1964 wurde der Startschuß für die große Ära der Italowestern abgefeuert und zwar von Sergio Leone mit „Für eine Handvoll Dollar“.
Ein namenloser Fremder (Clint Eastwood), später in Ermangelung eines Namens gerne mal als Joe bezeichnet, reitet in ein kleines Kaff in Mexiko, nahe der amerikanischen Grenze ein. Bereits bei seiner Ankunft sieht er ein kleines Kind nach seiner Mutter weinen, ein Toter reitet ihm entgegen und drei Rabauken versuchen ihn mit Schüssen zu verängstigen. Sergio Leone schafft bereits in den ersten Minuten eine Atmosphäre der totalen Gesetzlosigkeit, auch der Held toleriert dies anstatt einzuschreiten, während der Sheriff ebenfalls untätig bleibt.
Der Sheriff John Baxter (Wolfgang Luschky) ist nämlich das Oberhaupt einer von zwei verfeindeten Schmugglerbanden. Den Baxters gegenüber stehen die Rojos, benannt nach den drei anführenden Rojo-Brüdern. Beide Banden werben Leute an und bekriegen sich, worunter auch die Zivilbevölkerung zu leiden hat. Das Szenario entstammt an sich dem asiatischen Kino, genauer gesagt „Yojimbo“, doch der (Italo-)Western war immer wieder bemüht asiatische Mythen in die Cowboy-Ära zu transportieren.
In dieser Situation versucht auch der Fremde Gewinn zu machen, indem er sich von beiden Banden anheuern lässt, um sie gegeneinander auszuspielen. Doch dabei spielt er ein riskantes Spiel...
„Für eine Handvoll Dollar“ löste einen Boom an Italowestern aus, nachdem anfangs niemand an den Erfolg dieses Genres glaubte: „Für eine Handvoll Dollar“ wurde anfangs als angeblicher US-Western vermarktet, wobei Sergio Leones Name durch ein amerikanisches Pseudonym ersetzt wurde (viele andere Beteiligte erhielten ebenfalls US-Pseudonyme). Während Leone das Genre weiterentwickelte und Epen wie die beiden anderen Werke der Dollar-Trilogie und „Spiel mir das Lied vom Tod“ drehte, konzentrierten sich die meisten Epigonen auf kurze, knackige Western wie „Für eine Handvoll Dollar“.
Die Story mag aus „Yojimbo“ und diversen ähnlich gelagerten Filmen bekannt sein, doch Sergio Leone erzählt den Plot trotzdem spannend und fesselnd. Dass es den Fremden nicht oder erst im Finale erwischen wird, ist zwar klar, doch „Für eine Handvoll Dollar“ stellt andere spannende Fragen: Wird Marisol (Marianne Koch), die gezwungene Geliebte des ältesten Rojo-Bruders Ramon (Gian Maria Volontè), ihre Freiheit erlangen? Haben die Helfer des Fremden genauso viel Glück wie er? „Für eine Handvoll Dollar“ hat fast keine großen Pausen, stattdessen kokettiert er stets mit der Frage, was der namenlose Fremde wohl als nächstes tun wird.
Ein weiterer Pluspunkt des Films ist sicherlich auch seine Hauptfigur. Seine Motive sind nie klar, warum er zum Geldverdienen ein dermaßen gefährliches Spiel spielt, wird nie erklärt. Ein Gerechtigkeitsfanatiker scheint er anfangs auch nicht zu tun, er bringt Leute aus niederen Motiven um und mausert sich erst durch ein famos in Szene gesetztes Schlüsselerlebnis zum positiveren Helden. Jedoch etabliert „Für eine Handvoll Dollar“ den Archetypus des Italowesternhelden, der nicht wirklich gut, sondern nur weniger schlecht als die Bösewichte ist.
Auch von der Stimmung her setzt „Für eine Handvoll Dollar“ Maßstäbe, denn sie treibt den eher simplen, nur teilweise innovativen Plot zu Hochform. Vor allem durch Ennio Morricones tollen Soundtrack vermittelt Leone hier das Flair einer gesetzlosen Öde, in der nur der Starke überlebt. Humor gibt es hier wenig, wobei eine der beiden deutschen Synchros von „Für eine Handvoll Dollar“ noch etwas witziger gemacht ist als die andere. Meist ist „Für eine Handvoll Dollar“ jedoch böse, vor allem in den Schießereien, in denen die Parteien gnadenlos aufeinander losgehen. Die Action späterer Italowestern bieten die Duelle nicht, doch sie sind toll inszeniert, vor allem das fantastisch inszenierte Finale.
Clint Eastwood spielt hier mit nur wenigen Gesichtsausdrücken, was sein Spiel jedoch trotzdem nie schlapp oder flach erscheinen lässt. Stattdessen wirkt er stoisch, cool, unbeweglich, so wie die Rolle es verlangt. Die Nebendarsteller sind weitaus weniger prominent, jedoch ebenfalls große Klasse. Gerade die Fieslinge überzeugen, wenngleich ihre Rollen etwas mehr Screentime vertragen könnten.
„Für eine Handvoll Dollar“ hat noch nicht ganz den Feinschliff späterer Leone-Werke und der Plot ist halt bereits bekannt, doch trotzdem ist ein großartiger, fesselnden Italowestern dabei herumgekommen, der vor allem durch Flair und seine mysteriöse Hauptfigur überzeugt.