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Seit dem Erfolg von „Taken“ sind sie in, die Geschichten alternder Einzelkämpfer, die es für den Schutz anderer noch einmal allen zeigen. Auf Liam Neesons Pfaden wandelten unter anderem bereits Kevin Costner („3 Days to Kill“), Denzel Washington („The Equalizer“) und John Travolta („I Am Wrath“), nun ist Mel Gibson dran.
Der Held der Geschichte ist ein früherer Biker und Krimineller namens John Link (Mel Gibson), der inzwischen in einem Trailerpark lebt, sich als Tätowierer Geld verdient und zu den Anonymen Alkoholikern geht. Der gezeichnete Ex-Gangster ist eine dankbare Rolle für Mel Gibson, der den Schwermut, die Reue und die Einsamkeit des alten Wolfes mit viel Nachdruck verkörpert, wenn er sich zu den AA-Meetings begibt oder allein Take-Out-Essen auf den Stufen seines Wohnwagens verzehrt.
Aus der Eingangsszene weiß der Zuschauer bereits, dass seine Tochter Lydia (Erin Moriarty), deren Mutter sich vor Jahren von John trennte, in Schwierigkeiten ist, nachdem ihr krimineller Freund Jonah (Diego Luna) sie mit zu einem Coup nahm, bei dem sie die Waffe jedoch nicht gegen das intendierte Opfer, sondern gegen Jonah erhob und ihn erschoss. Dieses Vorspiel gibt Regisseur Jean-Francois Richet auch Raum für einen satirischen Seitenhieb auf die amerikanische Kultur: Im Supermarkt kann die 17jährige Lydia anstandslos Unmengen von Patronen für Jonah und seine Crew kaufen, wird aber nach dem Ausweis gefragt, als sie dazu noch ein Päckchen Zigaretten (und das auch in der Light-Variante) erwerben will.

Lydia flieht vor Jonahs kriminellen Freunden und ruft bei John an um diesen um Geld zu bitten. John holt sie ab und lässt sie bei sich wohnen, bis er das Startkapital für Lydias neue Existenz aufgetrieben hat. Doch als drei Gangster aus Jonahs Dunstkreis anrücken und die beiden zu töten versuchen, muss das Vater-Tochter-Gespann fliehen…
Da John auf Bewährung raus ist und viele Auflagen zu erfüllen hat, können die beiden nicht nur nicht zu den Cops gesehen, sie werden von diesen auch gejagt. Zwei Parteien im Nacken, dazu bald eine landesweite Fahndung nach Vater und Tochter, das hat viel Potential – welches der Film nie ausnützt. Mit Ausnahme von zwei Szenen taucht die Polizei gar nicht erst auf, die Verbreitung von Johns und Lydias Konterfei via Steckbrief und Fernsehen wird ihnen in einem Motel zum Verhängnis, später können sie aber anscheinend ohne Probleme ein Zimmer mieten. Und auch die Fieslinge sitzen ihnen nur hin und wieder im Nacken und stellen auch nicht viele Leute für die Menschenjagd ab, deren Hintergründe sich schlussendlich als wenig komplex erweisen. Dass es sich Jonahs Leuten um Menschen aus dem Umfeld der Drogenkartelle handelt, ist schnell klar, zumal diese gerade dank Filmen wie „Sicario“ und „Savages“, der Dokumentation „Cartel Land“ und der Fernsehserie „Breaking Bad“ Hochkonjunktur haben und dementsprechend als gefürchtete, besonders skrupellose Schurken durchgehen.
Aufgrund von deren Personalknappheit fallen die insgesamt vier Konfrontationen zwischen John und den Schurken eher kurz und dünn gesät aus, auch wenn diese vom erdigen, realistischen Stil des Films profitieren: John ist kein Übermensch, bringt vor allem Lebenserfahrung und den nötigen Kampfeswillen mit. Er muss tricksen, fliehen oder sich die Gegner einzeln vorknöpfen um zu siegen, was durchaus seinen Reiz hat. Wirklich einprägsam ist aber im Endeffekt nur jene Szene, in der John und Lydia sich auf einem Motorrad zweier angreifender Biker erwehren.

So ist „Blood Father“ ein Actionthriller mit wenig Action und angezogener Handbremse in Sachen Spannung und punktet dann überraschenderweise als Vater-Tochter-Drama, das vor allem titelgebenden Blutvater in den Mittelpunkt rückt: Jahrelang, auch bedingt durch seinen Knastaufenthalt, hat er die Tochter nicht gesehen, die von drei Stiefvätern großgezogen wurde. Während er seine Fehler in der Vergangenheit einsieht und sich als Buße für seine Tochter unter Einsatz seines Lebens in den Kampf wirft, ist diese gleichzeitig eine Probe für ihn, etwa wenn sie Alkohol und Drogen in den Wohnwagen des Abstinenzlers bringt, was nicht nur potentiellen Ärger mit dem Bewährungshelfer, sondern auch Versuchung sowie Erinnerung an die überwundene Sucht bedeutet. So ist der Film in jenen stillen Szenen am stärksten, bis hin zum überraschenden, emotionalen Ende hin.
Dass „Blood Father“ vor allem in dieser Hinsicht funktioniert, liegt auch an Mel Gibson, der hier beweist, dass er abseits der Real-Life-Skandalnudel immer noch ein begabter Schauspieler ist, in dessen gealtertem Gesicht sich vergangene Erfahrungen und Schmerzen spiegeln, dessen Drohungen und coole Sprüche immer etwas Resigniertes haben. Dagegen wirkt Erin Moriarty etwas blasser, kann aber in der gleichzeitig görenhaften und zu früh erwachsen gewordenen Tochterrolle trotzdem noch bestehen, während in Nebenrollen zwar Typecasting herrscht, aber die richtigen Leute für die Jobs gefunden wurden: Dale Dickey ist mal wieder als White Trash zu sehen, William H. Macy gibt Johns freundlichen Sponsor bei den Anonymen Alkoholikern und Michael Parks spielt den mit Nazi-Memorabilien handelnden Bikerchef der Gang, von der sich John losgesagt hat und deren Gedankengut er nicht teilt – eventuell ein weiterer Seitenhieb auf Gibsons Leben jenseits der Leinwand. Leider gibt es kaum charismatische Schurken, da mag der Kartell-Sicario noch eindrucksvoll tätowiert sein.

In einer Szene, in der Lydia ins Kino geht, läuft Jean-Francois Richets „Assault on Precinct 13“-Remake und man wünschte sich, dass „Blood Father“ dessen Druck, dessen Schauwerte und dessen Spannung besäße. Leider ist sein neuester Film ein generischer, weder besonders actionreicher noch übermäßig spannender Actionthriller, der in erster Linie durch Mel Gibsons starkes Spiel aufgewertet wird. Vielleicht wäre „Blood Father“ als reines Drama über die Annäherung zweier entfremdeter Menschen stärker gewesen.

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