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„Kicking Bond´s Ass?"

Ein Superverbrecher mit globalen Allmachtsphantasien. Ein schillernder Handlanger fürs Grobe. Ein Geheimagent im teuren Zwirn und ausgestattet mit allerlei Gadgets für den Feindeinsatz. Ein Schelm, wer da nicht sofort an den berühmtesten Angestellten ihrer Majestät, der Königin von England, und seine unmöglichen Missionen denkt.
Dass der irre Schurke allerdings stark lispelt, das Sortiment von McDonalds für Haute Cuisine hält und bevorzugt in schrillen Hip Hop-Klamotten umherläuft, bringt einen dann doch wieder etwas in Grübeln. Zumal sein Henchman eine offenbar beinamputierte Schönheit ist, die ihre rasiermesserscharfen Prothesen je nach Bedarf entweder als Samuraischwerter, oder für trampolinartige Sprünge einsetzt. Schließlich ist weder die etwas klobige Hornbrille, noch die Regenschirm-Geheimwaffe, noch das recht jugendliche Alter unseres Helden so richtig Bond-like. Aber genau darin besteht bei „Kingsman" der große Spaß.

Matthew Vaughn, im schnöden Privatleben Gatte von Ex-Supermodel Claudia Schiffer, hat schon mit den beiden Comic-Verfilmungen „X-Men: First Class" und v.a. „Kick-Ass" bewiesen, dass er es glänzend versteht, eine ordentliche Brise Frechheit, Frische und Extravaganz in relativ starre und fest gefahrene Genre-Gebilde zu pusten und diese gehörig durchzuschütteln. Nachdem er so dem formelhaften Superheldenkino eine launige Frischzellenkur verpasst hatte, bekommt diesmal der Agentenfilm und dabei zuvorderst der unangefochtene Platzhirsch mit der Doppelnull die Vaughnsche Vorzugsbehandlung aus Unverkrampftheit  und lässiger Regelauslegung. Zwar liegt auch hier wieder eine Comicvorlage zugrunde, aber außer ein paar Namen, Figuren und Erzählsträngen ist „Kingsman" weit mehr ein typischer Vaughn-Film als eine werkgetreue Adaption.

Sofort erkennbar ist dies am unverwechselbaren visuellen Stil. Vaughns Filme sehen immer aus wie lebendig gewordenen Pop-Art-Gemälde aus dem Hause Lichtenstein oder Warhol. Satte, kräftige Farben, eine gleichermaßen funktionelle und lässige Eleganz sowie ein ausgeprägtes Faible für große Gesten mit Stil. Zu bewundern bei sämtlichen Interieurs, Außenaufnahmen und v.a. der modischen Ausstaffierung. Der sich hier aufdrängende Style-over-Substance-Vorwurf ist aber keineswegs gerechtfertigt, denn die Optik ist ein wesentlicher Teil der Narration und gibt den nonchalanten Ton des Films vor.

Vaughn setzt aber nicht nur visuelle Duftmarken, sondern unterläuft auch mit Vorliebe genüsslich die Erwartungen des vermeintlich anvisierten Mainstream-Publikums. Vor allem was den Umgang mit Gewalt - sei es verbal oder physisch -  angeht, verpasst er der für Überraschungen der derberen Art für gewöhnlich wenig empfänglichen PG-13-Gemeinde immer wieder ein paar unvermittelte Kinnhaken und Tiefschläge, die seine Filme ein ums andere Mal aus dem träge dahinfließenden Massenstrom ausbüchsen lassen. So schreckt er weder vor beißendem Zynismus oder Sarkasmus, noch vor blutiger Drastik oder Explizität zurück, ohne sich allerdings darin zu suhlen.

Ein ausgesprochenes Händchen hat er auch für Schauspielführung und Besetzung. Wer wäre schon auf die Idee gekommen, den immer etwas verklemmt und Komplex beladen agierenden Colin Firth als gewitzten und schlagkräftigen Superagenten Harry Hart (Deckname: Galahad) zu inszenieren. Und Firth dankt es ihm mit einer grandiosen Vorstellung. Befreit vom Ballast des grüblerischen Einzelgängers, des linkischen Liebhabers, oder des in konventiellen Zwängen gefangenen Spießers, liefert Firth einen ebenso energetischen wie lustvollen Auftritt wobei er ganz nebenbei auch noch sein Image als graue Gentleman-Maus aufs Korn nimmt.

Flankiert wird er dabei von dem ähnlich groß aufspielenden Jungstar Taron Egerton, der als sein ungehobeltes Protegé Eggsy Unwin für den Agentennachwuchs sorgen soll. Denn der unabhängige, international  agierende Geheimdienst der „Kingsmen" braucht dringend neues Personal. Um aber auch in den illustren Kreis der fertigen Agenten aufgenommen zu werden, bedarf es einer mehrmonatigen, physisch brutalen aber auch intellektuell anspruchsvollen Aufnahmeprüfung, bei dem die Bewerbung auf körperliche Fitness, Belastbarkeit, Charakterstärke und Flexibilität geprüft werden. Die Zeit drängt allerdings etwas, denn der amerikanische It-Fürst Valentine (Samuel L. Jackson) will die Computer-verrückte Welt mit einer Neuheit beglücken, die für die breite Masse ihre jeweils letzte sein dürfte ...

Trotz aller comichaften Überzeichnung und teilweise absurder Witzeinlagen ist „Kingsman" nicht nur, aber auch ein spannender Agententhriller, bei dem man mit den eleganten und hoch gerüsteten Helden mitfiebert. Vaughn legt ein höllisches Tempo vor und balanciert geschickt zwischen Action, Wortwitz, Filmzitaten und diversen Plot-Twists. Neben Firth, Egerton und Jackson, hinterlassen v.a. der Agentenerprobte („Harry Palmer"-Serie) Michael Caine als Geheimdienstchef und „M"-Pendant Arthur sowie der wie immer großartige Mark Strong als Waffenmeister, Ausbilder und „Q"-Pendant Merlin einen bleibenden Eindruck. Und wer endlich mal wieder Luke Skywalker auf der großen Leinwand sehen will, der sollte „Kingsman" keinesfalls verpassen.

007 ist zwar nicht gerade als Teamplayer bekannt, für die modernen Ritter der Tafelrunde könnte er aber dennoch mal eine Ausnahme machen. Konkurrenz muss er ohnehin keine fürchten, zumal bei aller Überdrehtheit durchgängig die respektvolle und wohlwollende Hommage durchschimmert.
Matthew Vaughn wäre spätestens nach der sehr auf Ernsthaftigkeit pochenden Craig-Ära jedenfalls mehr als nur ein Geheimtipp für den wohl begehrtesten Regiestuhl des britischen Kinos. Der Mann bringt nicht nur Stil, Klasse und den nötigen Respekt mit, sondern auch eine erfrischende Offenheit für wohl dosierte Grenzüberschreitungen, die auch dem ikonengleichen Agentenurgestein ganz gut zu Gesicht stehen würde.

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