Review
von Leimbacher-Mario
Kriminationalität
"A Most Violent Year" - hört sich wie der typische Klischeegangster-Film an? Weit gefehlt! J.C. Chandors Film unterwandert alle Erwartungen. Sein Film über den Kopf einer Heizöl-Firma, der im New York des Jahres 1981 immer mehr in den Sog der Kriminalität gezogen wird, ist weit mehr als nur ein Gangsterfilm. Der Film spielt im brutalsten & härtesten Jahr der New Yorker Geschichte, einer Zeit, in der die Kriminalität so allmächtig & allgegenwärtig war, dass man ihr nicht entgehen konnte. Als Chef einer mittelgroßen Firma genauso wenig wie als aufsteigender Beamter, als LKW-Fahrer genauso wenig wie als Ehefrau, die es aus dem Ghetto geschafft hat. Viel eher ein Film über ungewollte Wirtschaftskriminalität als über klassische Gangster.
Ich mag "A Most Violent Year" - kann die Kritiker aber auch verstehen. Man muss schon Geduld & einen ausgeklügelten Filmgeschmack haben, um an dieser wunderschönen & wunderruhigen Ballade Gefallen zu finden. Die sepiafarbenen Bilder erinnern an alles, nur nicht das an's Neonjahrzent 80s. Fast jeder Shot hat es in sich & das Zeug für ein Foto. Die Geschichte über einen Mann auf der Suche nach einem Kredit & dem richtigen Weg, ist vielleicht etwas lang & dialoglastig - ich konnte mit seiner realistischen Art aber genug anfangen & hatte kaum Langeweile. Vielleicht wirkt genau diese realistische, eher unter- als übertriebene Art sogar noch viel nachhaltiger als der übliche Gangsterpathos. Sind wir nicht alle ein bisschen Gangster?
Eine Welt voller Korruption, Konkurrenz, Ellbogen & Menschen die auf dich schießen, eigentlich aber nichts gegen dich haben, wurde selten so nüchtern & kühl dargestellt. Wahrhaft beängstigend & keine Werbung für den Big Apple. Weitere Gründe für den Film sind ein berauschend & faszinierend aufspielender Cast, angeführt von Isaacs & Chastain, die mittlerweile allgegenwärtig sind & wohl die heißesten Eisen im Hollywoodfeuer. Nach diesen 120 Minuten weiß man warum. Unter der unspektakulären Oberfläche dieses Thrillers brodelt etwas, was weitaus packender & erschreckende lauert, als es jede Schiesserei oder Gangstertum je zeigen könnte. Unsere Welt.
Fazit: ruhig, besonnen, realistisch - Portrait einer Nation & westlichen Welt, in der sich keiner mehr als ehrlich bezeichnen kann.