Schöne Idee: einfach mal wieder „Die Zehn Gebote“ verfilmen!
Natürlich darf man die Chose nicht so nennen, soll ja auch kein Remake sein und die ganzen religiösen Diskussionen muss man auch nicht unbedingt haben, also ganz wenig Bibel, noch weniger Hollywood-Bombast alter Schule und den Hauptdarsteller müssen wir auch nicht mit unechten Rauschebart in das letzte antiklimatische Filmfünftel entlassen (siehe auch: „Charlton Heston – die schlimmsten Bärte der Filmgeschichte“).
Also lässt man Christian Bale (passender Name, gelle?) einfach mit einem Steinmeißel trotz seiner ziemlich gottesferne Gläubigkeit auf ein paar Steintafeln rumkratzen und der Herr murmelt etwas dazu, dass das ein Leitbild für das Volk der Hebräer sein soll, wenn er gerade mal wieder ein paar Äonen im Urlaub ist.
Ach ja, der Herr: der steckt nicht in mittelmäßigen Feuerwerkseffekten (auch wenn der Dornbusch tatsächlich gut abfackelt), sondern tritt als kleiner Schäferjunge mit ziemlich giftigen Ansichten auf, dem man ob seiner Ungeduld (nachdem er 400 Jahre Knechtschaft wohl im Urlaub war) gegenüber dem sich wirklich den Rebellenarsch abarbeitenden Bale gerne mal den Arsch versohlen würde.
Ansonsten nimmt Ridley Scott sein Vergangenheitsepos (zufällig in der Bibel zu finden) aber durchaus ernst, auch wenn er seiner Make-Up-Abteilung die Chose mit dem „Kajal für alle Ägypter“ ein bißchen zu viel Freiraum eingeräumt hat und der durchaus anderweitig talentierte Joel Edgerton vermutlich der emotionsärmste Pharao-Holz-Pinocchio seit Yul Brynners abgehobelter Hornhaut ist.
Aber mit Emotionen hat es diese Moses-Story sowieso nicht so besonders, da ist Scott zu sehr damit beschäftigt, für praktisch jeden Passus, den man aus der Messe kennt, einen neuen Ansatz zu bieten, sei es nun für die Präsentation des Herkunftsvermächtnisses (who else but Ben Kingsley could?) oder die Gezeitenfolge im Roten Meer.
Manchmal klappt das sogar ganz prima, z.B. bei den 10 Plagen, von denen das Autorenquartett die ersten fünf gleich mal in biologische Korrelation setzt und folgerichtig entwickelt (mit netten Effekten).
Manchmal klappt es leider nicht, denn obwohl auch bei der Meeresteilung der Ansatz ganz ordentlich ist, gerät die Ausführung zu einem leider nicht halb so spektakulären Ereignis, die überdeutlich aus dem Computer kommt.
Die Chose mit dem goldenen Kalb spart man dann gleich ganz, genauso wie der Abmarsch mit den Gesetzestafeln und auch Wolken- bzw. Feuersäule spielen wenn überhaupt nur im Hintergrund mal kurz mit.
Dafür darf Bale sich wieder hart an seinem Charakterportrait eines Zerrissenen abarbeiten (und macht das ganz großartig), der nicht weiß, wo er hingehört und später dann nur unwillig für gottgleiche Zwecke instrumentalisiert wird und aus der Not eine Tugend macht. Seinen Göttersohn kann z.b. immer nur er sehen, weswegen Aaron und Co auch ständig denken, er habe schwer einen an der Waffel, wenn er mal wieder die leere Wüste anbrüllt.
Die Idee, die ach so harmlosen Hebräer zu einer Partisanenstreitmacht auszubilden und Attentate und Zerstörungsterror begehen zu lassen, ist dann auch ein sehr moderner Ansatz, den man sich erst mal angesichts moderner Politik auf der Zunge zergehen lassen muss, leider muss sich die Story dann irgendwann dem Zorn Gottes unterwerfen und schon geschehen wieder Wunderdinge.
Die hätten dem Look des Films auch gut getan, doch abgesehen von rassigen Landschaftsaufnahmen, die ziemlich authentisch ausschauen (also Berge und Täler aus Steinen und niederem Gestrüpp, da und dort mal ein Streifchen Wüste), hat der Film nicht viel zu bieten. Die Monumentalaufnahmen kommen überdeutlich aus dem PC und können nicht mit dem Charme von einkopierten Modellbauten mithalten und obwohl der Film deutlich über zwei Stunden läuft, scheint in Ägypten so gut wie nie die Sonne zu scheinen.
Gemäß Scotts Stil und der modernen Unsitte, so seine Filmtricks zu kaschieren, liegt mal wieder über allem ein grau-blau-stumpfer Schleier, der die Wüste immer so zeigt, als würde es nachher noch einen Schauer geben. Überhaupt: ordentlich Wolken für das Reich der Sonne! Praktisch in jeder Szene dräut es am Himmel!
Ich will gern den realistischen Anstrich loben, aber mit Edgertons Ausfall herrscht dramaturgisch leider ein starkes Ungleichgewicht und die ganzen anderen Rolle (außer Bale) sind alle wirklich nur Stichwortgeber oder stehen staunend im Hintergrund rum. Allenfalls Maria Valverde hat ein, zwei intensivere Szenen als Ehefrau.
Und so rollt er denn dahin, das Bibelepos mit möglichst wenig Bibel und gerät so zu einer sehr ernsthaften, aber leider dann doch recht blutarmen Fassung, der man das Predigen, aber leider auch das rasante Unterhalten leider zu gut ausgetrieben hat, um noch irgendjemand nachhaltig zu verärgern.
6/10