten ist. Diese Zielgruppe musste noch fast ein Jahrzehnt warten ehe Ronny Yu mit "Freddy vs. Jason" (2003) ein Funsplatter-Spektakel veranstaltete. Wer jedoch ein Sequel erwartet, dass sich am ehesten an den düsteren Tonfall des ersten Teil hält und darüber hinaus als Vorstufe zur späteren Scream-Reihe funktioniert, der wird keinesfalls enttäuscht und bekommt einen von Cravens besten und wichtigsten Filmen geboten.
Solide 7/10.