kurz angerissen*
erstmals veröffentlicht: 08.08.2015
Was für eine schöne Erkenntnis: Es gibt noch Filmemacher, die aus ihren Fehlern lernen. Mit „Elysium“ jedenfalls hatte sich Neil Blomkamp gehörig verzettelt. Eine Vision alleine, aufgeblasen zu einem überdimensionalen Schlüsselbild, bürgt noch längst nicht für Qualität. Also geht der Südafrikaner einen Schritt zurück und dreht der wirren Schusseligkeit seines Debüts „District 9“ wieder das Gesicht zu.
Gerade in den ersten Minuten von „Chappie“ denkt Blomkamp in kleineren Bildern als zuletzt, ohne dazu jemals das Produktionsdesign verlassen zu müssen, das längst zu einer Marke des Regisseurs geworden ist; man muss meinen, etwas anderes als sepiafarbenen Südafrika-Schrottplatz-Steampunk mit bunten Metallpartikeln und starken Bezügen zum Präsens kann und will er gar nicht liefern.
Mag man hier auch visuelle Beschränktheit unterstellen, so lässt sich doch behaupten: Gerade wegen des hohen visuellen Wiedererkennungswertes hat die nicht gerade neuartige Geschichte um die Verpflanzung von Bewusstsein in einen Roboter eine echte Chance. Mögen Nr. 5 & Co. bereits ihre Spuren hinterlassen haben, so ist „Chappie“ doch irgendwie ein ganz eigenes Ding. Die Entwicklung vom naiven Kleinkind zum selbstständigen Denker wird schludrig und in Sprüngen erzählt, philosophische Aspekte ergeben sich irgendwie nebenbei, fast so, als seien sie ein unbeabsichtigtes Nebenprodukt, doch irgendwie gelingt Blomkamp dadurch sogar eine Imitation des Lebens selbst, das manchmal ähnlich unlogisch, in gewissen Momenten aber auch wieder klischeehaft erscheint.
Natürlich ist „Chappie“ mit Kalkül designt wie ein großes Baby mit seinen Löffeln, die bei Gefahr defensiv zurückgelegt werden, aber es hat im Kontext seine Berechtigung. Geht man ins Detail, sieht man nur ausdruckslose Metallteile, Kabel und Gewinde; die Gesamterscheinung jedoch weckt den Beschützerinstinkt beim Betrachter, auch weil der Roboter mit dem gewöhnungsbedürftigen Namen eine gesunde Mischung aus vertrauter Filmmotivik und einzigartigen Charakterzügen darstellt.
Erzählerisch nutzt Blomkamp indes gewagte Wege, löst beispielsweise die Kunstfigur in der wichtigsten Phase ihrer Entwicklung vom positiven Einfluss des Erschaffers und liefert sie der Willkür einer kleinen Gruppe von Kleingangstern aus, gerade um diesen Charakteren unverhoffte Eigenschaften zu entziehen. Dabei nimmt er gewisse Längen im Mittelteil billigend im Kauf; die Verhältnismäßigkeit zwischen den Szenen im Lager bei „Mommy“ und „Daddy“ und anderen Schauplätzen erscheint nicht ausgewogen. Auch Hugh Jackman spielt alles andere als einen klassischen Bösewicht, sondern sorgt ganz im Gegenteil für einen zwar explosiven, aber dennoch völlig antiklimatischen Showdown.
Zwar ist auch Blomkamps dritter Film im Grunde genommen wieder dümmer als die Prämisse, die ihm unterliegt, doch gerade daraus lässt sich der Reiz des Unschuldigen ziehen, mit der man nach Abspann Diskurse verfolgt, die aus dem Nichts entstanden zu sein scheinen.
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