Das Beste kommt immer zum Schluß. Bei diesem Subgenre wird der Satz mal wahr, denn alle Wunschträume, die sich in rund 40 Jahren intensiver Betrachtung von Endzeitrocker-Filmen aufgestaut haben, gelangen hier zur Erfüllung. Man hatte davon geträumt einen Film dieses Genres zu sehen, der weder billig noch amateurhaft noch kitschig noch langweilig noch dumm ist. Der erwachsene Zuschauer (und es waren außerordentlich viele erwachsene Männer und auch Paare, welche die Kinovorstellung besuchten) sehnte sich nach einem Endzeitstreifen, der zündet wie ein Raketenmotor, fetzt wie ein Schlag mit einer Kette, smashed wie ein Carcrash und dabei noch Atmosphäre hat und einprägsame Darsteller – das Ganze eingefangen in guten Bildern.
Bevor ich nun meinen Begeisterungsstürmen freien Lauf lasse, muß ich anmerken, daß man mich als Kritiker (erste Kritik 1985 geschrieben) und Zuschauer von bislang 25.000 Filmen nicht einfach mit irgendeiner Fahrzeugraserei erwärmen kann. Im Gegenteil, ich finde Autoverfolgungsjagten in Krimis sogar stinklangweilig. Auch hämmernde Daueraction ist eigentlich nicht mehr mein Fall. Knisterndes Flair ist mir wichtiger. Also prinzipiell hat es eine Action-Orgie wie „Mad Max – Fury Road“ bei mir sogar schwer.
Dieser Film ist jedoch in jeder Hinsicht derartig perfekt, daß sogar jemand, der wie ich alle großen und auch viele mittlere und kleine Actionfilme oft sogar mehrfach gesehen hat, in voller Überzeugung zugeben muss: „Mad Max – Fury Road“ ist der beste Actionfilm, der bis jetzt gedreht wurde. Der Begriff „Actionfilm“ wird nach diesem Werk neu definiert werden müssen.
Bevor sich jetzt die falschen Vorstellungen in den Köpfen einnisten: Nein, es ist nicht der Blutigste oder der mit den meisten Toten. Nein, es ist auch nicht derjenige mit der wildesten Kung-Fu-Akrobatik. Nein, es ist nicht der mit den am intensivsten ausgearbeiteten Charakteren. Und nein, es ist auch nicht der mit der meisten Pyrotechnik.
Aber es wird eine so spannungsgeladene Form der fast pausenlosen Action in spektakulärer Weise geboten, daß man nicht blinzeln möchte aus Angst etwas zu verpassen. Und das bezieht sich nicht simpel auf Sequenzen wie „bums, wieder ist ein Auto kaputt“, sondern es wird hier sehr viel mehr geboten.
Gleich zu Beginn wird ein Bergszenario vor dem staunenden Betrachter ausgebreitet, das in beeindruckender Weise enorme Menschenmassen zeigt, die fast sektenartig einen bösartigen Alten anbeten, der die Kontrolle über das selten gewordene Wasser hat. Er und seine teilweise degenerierten, teilweise brutalen Söhne beherrschen die Gegend, u.a. auch durch eine mythische Verbrämung des Opfertods im Kampf ihrer Krieger. Walhalla hat Einzug im Gedankengut dieser fast an Thulsa Doom aus „Conan I“ erinnernden Sekte gehalten. Die übrigen Zusammenhänge, besonders was die Behandlung von zwei verschiedenen Sorten Frauen angeht, soll der Zuschauer selbst erschließen.
Ich möchte mich nun anderen Details widmen. Schnörkellos beginnt das turbulente Geschehen, daß bereits nach einigen Minuten in einer rund 45-minütigen Verfolgungsjagd mündet, die alleine schon das berühmte Finale aus „Mad Max II“ wie eine Spazierfahrt mit Oma aussehen läßt. Bereits in der ersten halben Stunde werden mehr Endzeitrocker getötet als in allen drei alten Mad-Max-Filmen zusammengenommen. Was hier an Einfällen mit Kämpfen auf und in eigenartigen Fahrzeugen abgebrannt wird, degradiert die ersten 3 „Terminator“-Filme fast zu B-Pictures (was sie nicht sind).
Dramaturgisch hervorragend ist auch, daß nicht einfach ein simples Bild (wie bei „Mad Max II + III“) abgezogen wird nach dem Motto: Hier fliehen die Guten vor den Bösen, sondern die bösen Verfolger werden wieder von zwei völlig verschiedenen anderen Gruppen genauso böser Schurken angegriffen.
Auch Max (Tom Hardy) selbst passt nicht in ein einfaches Gut/Böse-Schema, denn er ist eher ein Anti-Held, der wirklich verrückte (mad) Dinge tut, wie z.B. die Gruppe von wunderschönen Mädels einfach zurückzulassen. Diese 6 Schönheiten (die jeden Next-Top-Model-Wettbewerb toppen würden) sind einer der großen Pluspunkte des Films. Auch wenn aufgrund des Tempos nicht jeder Charakter ausgearbeitet werden kann, so gelingt doch das Kunststück jede individuell wirken zu lassen – und das liegt nicht nur an den unterschiedlichen Haarfarben. Ihre Anführerin Furiosa (Charlize Theron) ist imgrunde eher ein Held als Mad Max, denn sie hat mehr Übersicht, leistet mehr und kann sogar besser schießen. Ungewöhnlich eine Szene, in der Max 3 Schuss verballert und dann Furiosa das Gewehr nimmt und trifft.
Überhaupt macht der Film seine Leute nicht zu Übertypen (á la „Bounty Killers“, „Mr. & Mrs. Smith“ oder die unzähligen Marvel-Comic-Helden), sondern zeigt einerseits Schurken, die so aufgeputscht und durchgeknallt sind, daß sie halsbrecherische Sachen fast in einer Art Wahn machen. Und andererseits sind die Guten einfach Menschen aus Fleisch und Blut, die verbissen und mit letzter Kraft ums nackte Überleben kämpfen. Da beißen dann auch mal die zarten Modell-Girls in einen Endzeitpunk oder wehrhafte Rentnerinnen erschießen kaltblütig Angreifer.
Bei all dem Spektakel ist es erstaunlich, wie sehr manche Stellen sogar zu Herzen gehen, denn man hängt an jedem der positiven Charaktere – und bei keinem ist sicher, ob er/sie überlebt. Mut hat schon immer in Filmen mehr zu Tränen gerührt als irgendwelche Krebserkrankungen in seichten Problemfilmen. Und diesen Mut, der anrührt, zeigen die Heldinnen und schrägen Helden.
Die Endzeitrocker oder Endzeitpunks sind ebenfalls sehr interessant gestaltet. Skurril und schräg, aber nicht so schräg, daß es albern wirken würde. Auch ein Vorteil gegenüber vielen anderen Werken (auch gegen „Waterworld“), daß „Mad Max – Fury Road“ in keiner Weise auf die Humorschiene fährt. Dies ist ernster Kampf bis auf’s Messer. Was dazu an Ideen wie Explosiv-Speeren oder Schwungstäben von Fahrzeug zu Fahrzeug auftrumpft, sucht seines Gleichen.
Unerreicht im Actiongenre dürfte auch die Atmosphäre sein, die gefahrvoll, fremdartig und faszinierend ist. Dazu tragen auch die extrem guten Bilder bei. Endlich mal ein Film, bei dem man sich nicht darüber beschweren muss, daß die Kämpfe zu hektisch geschnitten sind. Der Schnitt ist flott, bleibt aber immer übersichtlich. Und die Bilder sind hell. Endlich mal keine halbdunklen Fight-Sequenzen, sondern klares Wüstentageslicht. Sogar das 3D kommt diesmal gut raus. Ein Genuss. Weite und große Entfernungen wurden noch nie in einem Spielfilm so wirkungsvoll in 3D dargestellt.
Alles andere (Musik, Geräusche, Effekte, Kulissen, Stunts, Mimik) ist auch vom Feinsten. Wenn der Oscar gerecht vergeben würde, ginge er für 2015 an „Mad Max – Fury Road“ und zwar in allen Kategorien.
Es ist der erste Endzeitfilm und der erste futuristische Actionfilm, der 10 Oscar-Nominierungen hatte, darunter als erster SciFiActioneer die als "Bester Film", "Regie". "Kamera".
Er gewann 6 Oscars (Schnitt, Tonschnitt, Ton, Maske, Kostüme, Ausstattung).
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Mad Max 1 = Note 2+ mit 83 %
Mad Max 2 = Note 1- mit 90 %
Mad Max 3 = Note 4+ mit 44 %
Mad Max 4 = Note 1 mit 95 %
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Insgesamt hat er 233 Filmpreise gewonnen nach zuvor 453 Nominierungen - soviel hatte kein Action auch nur annährend.
Mit 370 Millionen allein Kino-Einspiel-Ergebnis, spielte er 130 % mehr ein als alle 3 Vorgänger zusammen genommen (1 = 100, 2 = 24, 3 = 36 Millionen, addiert = 160 Millionen).