Review
von Leimbacher-Mario
Blut ist dicker als das Blut von anderen
Man muss Kunst und Künstler trennen. Punkt. Sonst könnten wir keine Gemälde mehr von Van Gogh bewundern und zu keinen Songs mehr von Michael Jackson tanzen. Zum Release von „Blood Father“ war diese Philosophie auch für Mel Gibson gefragt, denn hatte er damals karrieretechnisch noch immer mit seinen dummen und ekelhaften antisemitischen Aussagen von vor ein paar Jahren zu kämpfen. „Blood Father“, der es in D-Land nichtmal ins Kino geschafft hat, ist sozusagen sein kommerzieller und grössentechnischer Tiefpunkt in seiner Karriere als Schauspieler. Aber wenn alle Tiefpunkte dermaßen toll wären, dann würde ich mir böse gesagt noch mehr solcher Ausrutscher und Entgleisungen und sozialen Ausgrenzungen in der Traumfabrik wünschen, denn „Blood Father“ zeigt Gibson in Perfektion und Höchstform, wütend und wild, fast wie damals, vielleicht sogar noch wuchtiger und packender. Das hier ist also nicht nur Talkurve, sondern auch Wendepunkt in seiner Rezeption, die mittlerweile wieder weitestgehend hergestellt ist. Was meiner Meinung nach gut ist. Denn solche Brummer im Herbst seiner Karriere wie „Blood Father“, „Get The Gringo“ oder „Dragged Across Concrete“ kann man kaum genug sehen.
„Blood Father“ wirkt wie eine Mischung aus „Cobra“ und „Taken“ mit viel mehr Sand, Staub und Bart. Gibson spielt fesselnd und kraftvoll, die Beziehung zu seiner Tochter ist spürbar und fein gezeichnet, „Blood Father“ als Ganzes wirkt erstaunlich geerdet und klassisch. Kein Spektakel. Kaum Krawall. Wenig moderner Schnickschnack. Dafür viel mehr Brauntöne, Grautöne und kurze, knackige Gewalteruptionen. Früher hätte sich Mel für sowas wohl kaum hergegeben - dabei steht ihm kaum etwas besser. Abgehalftert, erbarmungslos und ungefiltert. Ein rabiater Roadtrip der auf den Punkt gebraten daherkommt und nicht lang fackelt. Sehr einfach und erstaunlich kurzweilig zu genießen. Oldschool und vollkommen zufrieden damit. Der versucht gar nicht erst über seiner Liga zu fischen und ist umso sympathischer dabei. Die süße Erin Moriarty oder der verlässliche William H. Macy geben den Extraschuss Klasse.
Fazit: ein tolles, simples, effektives Comeback-Vehikel für den rauen Australier. Gibson ist fantastisch, das trockene Gefühl von früher ist wieder da und „Blood Father“ liefert ab. Actiondrama, Roadmovie, unkitschige Vater-Tochter-Beziehung. Und das ohne groß zu tönen oder aufzutischen. Einfach geradeaus und gut. Nicht spektakulär, aber auf die Nase. Plus nicht ohne Emotionen. Selbst wenn diese schon meilenweit abzusehen sind.