The Stanford Prison Experiment (2015)

"Das Experiment" ist einer der besten deutschen Filme aller Zeiten, ein verstörend guter Thriller von 2001. Da konnte das blasse Hollywood-Remake von 2010 nur das Nachsehen haben. "The Stanford Prison Experiment" von 2015, nimmt sich die gleiche Vorlage wie schon die zwei vorangegangenen Experimente, doch diesmal näher an der Wahrheit, realistischer, die tatsächlichen Geschehnisse des berühmt-berüchtigten Experiments von 1971 nacherzählend. "Das Experiment" bleibt zwar der beste Film des düsteren Trios über die menschliche Psyche, doch der attraktiv besetzte & mitreißend inszenierte Tatsachenbericht aus der Stanforder Uni in den wilden 70ern, kommt sehr nahe heran, an die Qualität des deutschen Psychoklassikers. Erzählt wird die Geschichte von 18 ziemlich normalen & friedfertigen Hippie-Studenten, die bei einem Experiment mitmachen sollen. 14 Tage Gefängnissituation, 9 von ihnen sind Gefangene, 9 Wächter. Keine körperliche Gewalt, doch trotzdem möglichst realistische & harte Bedingungen. Was die beobachtenden Wissenschaftler schon nach wenigen Tagen miterleben sollten, kann man kaum fassen, betrifft & schockiert jeden Einzelnen von uns. Sicher eines der wichtigsten & grausamsten Experimente, die in den letzten 50 Jahren durchgeführt wurden. Eine Studie, die nie ihre Durchschlagkraft verlieren wird, egal wieviele Verfilmungen noch folgen. Und "Stanford Prison Experiment" ist ein verdammt starker Film!

Die vielen jungen Talente stehen/standen auf der Schwelle zum Superstar, ein prachtvolles Ensemble mit exzellenten Zukunftsaussichten von Ezra Miller bis Tye Sheridan. Als Look dienen die abgeranzten & anti-alles 70er perfekt, der grau-braune Stil vereinheitlicht & wirkt geerdet, menschlich & passenderweise anti-establishment. Doch so richtig hängen bleibt der Film auf Grund seines Themas, seiner Aussagen & seine unmenschlichen Atmosphäre in diesem Fake-Knast. Nie so brutal oder radikal, final oder übersteigert wie "Das Experiment", doch gerade wegen seinem Realismus so angsteinflössend. Wie hier eine Machtposition verführt, wie schnell sich die Insassen verlieren & wie krass der Gottkomplex bei der "Spielleitung" zuschlägt, macht einen sprachlos. Das sind Tiefschläge auf allen Ebenen & jeder, der sich nur den Hauch für die menschliche Psyche interessiert, bekommt ein anschauliches & warnendes Beispiel geliefert. Der Film wirkt lange nach, bleibt im Kopf & stellt wichtige, tiefgreifende Fragen. Wie würdest du dich verhalten? Wie ist sowas aufzuhalten? Warum bricht man nicht früher ab? Ist jeder böse? Wird man so schnell verrückt, unterwürfig oder hoffnungslos? Wie mag es dann erst in echten Gefängnissen sein? Wie weit wäre es gegangen? Was war echt, was war fake? Wer ist das wahre Monster? Und was bedeutet das für unser komplettes System in Sachen Macht, Teufelskreis & Hilflosigkeit? ...

Fazit: nicht ganz auf dem Niveau von "Das Experiment", doch durch das raue 70er-Setting, starke Jungdarsteller & einem realistischeren Ausgang samt nicht minder schockierender Nachbetrachtung, trotzdem ein Hochgenuss in Sachen menschlicher Psyche, Natur & Bosheit.