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Ich betrachte diesen Film als inoffizielle Fortsetzung von „Scarface“ (in Bezug auf den Regisseur), vorausgesetzt man kann sich mit dem Gedanken anfreunden, dass Tony Montana in den Knast ging (statt in den Tod) und aus seinen Fehlern gelernt hat. Es gibt viele Parallelen zu Brian DePalmas erstem, großem Gangsterepos aus dem Jahre 1983, und damit meine ich nicht nur Al Pacino. Denn der agiert hier genauso souverän wie Tony Montana eine Dekade zuvor.

Carlito Brigante kommt dank seines Anwalts Kleinfeld (Sean Penn) wegen Verfahrensfehlern nach nur 5 statt 30 Jahren aus dem Knast. Diese Zeit hat für ihn gereicht, um mit dem Gangsterleben abzuschließen und ein Dasein als Autovermieter auf den Bahamas anzustreben. Doch sein altes Umfeld hat ihn längst noch nicht vergessen, und so wird er gegen seinen Willen in mehrere illegale Geschäfte verwickelt.
Hier wird auch der Unterschied und gleichzeitig das verbindende Element zu „Scarface“ deutlich: während Tony nicht akzeptieren konnte, dass es in diesem speziellen Milieu gewisse Regeln gibt, an die man sich halten sollte, beharrt Carlito eisern auf seinen moralischen Grundsätzen, die ihn immer weiter in die Scheiße reiten. Er will mit seinen Partnern von früher nichts mehr zu tun haben, fühlt sich aber speziell seinem Anwalt gegenüber verpflichtet. Dieser hat ihn längst ans Messer geliefert, aber das weiß Carlito zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Erst langsam wird ihm klar, dass die Fortsetzung seines bisherigen Lebens zum Scheitern verurteilt ist.
So sieht das auch seine große Liebe Gail, eine Tänzerin, die vom Broadway träumt, aber nur in einer Erotikbar ihre Hüften im Takt schwingt. All das interessiert Carlito nicht, denn er will mit ihr ein neues Leben beginnen, doch aufgrund seiner Vergangenheit schleichen sich erneut Zweifel in die alte, wiedergewonnene Liebesbeziehung ein. Nachdem Carlito klar wird, dass seine früheren Kontakte und deren Geschäfte zum Scheitern verurteilt sind, beschließt er, sein Versprechen einzulösen und mit Gail auf die Bahamas abzudüsen. Und nachdem sein Kumpel Kleinfeld Mist gebaut hat, geht es nun auch um seinen Arsch.

Der Film geht schon äußerst melodramatisch los, und wenn man ihn aufmerksam verfolgt, wird schnell klar, dass es hier einfach kein Happy End geben kann. Letztendlich wird Jeder von seiner Vergangenheit eingeholt, manchmal auch gegen den eigenen Willen oder weil die Gesetze der Straße im entscheidenden Fall nicht berücksichtigt wurden. Der Spagat zwischen Pflichterfüllung und Pflichtverweigerung wird hier noch intensiver dargestellt als bei „Scarface“. Trotzdem fehlt hier das geniale optische Flair der 80er, und auch mehrere kleinere Längen sorgen für kurzzeitige Aufmerksamkeitsdefizite. Allerdings wird das durch die wirklich perfekte Regie im letzten Drittel zufriedenstellend kompensiert. Spannender geht’s nicht, und man kann hier ungelogen eine der besten Kamerafahrten der Filmgeschichte bewundern. Überhaupt kann man den Umgang mit der Kamera nur als virtuos bezeichnen, vor allem bei den Szenen in Carlitos Nachtclub. DePalma hat also mal wieder ganze Arbeit geleistet, und diverse Motive aus seinen bisherigen Filmen verfeinert (bevorstehende Angriffe, Verfolgung im Zug). Atmosphärisch bekommt man hier also die volle Breitseite: Gangsterstyle vs. bürgerliches Leben vs. große Liebe. Trotzdem gefällt mir „Scarface“ etwas besser, sodass hier „nur“ 9 von 10 Punkten drin sind.

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