Scherbentanz (2002)

Das Drama im Herrenrock

"Scherbentanz" erzählt die mitreißende Geschichte um den krebskranken Jesko und seine zerrüttelte Familie. Der verbitterte Zyniker wird von seinem Vater nach Hause bestellt, weil seine psychisch kranke, senil gewordene Mutter gefunden wurde und möglicherweise als Knochenmarkspender in Frage kommt. Doch die Zusammenkunft steht nicht unter einem guten Stern: Alte Abgründe tun sich wieder auf, ein Unglück jagt das nächste, alte Traumata kommen erneut ans Licht. Jesko fällt es schwer, die Hilfe der verhassten Mutter anzunehmen, und wie er versuchen auch die anderen Beteiligten, möglichst heil aus der Situation herauszukommen und ihr ganz persönliches Leben in den Griff zu bekommen.

Chris Kraus' Familiendrama ist wirklich einzigartig und bewegend. Es ist aber vor allem ein verdammt ehrlicher, ungeschönter und aufwühlender Blick auf das Leben und was dazugehört: Unglück und Glück, Leid und Liebe, Verzweiflung und Hoffnung, Krieg und Frieden. Mit einer Intensität, die ihresgleichen sucht, geben die brillianten Schauspieler (Jürgen Vogel als Jesko) das Intimste, Verletzlichste und Dunkelste ihrer fiktiven Seelen preis, was mitunter schon unangenehm und verstörend sein kann. Trotzdem bricht das eindringliche Kammerspiel gelegentlich aus in Momente der Hoffnung, Geborgenheit, Zärtlichkeit und es bildet sich gar eine seltsame Art von Galgenhumor und Situationskomik aus. Diese Einzigartigkeit und Unberechenbarkeit, aber auch diese bittere Ehrlichkeit und Nachvollziehbarkeit vermag es heftig mitzureißen.

Für mich ist "Scherbentanz" eine der eigenwilligsten Perlen und zugleich auch der Inbegriff des dramatischen deutschen Kinos: Die tiefgreifenden Kammerspiele voller psychologischer Facetten, Emotionen, Affekte und Spannungen in einer kargen, ungelackten Perspektive. Es steckt so viel Wahrheit und so viel Poesie in dem Kunstwerk, dass es mich selbst nach mehrmaligem Ansehen noch vollends in den Bann zieht. Kein melodramatischer Streifen der Marke "Gefühlskino", keine Kompromisse, sondern die Rauheit der Realität, die teure Suche nach dem Glück - der Tanz auf dem Scherbenhaufen.

Ein verkanntes Meisterwerk - mehr als 10.