Review
von Leimbacher-Mario
Weit mehr als nur "Scarface Part II - Puerto Rico Edition"
Von wegen ein Blitz schlägt nicht zweimal an der selben Stelle ein. 10 Jahre nach "Scarface" taten sich DePalma und Pacino erneut zusammen und schufen so etwas wie den kleinen Cousin von Tony Montanas sozialer Achterbahnfahrt, der immer etwas in dessen Schatten stand. Dabei muss sich "Carlitos Way" gar nicht allzu weit hinter dem artverwandten Meisterwerk verstecken... Wir folgen Carlito Brigante raus dem Knast und wieder rein in ein Leben, dass ihn nicht so recht aus dem zwielichtigen Gangstermilieau entlassen will...
Carlo Brigante ist ein weitaus ruhigerer Charakter als Tony Montana, weckst gereift und muss keinem mehr etwas beweisen, es ist nicht mehr die ganz große Show Off-One Man-Show von Al Pacino - beeindruckend ist seine Leistung dennoch. Mehr als das. "Carlitos Way" kann man durchaus noch in den Zenit von allen Beteiligten stellen. Der perfekte Companion Piece für "Scarface". Weicher, weiser, romantischer - aber kaum schlechter. Vielleicht fehlen zwischendrin die ganz legendären Höhepunkte, doch Settings wie das Gemetzel in der Billardbar, der nächtliche Bootsausflug im Nebel und natürlich das nervenaufreibende, extrem dramatische Finale machen "Carlitos Way" eindeutig zu einem Gourmethappen und leider immer noch Geheimtipp im Gangstergenre.
DePalmas einzigartiger Stil, die neondurchflutete Atmosphäre und ein Knock Out-Soundtrack tun ihr Übriges. 150 Minuten klingen viel - hier wird gezeigt, wie man sie verfliegen lässt. Ich würde gerne weniger mit Tony Montana vergleichen, doch die beiden sind quasi zwei Seiten einer Medaille. Während das Narbengesicht auf seinem Höhepunkt verdient und spektakulär abtritt, schafft es der geläuterte und gealterte Brigante fast aus dem Teufelskreis der Gewalt heraus - was das Ende noch bitterer macht. Erst recht, weil die einfühlsam eingebaute große Liebe glaubhafter als bei den meisten anderen Gangsterepen ist und eher Kern als Beiwerk. Anfangs fand ich "Carlitos Way" nur gut. Mittlerweile kann ich mich an ihm kaum satt sehen. Er wächst von Sichtung zu Sichtung. DePalmas Ästhetik und visuelle Pastiche, die durch die Bank starken Darsteller und eine intensive Geschichte zwischen Ghetto und Paradies, Instinkt und Wünschen, Ausweg und Verderben machen "Carlitos Way" unsterblich.
Fazit: De Palma macht es noch einmal - "Carlitos Way" ist ein stylischer Gangsterklassiker, den niemand unterschätzen sollte. Besser geht es nämlich kaum. Immer im Schatten des Narbengesichts aber dennoch ein eigenständiger Hammerfilm, den ich mir immer wieder geben kann. Von Sean Penn in einem seiner zugekoksten Höhepunkte über Benny Blanco aus der Bronx bis zum Herzschlag-Showdown quer durch den Bahnhof - Crime-Cinema geht kaum fesselnder!