Beginnen wir auf Anhieb mal mit einer verortenden Aussage: „Turbo Kid“ ist einer der unterhaltsamsten Filme des Jahres 2015! Die Idee hinter dieser kanadisch-neuseeländischen Low-Budget-Produktion geht auf einen rund fünf-minütigen „Short“ namens „T is for Turbo“ (2011) zurück, welchen das „kreative Kollektiv“ Anouk Whissell, François Simard und Yoann-Karl Whissell ursprünglich als Beitrag eines Wettbewerbs um einen entsprechenden „Slot“ in der 2012er „the ABC´s of Death“-Anthology in Szene setzte. Obgleich eben jener Platz am Ende Lee Hardcastle´s „T is for Toilet“ zugesprochen wurde, erfreute sich das Werk dennoch großer Beliebtheit – und so bot sich Produzent Ant Timpson kurzerhand an, dem sich übrigens auch „RKSS“ („Roadkill Superstar“) nennenden Trio dabei behilflich zu sein, die schräge Materie auf „abendfüllende Länge“ auszubauen. Herausgekommen ist dabei ein abgedreht-herrlicher Festival-Liebling und künftiger Kult-Streifen: Eine mit unverkennbarem Enthusiasmus erschaffene, überaus vergnügliche, u.a. zahlreiche Elemente trashy-billiger „Mad Max“-Nachahmer der Achtziger mit Eigenheiten verschiedener jener Ära entsprungener Sci-Fi- und Fantasy-orientierter „Young Adult“-Abenteuer (á la „Solarbabies“) verknüpfende Angelegenheit, welche obendrein um eine markante Dosis „BMX Bandits“ (jip, der mit Nicole Kidman) ergänzt wurde…
Infolge eines fatalen Krieges, saurem Niederschlag und dem Zusammenbruch jeglicher Ordnung liegt die Erde 1997 „in Schutt und Asche“: Trinkbares Wasser ist zur wertvollsten Ressource geworden, moderne Technologien (Fahrzeuge, Computer etc.) funktionieren nicht mehr – weshalb man sich entweder zu Fuß oder auf Fahrrädern fortbewegt. Nicht viele Menschen verweilen in dieser gesetzlos-postapokalyptischen Zukunft noch unter den Lebenden: Einer davon ist der seit der Ermordung seiner Eltern in einem Bunker hausende Teenager „the Kid“ (Munro Chambers), welcher möglichst für sich allein zu bleiben versucht und begeisterter „Turbo Rider“-Comic-Fan ist. Eines Tages trifft er auf die quirlige, stets fröhliche und optimistische, zugleich aber irgendwie recht eigenwillige und aufdringliche Apple (Laurence Leboeuf), mit der er sich zunehmend fester anfreundet – und somit auch das hohe Risiko auf sich zu nehmen bereit ist, sie zu befreien, nachdem sie in die Fänge des die Region mit barbarischer Härte kontrollierenden Tyrannen Zeus (Michael Ironside) gerät. Als er entlang seines Weges zu dessen „Hauptquartier“ in einem abgestürzten Shuttle per Zufall eine „Kampf-Uniform“ entdeckt, welche der „Turbo Riders“ stark ähnelt sowie eine mächtige Waffe am Handgelenk aufweist, fühlt er sich der Aufgabe gewappnet – allerdings ahnt er zu diesem Zeitpunkt noch nicht, auf was sein Eingreifen letztendlich alles noch so hinauslaufen wird…
„Turbo Kid“ ist eine tolle „cineastische Verbeugung“ vor bestimmten Veröffentlichungen der „Eighties“ – was sich vorrangig darauf zurückführen lässt, dass es seinen Schöpfern geglückt ist, eine nahezu ideale „Balance“ aus respektvoller Hommage und übersteigerter Parodie zu kreieren bzw. zu halten. Ohne ihr in das Skript und die Umsetzung geflossene „Herzblut“ hätte das Ergebnis leicht zu einer banalen Aneinanderreihung von Gags und Anspielungen sowie zur Schau gestellten Gewalttätigkeiten und „Requisiten“ jener Dekade verkommen können – doch anstatt bloß zu imitieren und unbedingt Teil des betreffenden „Retro-Trends“ werden zu wollen, bewies „RKSS“ hier ein höchst ersprießliches Maß an Inspiration und Talent. Untermalt seitens des „einstimmenden“ (dem '86er BMX-Drama „Rad“ entnommenen) Songs „Thunder in your Heart“ begleiten wir „the Kid“ in den ersten Minuten bei einem seiner Trips ins weitestgehend zerstörte sowie flächenweise auch verseuchte Umland, im Rahmen derer er regelmäßig nach allem sucht, was sich irgendwie noch als Werkzeug, Tauschware, zur Verteidigung oder „sonstigen Verwendung“ verwerten lässt. Außerdem hat er ein paar Fallen in der Nähe seines unterirdischen, zweckdienlich sowie getreu seiner Vorlieben (u.a. mit Poster an den Wänden) eingerichteten „Zuhauses“ aufgestellt, um so eventuell mal eine umherstreunende „mutierte Ratte“ (oder etwas in der Art) einfangen zu können...
An den spärlich gesäten Orten, an denen sich Leute zum Handeln oder zwecks „anderweitigem Vergnügen“ zusammenfinden, markiert unkontaminiertes H2O das höchste Gut. An einem dieser begegnet er mitunter dem Cowboy-esken, seinen Vorstellungen eines „realen Helden“ am nächsten kommenden Raubein „Frederic the Armwrestler“ (Aaron Jeffery), welcher im späteren Verlauf tatsächlich ein Stück weit zu seinem Mentor avanciert. Eine Geschichte wie diese benötigt natürlich ebenfalls einen hochgradig fies agierenden, Schrecken verbreitenden Widersacher: Im Vorliegenden wäre das der einäugige Zeus, der eine Horde Schergen befehligt, des Öfteren in einem leeren Pool brutale „Gladiatorenkämpfe“ veranstaltet sowie eine Methode zum Angehen des „Wasser-Problems“ mit Hilfe der vielen Opfer seines Wütens entwickelt hat – „Soylent Green“ lässt grüßen. Als Apple und Frederic von ihm verschleppt werden, vereint „the Kid“ all seinen Mut, um sie zu retten – vor allem da es ersterer mit ihrem Charme und positiven Gemüt gelungen war, die in seinem Leben seit dem (in mehreren über den Film verteilten Flashbacks schrittweise aufgezeigten) Tod seiner Eltern vorherrschende Tristesse und Einsamkeit zu vertreiben. Primär dank einer unverhofft gefundenen „Photonen-Impuls-Waffe“ mündet die Aktion in einem Erfolg – der sich wiederum jedoch prompt als ein folgenreicher „Eskalationspunkt“ der Geschehnisse entpuppt...
In der Titel-Rolle überzeugt der hauptsächlich aus den kanadischen Fernsehserien „the Latest Buzz“ und „Degrassi: the Next Generation“ bekannte Munro Chambers: „the Kid“ ist weder ein sonderlich cooler, selbstsicherer noch „zu nerdy“ angelegter (wohl aber sympathischer) Jugendlicher, der zwar für sich selbst zu sorgen weiß, allerdings nur über wenig Erfahrung im Umgang mit anderen Menschen verfügt und innerhalb der sich entfaltenden Umstände sozusagen „über sich hinauswachsen“ muss – was ihn quasi zu einem klassischen „Coming-of-Age-Abenteuer-Protagonisten“ macht. Während Michael Ironside („Total Recall“) ein neuerliches Mal einen sadistisch-dominanten „Baddie“ zum besten gibt, hat es Edwin Wright („Underworld: Rise of the Lycans“) indes geschafft, Zeus' „Ober-Killer“ Skeletron trotz Aphonie sowie unentwegt getragener Maske eine „neurotisch-individuelle Persönlichkeit“ zu verleihen, treten Romano Orzaro („Immortals“) als fleißiger Händler und Aaron Jeffrey („X-Men Origins: Wolverine“) als sich gelegentlich durchaus überschätzender „Tough Guy“ und „Armdrück-Champion“ Frederic in Erscheinung und sind überdies die drei „Roadkill Superstars“ in kleineren Nebenparts mit von der Partie. Es ist offensichtlich, dass alle eine Menge Spaß an ihrer Mitwirkung hatten und sich vollkommen über die anvisierte Ausrichtung Schrägstrich Prägung des Projekts im Klaren waren...
Kommen wir nun aber zu meiner unangefochtenen Lieblingsfigur – nämlich zu der von Laurence Leboeuf (TV´s „19-2“) entwaffnend umwerfend gespielten Apple: Im Grunde ein aufgedreht-dauerheiteres „Manic Pixie Dream Girl“ – komplett mit „funkelnd-großen Augen“, farbenfrohen Haaren, eben solchen Outfits und einem speziellen „Geheimnis“ – verzaubert sie einen mit Eigenschaften wie ihren Frohmut und ihre Ambition, eine „optimale Freundin“ zu sein (ihrem vorherigeren „Partner“ war sie beispielsweise weit über dessen Tod hinaus treu). Vielleicht mögen sie manche zu Beginn (mehr oder minder intensiv) als irritierend, anstrengend und/oder nervig empfinden – doch sollte sich das eigentlich relativ zügig ändern (und falls nicht, liegt das „Problem“ eindeutig beim betreffenden Zuschauer). Dazu noch eine perfekte „Chemie“ zwischen Leboeuf und Chambers sowie die beseelt verfasste aufblühende Beziehung: Et voilà – der „emotionale Kern“ des Ganzen! Obendrein bereiten einem die seitens etlicher „cheesy“ klingender One-Liner und Dialoge gekennzeichneten Interaktionen zwischen den verschiedenen Agierenden wahre Laune – und so ist man leichter dazu gewillt, wohlwollend über den an sich unbestreitbar „mageren Inhalt“ (in Sachen Charaktertiefe und Plot) hinwegzusehen, zumal die ansonsten in nahezu allen Bereichen des Werks an den Tag gelegte Kreativität vieles in der Hinsicht schlichtweg „überstrahlt“...
In einer ungemütlich-kühlen Frühlingsphase realisiert, tragen die gewählten sowie von Cinematographer Jean-Philippe Bernier („Le Pédophile“) entsprechend bebilderten Locations (in erster Linie ein ehemaliges Abbaugelände nahe Montreal) dienlich zur gräulich-düsteren, allerdings mit einem beschwingt-dynamischen „Retro-Score“ unterlegten „Endzeit-Atmosphäre“ bei – was gleichermaßen auf den „akzentuierten“ (und somit eher Amüsement generierenden) Anblick diverser gepfählter Köpfe, giftiger Wolkenschwaden, herumliegender menschlicher Überreste sowie den eines toxisch-grünlichen Sees zutrifft. Im Einklang damit kommt die präsentierte Gewalt dermaßen extrem und „over the Top“ daher – mit allerlei üblen Wunden, abgerissenen Extremitäten, platzenden Körpern und nach außen gekehrten Innereien – dass einem da unweigerlich Streifen wie Peter Jackson´s „Braindead“ oder Jason Eisner´s „Hobo with a Shotgun“ in Erinnerung geraten (letzterer war hier übrigens als Produzent tätig und ist zudem auch flüchtig als „the Cook“ zu erspähen). Das Blut fließt jedenfalls in Strömen und löst sogar einen wunderbar romantischen Moment aus, die meisten Effekte wurden auf „althergebrachte Weise“ kreiert – sprich: „Practical F/X, Prosthetic Work & Bucketloads of Gore“ – worüber hinaus man sich bei der Verwendung von CGIs so weit wie möglich zurückgehalten hat, was natürlich erfreulich zu registrieren ist...
Fazit: Schon seit rund 10 Jahren verwirklichen Anouk Whissell, François Simard und Yoann-Karl Whissell gemeinsam „Shorts“ und „Fake Trailer“ á la „Demonitron: the 6th Dimension“, „Total Fury“ oder „Le Bagman, Profession: Meurtrier“ – und mit „Turbo Kid“ haben sie nun eine grandiose 90-minütige, an bestimmte B-Movies der '80er angelehnte Kombination aus einer liebevollen Hommage und einer ungehemmt überzogenen Parodie erschaffen, die einen u.a. dank prima aufgelegter Darsteller und einem inspirierten Ideenreichtum hervorragend zu unterhalten vermag: Ein kultiges, köstlich-wüstes Filmvergnügen!
starke „8 von 10“