Für „Carlito’s Way“ arbeitete das „Scarface“-Duo Brian de Palma/Al Pacino erneut zusammen, um einen weiteren hervorragenden Gangsterfilm zu drehen.
Im Gegensatz zu „Scarface“ ist „Carlito’s Way“ jedoch weitaus ernster und fatalistischer, denn es beginnt bereits damit, dass Carlito Brigante (Al Pacino) angeschossen wird. Der Täter wird nicht enthüllt, doch das böse Ende steht bereits fest, während Carlito aus dem Off mit seiner Erzählung der Geschehnisse beginnt. Die Frage, ob Carlito dies im genesen Zustand oder im Sterben erzählt, bleibt dabei offen und spannend, jedoch ist so von Anfang an klar, dass Carlitos Weg unter keinem allzu guten Stern steht.
Carlitos Erzählung beginnt mit dem Tag seiner Freilassung. Er ist Drogenhändler, hat bereits getötet und soll für seine Taten an sich 30 Jahre lang einsitzen. Doch sein Freund und Anwalt David Kleinfeld (Sean Penn) entdeckt Verfahrensfehler und zwingt die Staatsanwaltschaft nach bereits 5 Jahren in Berufung zu gehen und Carlito frei zu lassen. Vorgeschichte, Kindheit oder Aufstieg zeigt „Carlito’s Way“ im Gegensatz zu anderen Gangsterfilmen nicht, was de Palmas reifes Werk von vergleichbaren Werken abhebt. Carlitos Vergangenheit muss man sich aus Erzählungen der Leute aus seinem Umfeld rekonstruieren.
Im Gegensatz zu vielen anderen Gangstern hat sich Carlito im Gefängnis jedoch gewandelt und will sauber bleiben – er will nur 75.000 Dollar verdienen, um sich in die Autofirma eines Freundes einzukaufen. Doch es ist alles andere als leicht in seinem Umfeld sauber zu bleiben...
Trotz einiger Ähnlichkeiten kann „Carlito’s Way“ fast als Antithese zu „Scarface“ durchgehen: Tony Montana ist ein machthungriger Aufsteiger, Carlito hingegen ein alter, vom Leben gezeichneter Gangster, der nur aufhören will. So präsentiert sich „Carlito’s Way“ auch als reiferer der beiden Filme: Weniger coole Sprüche, nüchternere Optik und keine extremen Schauwerte wie die Endballerei in „Scarface“. Doch ohne Konfrontationen läuft auch „Carlito’s Way“ nicht ab. Zum einen die schon sehr intensive Auseinandersetzung bei einem schiefgelaufenen Deal, zum anderen das traumhafte Finale, in dem Carlito sein altes Leben hinter sich lassen will, zum Teil durch Flucht, zur Not aber auch mit Waffengewalt gegen jene, die ihn daran hindern wollen. Gerade diese Episode ist ein mitreißendes inszenatorisches Meisterstück.
Ansonsten gibt sich „Carlito’s Way“ eher ruhig. Carlito probt keinen großen Aufstieg, sondern versucht nur sein Lebensziel zu verwirklichen. Doch keiner scheint ihm dabei helfen zu wollen: Seine alten Freunde wollen ihn immer wieder in kriminelle Machenschaften hineinziehen, andere wollen ihn lieber im Knast sehen. Nicht immer kann Carlito diesem Druck widerstehen, genau deshalb zeichnet sich bald das böse Ende, das man zu Beginn des Films sieht, ab. Bittere Ironie, dass ausgerechnet eine seiner Gesten der Milde schuld daran sein soll.
Gut geschrieben sind die Dialoge, in denen es wie so häufig im Gangsterfilm um Loyalität und Freundschaft geht. Wenn Carlito feststellt, dass ein Freund von einst ihn verpfeifen will, oder das Zerwürfnis mit seinem früheren besten Freund David, der immer mehr dem Größenwahn verfällt, entgegenrückt, so bringt „Carlito’s Way“ dies stets packend, teilweise fast schon bewegend rüber. Markige Sprüche fallen dabei nur selten, lediglich das bekannte „Here comes the pain!“ (bzw. „Jetzt kommt der Schmerz!“ im Deutschen) sticht in dieser Hinsicht heraus.
Leider hat der sonst so überzeugende „Carlito’s Way“ seine kleinen Schönheitsfehler. Die ruhige Erzählweise ist begrüßenswert und stört nicht, jedoch erweist sich der Handlungsstrang um Carlitos Liebschaft Gail (Penelope Ann Miller) leider immer wieder als Bremser. Er ist sicher relevant und wichtig, doch gelegentlich verliert sich „Carlito’s Way“ hier in Plattitüden oder Episoden, die wenig zu Handlung und Charakteren beitragen.
Über jeden Zweifel erhaben ist hingegen Al Pacino, der als Titelfigur eine famose, unter die Haut gehende Leistung erbringt. Sean Penn als bester Freund ist ebenfalls klasse, kann aber nicht immer neben dem famosen Pacino bestehen, aber der überzeugend spielenden Penelope Ann Miller geht es ebenso. In Nebenrollen brillieren Leute wie Luis Guzman, John Leguizamo und Viggo Mortensen, um das tolle Bild von „Carlito’s Way“ abzurunden.
Mit „Carlito’s Way“ hat de Palma ein ruhiges, aber dafür sehr reifes und intensives Gangsterdrama geschaffen. Bei der Lovestory hakt die Sache zwar etwas, doch ansonsten bietet „Carlito’s Way“ famoses Schauspielkino ohne Hänger.