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1964 brachte Stanley Kubrick den ersten von drei Sience Fiction – Filmen in die Kinos die Filmgeschichte schrieben und heute zu den bedeutendsten Vertretern ihres Genres zählen. Die anderen beiden sind natürlich „2001 – Odyssee im Weltraum“ / „2001 – A Space Odyssey“ (1968) und „Uhrwerk Orange“ / „A Clockwork Orange“ (1971), wobei besonders beeindruckend ist, dass alle drei Filme von völlig unterschiedlicher Art sind.

„Dr. Seltsam oder wie ich lernte die Bombe zu lieben“ ist eine herrliche Satire auf den Kalten Krieg. Die Handlung des Films teilt sich in drei Handlungsstränge. 1. Den Luftwaffenstützpunkt, von dem aus der geisteskranke General Ripper aus den Angriff der B 52 Bomber – Staffel auf die Sowjetunion befiehlt (im weiteren Verlauf wird der Stützpunkt von Sturmtruppen angegriffen und der britische Austauschoffizier Mendrake versucht verzweifelt Ripper zum Rückruf zu bewegen). 2. Die Mannschaft eines der B 52 Bomber unter dem Kommando von Major „King“ Kong, die ohne große Überlegungen ihren Befehl ausführen und dabei eine relativ lockere Stimmung bewahren. 3. Die Befehlszentrale des Pentagon, von wo aus der Präsident Muffley die Situation zu retten versucht, wobei ihm weder der reaktionäre General Turgidson noch der skurrile Waffenforschungsleiter (und Ex – Nazi) Dr. Seltsam großartig behilflich sind.

Der Grundton der hierzulande eher unbekannten literarischen Vorlage „Red Alert“ ist wohl eher düster und nüchtern gehalten, was ursprünglich auch Kubricks Absicht bei der Verfilmung war. Doch entschloss er sich schließlich, dass ganze Thema mit grimmigen Humor zu präsentieren, was sich als äußerst wirkungsvolle Herangehens-Weise erwies.

Auf direkte historische Bezüge wird die ganze Zeit über verzichtet. Dafür wird kräftig ausgeteilt und zwar auf beiden Seiten.
Die arg reaktionäre Grundhaltung der beiden Generäle Ripper und Turgidson (wobei besonders bezeichnend ist, dass ein so geistig verwirrter Mann wie Ripper zu so einer wichtigen Position kommen konnte) sowie der blinde Gehorsam der Bomberpiloten sind hier in erster Linie verantwortlich für die Eskalation des Konfliktes.
Doch auch die Sowjets erweisen sich als keinen Deut vernünftiger, haben sie doch einen wahrhaftigen Lebemann als Staatschef, der so betrunken ist, dass der US – Präsident während der Krise mit ihm wie mit einem verbitterten Kind sprechen muss. Gleichzeitig haben sie im Falle eines Angriffs auf ihr Land die ganze Menschheit mit dem Bau der Weltvernichtungsmaschine den Untergang geweiht.
Jede Gruppe bekommt ihr Fett weg. Die Politiker sind unfähige Schwätzer, die hohen Militärköpfe militante, reaktionäre Kriegstreiber, die Soldaten blind gehorchende, menschliche Maschinen mit Cowboy – Mentalität (nicht umsonst trägt Major Kong während des gesamten Angriffsfluges seinen Stetson). Die Russen sind ebenso verschlagen wie korrupt (verschlagen, da der Botschafter mehrfach versucht den taktischen Plan zu fotografieren und korrupt, da der Staatschef seine Position genüsslich auszukosten scheint und während der Krise mit Party und Mädchen beschäftigt ist). Diesem Treiben sieht mit stoischer Gelassenheit der zwielichtige Dr. Seltsam zu, der mit seinen kybernetischen Körperteilen offenbar einige Probleme hat. Dieses ist auch die beste weil skurrilste (und somit natürlich auch einprägsamste) Rolle in die Peter Sellers hier schlüpft. Denn dieser ist hier wie so oft in mehrfacher Ausführung zu bewundern (als Offizier Mendrake, Präsident Muffley und Dr. Seltsam).
Neben Sellers brilliert hier vor allem noch George C. Scott, der genüsslich sämtliche Eigenschaften eines reaktionären amerikanischen Militaristen durch den Kakao zieht.

Natürlich wäre Kubrick nicht Kubrick wenn er das ganze mit einem Happy End abschließen würde. Trotz aller Bemühungen geht eine Bombe hoch und natürlich die von Major Kong. Dieser sitzt, in einem der einprägsamsten und schwarz humorigsten Bilder der Filmgeschichte, jubelnd auf der herabstürzenden Atombombe.

Die Pointe in der Dr. Seltsam im sicheren Pentagon Überlebenspläne für die Menschheit schmiedet, wobei die Mächtigen offenbar kein Stück von ihren (vielleicht lieb gewonnenen) Feindseligkeiten abweichen wollen und gleichzeitig einige der dafür notwendigen Bedingungen durchaus begrüßen (Ende der Monogamie) ist zugleich auf bitterböse Art humorvoll aber auch, bei genauerem Nachdenken, traurig vorstellbar.

Eine der besten filmischen Satiren aller Zeiten, dank der relativ kurzen Laufzeit von knapp eineinhalb Stunden auch niemals langweilig. Unter den Filmen Stanley Kubricks im Übrigen mein persönlicher Favorit.

10 / 10

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