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Wenn es eine Bebilderung dessen gäbe, was Hollywood-Produzenten nachts in einem wunderschönen Traum träumten, nachdem sie Jackie Chan für ein Großprojekt unter Vertrag genommen hätten, dann wäre das “Police Story” - die idealistische, perfekte Variante dessen, was sich US-Geldgeber erhoffen, wenn sie in den kleinen Chinesen investieren - nur, dass dieser Idealtypus für Hollywood auf ewig unerreichbar bleiben wird. Eben ein von der Traumfabrik geträumter Traum.

Es ist Jackie Chans Film. Nichts ist es mehr als das, und genau dies macht ihn zum vielleicht besten Film seiner Karriere. “Police Story” ist als Reaktion zu verstehen auf die ersten Enttäuschungen, die Chan in US-Koproduktionen machen musste. “Auf dem Highway ist die Hölle los” samt Fortsetzung; “Die Große Keilerei”; schließlich dann “The Protector”. Nichts schien Jackie wirklich zufrieden zu stellen. Also ging er einmal mehr zurück nach Hongkong und erschuf sogleich eine neue Referenz in Sachen Action und ein noch fast unverbrauchtes Subgenre, dem wie so oft mal wieder zahlreiche Plagiate folgen sollten: das des Kung-Fu-Copfilms.

Engagiert war Jackie gleich in mehreren Rollen, nämlich als Regisseur, Schauspieler, Stuntkoordinator und Kampfchoreograph. Herzblut war ebenso im Spiel wie der unbedingte Wille, einen makellosen Film abzudrehen, um die Schmach aus Übersee vergessen zu machen. Und selten wurde die nicht nur geographische, sondern auch ideologische Entfernung zwischen Hongkong und den USA deutlicher. Für das ungeschulte Auge sind vielleicht nur marginale Unterschiede zu erkennen; hier wie dort kämpft sich Jackie Chan meist albernd durch eine abgedrehte und nicht zwingend glaubwürdige Geschichte, um mit grandiosen Stunts und umwerfender Akrobatik zu überzeugen. Doch in den USA war er nie mehr als ein Mittel, ein Spezialeffekt. In Hongkong ist er das selbst bestimmende Medium, eine alles beeinflussende Kraft. Der Unterschied zwischen Mittel und Medium erscheint so klein, dabei könnte er nicht größer sein.

Alleine die spektakuläre Eingangssequenz ist ein Zeugnis der Unverfälschtheit, derer sich “Police Story” insbesondere im Original rühmen darf. Schnitt und Kamera wirken oft roh, machen teilweise den Eindruck wie Puzzleteile, die nur mit Biegen und Brechen ineinander greifen - und stellen doch rückblickend eine virtuos inszenierte Verfolgungsjagd dar. Fragmente wurden bereits von mächtigen Filmschaffenden Hollywoods als Hommage verkleidet kopiert und beweisen mit ihrer Inkonsequenz nur einmal mehr, dass dieses Original nicht durch die Maschinerie des wichtigsten Movie-Outputs der Welt verbessert werden kann - Die Perfektion liegt hier in der Fehlbarkeit.
Gerade heute, zwanzig und mehr Jahre nach seiner Entstehung, sitzen wir, verwöhnt durch aalglatte Special Effects in absoluter Perfektion, staunend und dankend im Fernsehsessel und erleben mit, wie sich unter höchster Gefahr für die beteiligten Stuntmen zwei Autos einen steilen Berghang hinunterjagen, mitten durch eine brüchige Wohnsiedlung, deren Häuser ein Zeichen in Sachen Fragilität und Kollateralschaden setzen. Missbraucht als Sprungrampen oder Tunnel, wird die Spur der zerstörerischen Fahrzeuge an dem Schutt deutlich, der sich in der Panoramaperspektive zu einer fast harmonischen Spur zusammensetzt. Weitwinkel offenbaren überall flüchtende “Anwohner”, gespielt von Stuntmen, die ihren Beruf wahrlich verstehen und teilweise nur Millimeter entfernt von den anrasenden Autos zur Seite springen.
Mittendrin Nahaufnahmen der Polizisten im Einsatz, die sich in diesem Chaos ein Schussduell mit Flüchtigen liefern, nachdem eine Polizeibesprechung zuvor die Größe des Einsatzes unter Beweis gestellt hatte. Ein Greenhorn schwitzt, zittert am ganzen Leib, als sich auf seiner weißen Hose plötzlich ein dunkler Fleck ausbreitet. Roh, unverfälscht und so nah wie möglich am Geschehen.

Dabei ist dies nur ein rundes Drittel einer fast viertelstündigen Actioneinleitung, das damit beendet wird, wie Jackie mit seinem Auto am Ende des Hangs ausrollt und gegen die Straßenplanke knallt - ohne Schnitt steigt Jackie aus, rennt auf die Kamera zu und lässt keinen Zweifel daran, dass er, der Star es ist, der sich soeben einem nicht unbedingt ungefährlichen Stunt ausgesetzt hat.
Als wäre dies noch nicht genug, verfolgt Jackie nun zu Fuß einen fahrenden Bus, nimmt Abkürzungen über Stock und Stein, um ihn in einer Kurve per quergestelltem Auto und Kanone anzuhalten. Der Crash der Gangster durch die Fensterscheibe war dabei sogar nicht einmal so geplant; ursprünglich sollten sie auf das Auto vor ihnen fallen, doch die Bremsen des Busses griffen schneller als erwartet, so dass der tiefere Fall auf die Straße erfolgte.

Das ist jedoch nicht das einzige Gesicht von “Police Story”. Genau genommen handelt es sich mit um die ausgewogenste Mischung von Action, Situationskomik, Story, Charakterzeichnung, Slapstick und Thrill, die je in einem Chan-Film zu sehen war - wo bei die Action zugegeben etwas stärker (aber nicht zu stark) dosiert ist. Gleich im Anschluss finden wir das inzwischen altbewährte Zwei-Frauen-Konzept vor, wie es später unter anderem in Filmen wie “City Hunter”, “Rumble in the Bronx”, “Mission Adler” und “Mr. Nice Guy” wieder aufgegriffen wurde. Einige Szenen rund um Jackie und die Kronzeugin in seiner Wohnung erinnern stark an die Situation aus “Bad Boys”, womit sich Michael Bay womöglich als noch größerer “Police Story”-Fan entpuppt, als man ohnehin angenommen hatte. Zwischen der Wohnung der Kronzeugin und seiner eigenen entfaltet sich ein superbes Comedy-Katz-und-Maus-Spiel, bei dem die Chemie zwischen Jackie Chan und Brigitte Lin positiv getestet wird. Die Verschmelzung mit der Stuntchoreografie in Selinas (Lin) Wohnung bei dem Angriff des maskierten Killers hätte im filminternen Vergleich vielleicht noch etwas geschickter ausfallen können, doch das ist Erbsenzählerei in Anbetracht der Tatsache, dass die Stuntchoreografie - nicht zuletzt auch kurz darauf auf dem Parkplatz - ansonsten so ausgesprochen gelungen ist und, wann immer sie nicht greift, die herrlich zänkischen Wortspiele eingreifen. In der deutschen Übersetzung hat man sich leider doch stark dem “Police Academy”-Kult unterworfen, der gerade voll im Kommen war, indem man offenbar Chans Charakter mit Steve Guttenbergs Synchronstimme versah und ihn ständig Wörter umdrehen ließ - wahrscheinlich aus Assoziationsgründen (Police Academy > Police Story). Eine ganz spezielle Lonely-Entertainer-Szene wird Chan im Polizeibüro zuteil, wo er auf der verlassenen Polizeistation gleich vier oder fünf Telefonanrufe auf einmal annimmt und alles durcheinander bringt.

Selbst der Plot stellt diesen exquisit gestillten Primärbedürfnissen an einen Film dieser Marke kein Bein und verleiht dem Gesamtgeschehen eine leicht zu folgende Struktur mit einem hervorragenden Spannungsbogen, dem bis zum Ende niemals wirklich die Luft ausgeht. Litten viele Filme auch unter Chans Regie an Hängern und überflüssigen Szenenfolgen, so kann man dies nun schwerlich behaupten. Zwar wird die gesamtkonzeptuelle Genialität des Drehbuchs eines Steven E. de Souza natürlich nicht erreicht, doch “Police Story” bildet nichtsdestotrotz ungeschnitten ein rundes Konstruktum. Mitunter auch mit den Komödienaspekten des Films verbunden (Das Tonband im Gerichtssaal), werden Handlungsfragmente später wieder aufgegriffen und nur selten im autarken Zustand gelassen.

Das Finale zuletzt stellt selbst den erwartungsschürenden Beginn in den Schatten und sorgte während der Dreharbeiten dafür, dass das Projekt oft “Glass Story” genannt wurde. Der Showdown findet in einem Kaufhaus statt, wo dermaßen viel Glas zu Bruch geht, dass dieser Titel nicht ganz unberechtigt ist. Man verwendete Zuckerglas mit doppelter Stärke als für gewöhnlich üblich und muss nun sagen, dass dieser zusätzliche Aufwand und vor allem das zusätzliche Risiko für die Stuntmen sich gelohnt hat. Die Glasbrüche wirken enorm realistisch und verursachen das ein oder andere Zusammenzucken des Zuschauers, wenn Chan etwa aus der Behind-The-Glass-Perspektive selbiges mit seinem Gesicht durchbricht, oder wenn Chan seinen Gegner durch eine komplette Auslage zieht und im Rückenbereich eigentlich Dutzende von Splittern stecken müssten. Der unumstrittene Höhepunkt (Chan gleitet einen Pfahl hinunter in den tieferliegenden Stock und zersplittert dabei Dutzende von Glasscheiben) wird gleich dreifach hintereinander in Zeitlupe präsentiert. Spätestens in diesen Momenten wird auch die Kompromisslosigkeit deutlich, die auch den Charakteren anhaftet. Die Figur Kevin Chan ist ein netter Kerl, eben jener “Mr. Nice Guy”, der im gleichnamigen Film persifliert wurde, scheut sich aber auch nicht davor, Geiseln zu nehmen und notfalls auf Menschen zu schießen. Die Kompromisslosigkeit zeigt sich nun nicht unbedingt in Woo-artigen Shootouts mit möglichst plastischer Darstellung von Einschusswunden, sondern vielmehr darin, dass alles, was angepackt wird, auch gleich vollkommen konsequent bleibt.

Fazit: “Police Story” ist das, was die Ausflüge in die USA hätten sein sollen: Ehrlich, authentisch, furios, adrenalinfördernd, spannend, und nicht zuletzt: ein Jackie-Chan-Produkt. In einem ausgewogenen Mix der besten Elemente aus Chans Frühwerk bildet der Cop-Actioner von 1985 die Basis für alles, was Chan selbst und unzählige Nachahmer später noch auf die Beine stellen sollten. Die intelligente Verknüpfung von Chans ursprünglichem Kung Fu Comedy-Konzept mit dem Polizei- und Actionfilm begeistert auch heute noch und ist Pflichtlektüre für jeden Eastern-Interessierten - für Fans sowieso.

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