Es sind Anstrengungen zu spüren, eine Art Meta-Kommentar zum Genre des Gentleman-Agentenfilms zu liefern, doch das schützt in diesem Fall nicht davor, einfach nur selbst einer zu sein. Oder führen sämtliche Falltüren, seien sie noch so unerwartet platziert, letztendlich nicht doch einfach zur obligatorischen Nachfolger-Ausbildungs-Chose, die man aus so vielen Filmen kennt?
Dabei probiert Matthew Vaughn im Rahmen des bunten Action-Blockbusterformats so ziemlich alles aus, um Tabus zu brechen. James Bond wird offen analysiert anstatt ihn verstohlen in einer Anspielung zu verstecken, der britische Adel wird durch den Kontakt mit dem britischen Proletariat seiner Reinheit beraubt und vermeintlich smarte, kluge, gewitzte und unbesiegbar erscheinende Figuren finden den unerwarteten Tod. Überhaupt ist es ganz besonders die Gewalt, die als Mittel zur Abgrenzung typischer Familienunterhaltung verwendet wird. Eine furios gefilmte Jeder-gegen-Jeden-Metzelei in einer Kirche bricht trotz Comichaftigkeit Erwartungen und Tabus mit einer Handbewegung. Die Spezialeffekte und Kameraperspektiven sind schon im Vorspann eher künstlich und unnatürlich, bieten im Umkehrschluss aber völlig neue Perspektiven auf dynamische Abläufe, die einem Mainstreampublikum prinzipiell munden würden, wären es nicht gerade in Flammen stehende Köpfe, halbierte Körper und aufgespießte Hälse, die auf diese Weise inszeniert würden.
Gerade weil eben vieles so bunt und niedlich wirkt – Sam Jackson als lispelnder Bösewicht, seine Helfer als anonyme Schergen in weißen Polarjacken, Big Macs unter einer Servierhaube – bricht Vaughn mit gewissen Erwartungen, indem er solche Härten einbringt. Das macht seinen Film nun nicht zwangsläufig zum subversiven Spiel, stellt aber immerhin einen hohen Unterhaltungswert in Aussicht, insofern die heimliche Hoffnung vieler Zuschauer erfüllt wird, die eigentlich auf "normale" Unterhaltung hoffen, sich insgeheim aber vielleicht doch ein wenig Aufregung und politisch Unkorrektes wünschen. Der getragenen Routine des "Couch-Potato-Entertainment" entgehen, ohne deswegen auf Außenseiter- und Arthauskino zurückgreifen zu müssen – das immerhin liefert "Kingsman", der somit in Ruhe sein Standardprogramm vom traumatisierten Unterschichtenkind, das zum Superagenten mit Manieren ausgebildet wird, abspulen kann.
Ausnahmsweise gehört dann auch mal die Motivation der Weltenunterjocher zu den interessanten Aspekten, vergleicht man sie mit hohlen Weltherrschaftsphrasen gängiger Superheldenware. Obgleich natürlich vom Gedanken hoffnungslos überzogen, birgt die Motivation für die Dezimierung der Weltbevölkerung viele interessante Denkanstöße, bei der die inzwischen verbreitete Umsonst-Kultur ganz besonders auf dem Prüfstand steht.
Ja, "Kingsman" ist zweifellos der kleine Bruder von "Kick-Ass": Fast Food zeigen und harte Rohkost untermischen lautet hier die Devise. Visuell ist das aufregend, inhaltlich nicht halb so innovativ wie es zunächst den Anschein macht, aber definitiv ist es keine Massenware.