"50 Shades of Grey" gehört mit Sicherheit zu den umstrittensten Filmen der letzten Jahre, der gleichzeitig passenderweise auf einem der umstrittensten Bücher der letzten Jahre basiert und der zu einem nicht unbedeutenden Teil von dessen Autorin beaufsichtigt wurde.
Inwiefern man dies in die eigene Interpretation bezüglich der Qualität des Films mit einfließen kann, das soll jeder für sich selber entscheiden, trotzdem konnte man sich im letzten Jahr so gut wie gar nicht vor Diskussionen zu „50 Shades of Grey“ drücken, denn seit Twilight und co. hat kaum ein Film dieser Gattung die Gemüter dermaßen spalten können. Die ewige Frage „Kunst oder Kitsch?“ kann man hier problemlos anwenden.
Doch bevor wir sie einwandfrei beantworten können, sollten wir zuerst die Formalitäten abhaken. Worum geht es bei „50 Shades of Grey“? Auf den ersten Blick eigentlich um nichts besonderes. Tatsächlich ist die Handlung des Films oberflächlich betrachtet äußerst klischeebehaftet. Wir haben mit Anastasia Steele, kurz Ana, eine junge unschuldig wirkende Frau, leicht schüchtern und unerfahren, die für ihre beste Freundin ein Interview durchführen muss und zwar mit Christian Grey, einem aalglatten, auf Anhieb unsympathischen Millionär mit einem Arsch voller Kohle, der irgendwas mit Telekommunikation oder Unternehmensberatung oder was weiß ich macht. Derartige Details sind für das Verständnis des Films weder notwendig noch sonderlich interessant erzählt und dargeboten.
Wichtig ist nur eins: Ana und Chris kommen sich nach und nach näher und es offenbart sich, das Chris sich zu Sexualpraktiken hingezogen fühlt, die man als Unterform der SM-Kultur beschreiben kann. Während Ana sich eine gewöhnliche sentimentale und romantische Liebesbeziehung wünscht, sehnt sich Chris nach Anas sexueller Unterwerfung ihm gegenüber. Zu ihrer Information zeigt Chris ihr dann auch sein Spielzimmer, in dem alles steht, was das Sadomaso-Herz wünscht. Peitschen, Handschellen und andere Spielzeuge, welche eher an Folterwerkzeuge erinnern als an das, was man in einem Film erwarten sollte, der sich als „Erotikdrama“ bezeichnet.
Diese angebliche Besonderheit der pseudo-erotischen Stilisierung von abwegigen und fetischistischen Sexualpratiken im Mainstream-Kino ist nach herrschender Meinung vieler das einzige große Aushängeschild des Films, denn abseits dessen haben sowohl der Film als auch das Buch wenig zu bieten. Die Charaktere bleiben erschreckend blass, der Film hat Längen, die man getrost hätte streichen können und auch sonst kann „50 Shades of Grey“ als Buch nur durch seine Vulgärsprache und die detaillierte Beschreibung des Fickens hervorstechen. Als Film hingegeben fällt ein Großteil der Vulgärsprache sowie der Sexualität weg, abgesehen von der Tatsache, das Chris meint, er würde nicht mit einer Frau schlafen, sondern sie ficken und zwar hart, und einigen visuell recht gut geschossenen, aber doch recht seltenen und sehr soften Sex-Szenen. Fast schon unverständlich, wieso der Film deshalb eine FSK 16 erhalten hat. Wohl wegen der Thematik.
Wobei man sich diesbezüglich auch fragen könnte, welche Thematik genau vorliegt? Eigentlich kann man den Film auch in zwei Sätzen zusammenfassen. „Chris, ich will dich lieben.“ „Aber Ana, ich will dich auspeitschen“ So entsteht ein Konflikt, in dem Chris Ana von sich überzeugen will, u.a. durch allerlei teure Bonzendinge wie Helikopterfliegen, ein eigenes großzügiges Zimmer und sogar eine rechtliche gefasste Vertragsgestaltung ihrer Beziehung (Was könnte romantischer sein?). Den Rest des Films kann man getrost ignorieren, denn abseits des sehr guten Soundtracks, der tiefgängiger ist, als die Bilder, die er zu unterstreichen versucht, und der teuren Deko ist „50 Shades of Grey“ objektiv gesehen einfach kein guter Film. Die Frage ist natürlich, was man erwarten will, wenn man es mit der Verfilmung eines ganz einfach schlecht geschriebenen und literarisch anspruchslosen bis wertlosen Buches zutun hat?
Viel schlimmer als die Tatsache, dass der Film nicht gut ist, ist der Blick auf die Sehgewohnheiten der Gesellschaft bezüglich gängiger Erwartungen an romantische oder liebesbezogene Filme. 50 Shades of Grey versucht sie sowohl als Buch als auch als Film über Bord werfen. Leidenschaft, Zuneigung, Zärtlichkeit, sie sollen abgeschafft werden durch Exploitation, Unanständigkeit als neue Form der Sexualität und den Reiz des Fremden. Sätze wie „Sie ist das Beste was mir je passiert ist, weil sie mir gut tut“ werden ersetzt durch „Ich habe die perversesten Sachen mit ihr angestellt und ihr heißen Kerzenwachs auf ihre Fotze gegossen“. Die Ablehnung aller moralischen Tugenden und der ethische Verfall scheinen geil geworden zu sein im Erotikkino der Zukunft. (Ich weiß, dass das jetzt arg spießig und bieder klingen mag, vor allem für mich, der in der Hinsicht vergleichsweise offen und aufgeklärt erzogen wurde, aber diese Gedanken kommen einem beim Schauen tatsächlich von selbst.)
Das Verwischen der Grenzen zwischen Romantik und Pornographie, zwischen lieben und ficken, galt bis heute als Tabu, doch es verschwindet zunehmend. Auch in den bisher bürgerlichsten Haushalten. Und genau das ist das Problem, was ich mit 50 Shades of Grey habe. Es ist nicht bloß verwerflich und schlichtweg Müll, sondern auch manipulativ. Wer weiß, ob in naher Zukunft Zuneigung, Treue und Zusammenhalt noch die wichtigsten Kriterien an eine Partnerschaft sein werden oder ob die Abartigkeit der einzige Kick sein wird. Vielleicht interpretiere ich auch ein wenig zu viel in diese Situation rein, vielleicht wird die Ästhetisierung sexuell abnormaler Verhaltensweisen nur eine Modeerscheinung sein. Trotzdem gilt es, sich in dieser Hinsicht an „50 Shades of Grey“ kein Beispiel zu sehen, denn unter der Fassade, durch die Film und Buch bekannt geworden sind, ist alles vor allem eins: Grau.
„50 Shades of Grey“ bekommt von mir 4 von 10 Punkten und erhält damit keine Empfehlung von mir. Der Film ist objektiv betrachtet keine Katastrophe, die Musik ist sehr passend, einige Szenen nett und harmonisch gefilmt, aber über zwei Stunden lang ist der Film weder fesselnd noch interessant und verfügt unterschwellig meiner Meinung nach über eine dekadente Grundhaltung und eine gesellschaftlich und bürgerlich wenig niveauvolle, vielleicht sogar schädliche Botschaft. Ich als jemand, der eher selten Liebesfilme und Romanzen schaut, bin sogar der Meinung, dass ihr doch besser sentimental und kitschig eingestellte Melodramen von Nicolas Sparks schauen solltet, die zwar filmisch auch keine uneingeschränkten Meisterwerke sind, aber den Fokus doch eher auf Schwerpunkte legen, die man als gesellschaftlich akzeptierter und moralisch einwandfreier beschreiben könnte.