Als Kelly Leonard (Sara Botsford), Mitarbeiterin des Gesundheitsministeriums, an den New Yorker Docks im Winter eine Riesenladung Getreide entdeckt, welches mit Steroiden angereichert und von Ungeziefer befallen ist, fällt sie eine folgenschwere Entscheidung: sie läßt die komplette Lieferung verbrennen. Wenig später häufen sich die Anzeichen, daß die Ratten, denen das Getreide als Futter diente, ihre Nahrung umgestellt haben. Ein Student wird von einem aggressiven Nager gebissen, ein älterer Mann bei einem nächtlichen Spaziergang attackiert, und ein Baby wird von den Biestern aus der Küche in den Keller verschleppt, wo die hungrige Meute im Anschluß auch noch über die verzweifelte Mutter des Kindes, die der Blutspur gefolgt war, herfällt. Kelly und ihr neuer Freund, der geschiedene Lehrer Paul Harris (Sam Groom), ziehen zwar die richtigen Schlüsse, unterschätzen aber das Ausmaß der Bedrohung gewaltig, nicht zuletzt, da die Ratten dackelgroße Ausmaße angenommen haben. Und außerdem denkt der Bürgermeister der Stadt nicht daran, sich die große Feier anläßlich der Erweiterung des U-Bahn-Netzes durch die lästigen Nager vermiesen zu lassen.
Action-Regisseur Robert Clouse (Enter the Dragon, The Ultimate Warrior, China O'Brien) inszenierte Anfang der Achtziger diesen netten, von der Golden Harvest Company co-produzierten Tierhorrorschocker, der auf dem 1974 erschienenen Debütroman The Rats (Die Ratten/Die Killer-Ratten) des britischen Erfolgsautors James Herbert (8.4.1943 – 20.3.2013) basiert und der in der damals grassierenden Slasherfilmwelle zu Unrecht abgesoffen ist. Leider übernahmen die Drehbuchautoren Lonon Smith und Charles Eglee nur das grobe Szenario des rasant-blutigen Schundwerks, sodaß man beim besten Willen nicht von einer werkgetreuen Buchverfilmung sprechen kann. Herberts Frühwerk ist ein so simpel strukturierter wie mörderisch unterhaltsamer Pulp-Schocker, wobei sich der Autor bei der Schilderung der Rattenangriffe kein Blatt vor den Mund nimmt und mit schonungsloser Drastik beeindruckt.
Deadly Eyes ist nicht gänzlich gelungen, verliert sich zu oft in altbekannten Klischees und ist über weite Strecken einfach zu konventionell gestrickt, aber Clouse - der mit The Pack (Die Meute) bereits über einschlägige Genreerfahrung verfügte - bringt den in Toronto gedrehten Streifen recht routiniert und gefällig über die Runden und schafft es sogar, selbst bei uninteressanten Füllszenen nicht allzu viel Langeweile aufkommen zu lassen. Große Überraschungen gibt es keine, da alles exakt nach den Mechanismen des klassischen Tierhorror- bzw. Katastrophenfilms funktioniert. Immerhin ist Deadly Eyes dramaturgisch geschickt strukturiert, die Spannung baut sich langsam wenn auch recht zurückhaltend auf, bis sie sich dann im Finale entlädt, und zwar an zwei Stellen gleichzeitig. Diesen recht spektakulären Set-Pieces ist es mit zu verdanken, daß der Film der Durchschnittlichkeit entfleucht und sehenswert ist.
Die Attacke auf ein gut besuchtes Kino, in welchem gerade Game of Death läuft und Bruce Lee gegen den fast einen halben Meter größeren Kareem Abdul-Jabbar kämpft, ist ebenso gelungen wie der Angriff auf eine Gruppe Menschen, die durch einen dunklen U-Bahn-Tunnel irrt. Ich kann mich noch gut daran erinnern, daß die Ratteninvasion im Kino, die in eine wilde Massenpanik gipfelt, bei mir für eine gewisse Nervosität gesorgt hat, als ich den Film seinerzeit im hiesigen Lichtspieltheater sah. Die diversen Attacken der gefräßigen Nager sind aber auch ordentlich inszeniert, begleitet von einer lauten Geräuschkulisse, wenn die kreischenden, knurrenden, fauchenden und bellenden Viecher über ihre Beute herfallen. Ja, richtig gelesen! Wenn man genau hinhört, kann man hin und wieder ein irritierendes Bellen ausmachen, was kein Wunder ist, schließlich wurden die dackelgroßen Ratten von als Ratten verkleideten Dackeln gespielt, und denen ist halt manchmal ein übermütiges Bellen herausgerutscht (die Hunde hatten es aber auch nicht leicht: es war kalt, und aufgrund des Kostüms konnten sie kaum etwas sehen). Trotzdem kommen die Kreaturen ziemlich bedrohlich rüber, da die Kamera nicht zu lange auf ihnen verweilt, die Angriffe meist im Dunkeln stattfinden, und für die notwendigen Nahaufnahmen zähnefletschende Puppen verwendet wurden.
So knuffig die Viecher auch sind, der heimliche Star des Filmes ist zweifellos die charismatische Kanadierin Lisa Langlois, die als rattenscharfe Studentin Trudy White alle Register zieht, um ihren Lehrer ins Bett zu kriegen. Die 1959 geborene Blondine sollte Fans von Horror- und Exploitationfilmen keine Unbekannte sein, hinterließ sie doch als geheimnisumwittertes Mordopfer Muriel Stark in Claude Chabrols Les Liens de Sang (Blutsverwandte) ebenso viel Eindruck wie als gewaltgeiles Punkluder Patsy in Mark L. Lesters Class of 1984 (Die Klasse von 1984). Des Weiteren erfreute sie die Zuschauer auch in John Hustons Phobia (Labyrinth der Angst), in J. Lee Thompsons Happy Birthday to Me (Ab in die Ewigkeit) und in Terence H. Winkless' The Nest (Das Nest - Brutstätte des Grauens) mit ihrer Anwesenheit. (Ein ausführliches und äußerst empfehlenswertes Interview mit der Dame über ihre Genrefilme ist bei Terror Trap zu finden: The Beauty and the Beasts - An interview with actress Lisa Langlois; dort erfährt man unter anderem, daß ihre blutige Todesszene in Happy Birthday to Me (sie bekommt eine Axt in den Schädel geschlagen) zur Gänze der Schere zum Opfer gefallen ist und daß sie beinahe als Sarah Connor gegen den Terminator angetreten wäre!)
In einer eher undankbaren aber nichtsdestotrotz coolen Nebenrolle brilliert Scatman Crothers (The Shining), und als Trudys Freundin Martha ist Lesleh Donaldson (Cries in the Night, Happy Birthday to Me) zu sehen. Zugegeben, ein großer Wurf ist Deadly Eyes bestimmt nicht, dafür ist er trotz der effektiven Schlußszene (die zur Abwechslung mal nicht hinten rangetackert wurde, sondern die sich schön aus dem Film heraus ergibt) zu brav, zu gewöhnlich und zu wenig packend. Für Genrefans ist dieser Tierhorrorstreifen jedoch definitiv einen Blick wert, obwohl dem Film etwas mehr Biß, Spannung und Intensität nicht geschadet hätte. James Herbert, der von der Verfilmung seines Romans ziemlich enttäuscht war (*), hat mit Lair (Die Brut, 1979), Domain (1984) und The City (Stadt der Ratten, 1993, eine Graphic Novel in Zusammenarbeit mit Ian Miller) die Ratten-Thematik noch einige Male aufgegriffen bzw. weitergesponnen. Eine weitere Adaption fürs Kino kam leider nicht mehr zustande.
(*) Auf der Website "http://www.jamesherbert.com/films-james-herbert.html" wird der Brite wie folgt zitiert: "Not only did I have no input into the film's production, but I had nothing to do with the selling of it either. They dummied up Toronto to look like New York, and they dummied up Muppets and Dachshund dogs to look like rats. They looked pretty good from a distance – until they started begging and barking!"