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Brian de Palmas "Carlito's Way" ist ein fast epischer Versuch der Charakterizierung eines ehemaligen angesehenen Kriminellen aus dem Puerto Rico-Dunstkreis. Al Pacino gibt ein bestechendes Portrait eines geläuterten Ex-Ganovens, dessen Ruf und die gefühlte Verpflichtung für seine (falschen) Freunde ihn in den Abgrund reißt.

Das Wichtigste in punkto Erzählerischem an "Carlito's Way" ist dieses gewisse Gefühl des Nicht-Entkommen-Könnens. Der Prolog, in dem Pacino am Bahnhof niedergeschossen wird und uns im Krankenwagen per Rückblende an seinem versuchten Ausstieg teilhaben läßt, stellt zwar auch die Frage auf, ob er das wohl überleben wird, doch das wird im Verlauf des Films zweirangig.

De Palma malt ein detailreiches Bild vom Knastheimkehrer, dem in seinem Viertel immer noch ein ehrenhafter Ruf nachhängt, obwohl die jungen Wilden ihn längst verdrängt haben. Doch Carlito, den Pacino lakonisch-ruhig gibt, will gar nicht den alten Platz wiederhaben, er will nur Geld verdienen für seinen richtigen Ausstieg, abseits der Illegalität, als Autoverkäufer. Was er nicht weiß, wissen wir längst: einer wie er, der wird nie so ganz legal, zu sehr steckt er drin, zu viel bedeuten ihm Schuld, Erlösung und Freundschaft.
Doch gerade mit letzterem ist in dieser Geschichte nicht viel zu wollen, denn er setzt auf die falschen Pferde, bzw. hat keine echten Freunde. Seinem Kumpel, dem dauerkoksenden Gangsteranwalt, fühlt er sich verpflichtet, weil der ihn aus dem Knast geholt hat, doch zieht ihn der bei erster Gelegenheit über den Tisch, nutzt ihn aus, reitet ihn in die Scheiße. Doch das geschieht unmerklich, beiläufig, wir ahnen das Unheil, Carlito nicht.

Aus dem Sumpf, in dem er verkehrt, wächst nichts Gutes und da kann ihn auch die Liebe zu einer alten Flamme nicht retten, die seine Rettung darin sieht, komplett auszusteigen, Brücken abzubrechen. Dazu hat Carlito Brigante jedoch zuviel Ehre, als er endlich schlau wird, ist es bereits zu spät.

Geschickt verwebt der Film das Schicksal mehrerer Personen, mischt die Anwaltsstory mit jungen Gangsterfiguren und einem Boß, der aus dem Knast ausbricht samt einem Staatsanwalt, der an Brigante wieder ran will. De Palma fokussiert geschickt, zieht das Netz aus Indizien für den Zuschauer immer enger zu, macht ein Entkommen mehr und mehr unmöglich. Dazu muß man zwar ein paar Längen ertragen (vor allem die Sequenzen mit seiner Freundin sind leicht berechenbar und zäh), gerät aber im letzten Drittel unter Hochdruck. Zeitweise gewalttätige Ausbrüche (eine typische De Palma-Sequenz entsteht im ersten Drittel, wenn Carlito und sein dealender Cousin in eine Todesfalle in einer Bar geraten, eine fulminant gefilmte Bildfolge, die geradezu in Gewalt explodiert) ergänzen das Bild der auswegfreien Gnadenlosigkeit.

Ironischerweise gelingt es Carlito im Showdown trotz erdrückender Übermacht von Gegnern siegreich zu bleiben (die finale Jagd in der U-Bahn und der Shootout in der Central Station sind der absolute Höhepunkt), um dann von einer Nebenfigur ebenso verraten wie niedergeschossen zu werden, die mit seinem Schicksal nichts zu tun hat, außer das sie sich einen Namen machen und sich profilieren will. Das hier aufkommende Christusmotiv des Leidenden zieht sich erzählerisch durch den ganzen Film.

Wer hier Parallelen zu der ersten Palma-Pacino Paarung in "Scarface" zieht, muß gleichzeitig die Unterschiede eingestehen. Aus der Egomanie, dem Größenwahn und der selbstzerstörerischen Uneinsichtigkeit des Vorgängers, wird hier die Ausweglosigkeit, die Vorbestimmung und die Kennzeichnung des Milieus, die einen nicht mehr fort lassen. Sicher ist das ein wenig Fatalismus, aber die erzählerische Wucht der Story vom Geschundenen ohne Ausweg ist so intensiv erzählt, daß nicht bloß an der Oberfläche bleibt. Wer also dem Grundton des Films folgt, für den wird der Ausgang der letzten Szene nicht überraschend sein, sondern folgerichtig. Definitiv in Scorseses Liga: 7,5/10!

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