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„Krepier endlich, kratz ab!“

Am Vampirfilm „John Carpenters Vampire“ des namengebenden Altmeisters („Halloween“, „The Fog“, „Das Ding aus einer anderen Welt“ etc.) scheiden sich die Geister: Nach seinem letzten großen Horror-Highlight „Die Mächte des Wahnsinns“ verfilmte Carpenter den Klassiker „Das Dorf der Verdammten“ fürs Fernsehen neu und versuchte sich an einer ebenfalls mit gemischten Gefühlen aufgenommenen „Die Klapperschlange“-Fortsetzung, um schließlich 1998 diesen Vampir-Western-Actioner zu drehen, der an eine Mischung aus „Near Dark“ und „From Dusk till Dawn“ erinnert. Dabei irritiert bereits der Name etwas, denn für den lose auf John Steakleys Roman „Vampire$“ basierenden Blutsaugerfilm war ursprünglich Russell Mulcahy als Regisseur angedacht und Carpenter fungierte weder als Drehbuchautor (das tat Don Jakoby), noch als Produzent. Insofern dürfte es sich in erster Linie um eine Auftragsarbeit denn um ein „Carpenter-eigenes Baby“ handeln.

In den Wüsten New Mexicos ist Vampirjäger Jack Crow (James Woods, „Videodrome“) mit seinem Team unterwegs, um im Auftrag des Erzbischofs der Brut der Nacht des Garaus zu machen. Nach einem wahren Massaker an den Untoten in einem verlassenen Farmhaus feiern die Vampirjäger eine ausgelassene Party in einem nahen Motel. Der dank seiner Abwesenheit das Massaker überlebt habende Vampirmeister Valek (Thomas Ian Griffith, „Kull, der Eroberer“) jedoch durchkreuzt die feuchtfröhliche Orgie und nimmt grausame Rache. Nur Jack, sein Partner Tony (Daniel Baldwin, „Knight Moves“) und die Prostituierte Katrina (Sheryl Lee, „Twin Peaks“) überleben den Überraschungsangriff, indem sie die Flucht ergreifen. Katrina jedoch wurde gebissen und droht, ebenfalls zum Vampir zu werden, bietet jedoch auch die Chance, aufgrund ihrer telepathischen Verbindung zu Valek den Meister zu verfolgen. Dieser ist nämlich auf der Suche nach einer religiösen Reliquie, dank derer er und seine Nachkommen auch im Tageslicht überleben könnten. Zusammen mit der Hilfe Pater Guiteaus (Tim Guinee, „Blade“), den der Vatikan entsandte, versucht man, Valek auf die Spur zu kommen und ihn endgültig zu vernichten...

„Sie sind nicht so wie in den Filmen!“

Das ist diese Variation des Vampir-Mythos tatsächlich nicht unbedingt, denn in Sachen Grausamkeit nehmen sich in diesem actionlastigen Neo-Western-/Horror-Crossover beide Seiten nicht viel. Der Fokus liegt auf harten Kämpfen Jäger vs. Vampire, die grafisch explizit ordentlich splattern. Vampire werden ans Tageslicht gezerrt und bei untotem Leibe verbrannt, Meister Valek zerfetzt Menschen mit bloßer Hand, abgetrennte Gliedmaßen schleudern durch die Szenerie – die KNB-Group leistete ganze Spezialeffekt-(Hand-)Arbeit! Das geht einher mit einer totalen Entromantisierung des Vampirismus und auch von der düsteren Atmosphäre bekannter Vampirstreifen ist hier nicht viel übrig, wenn sich die Vampire aus dem Präriesand buddeln und sich ein Großteil der Handlung bei sonnendurchfluteter, staubtrockener Wüstenstimmung zu Road-Movie-Geklimper abspielt.

„John Carpenters Vampire“ ist dabei etwas sehr auf betont cool, zynisch und maskulin, insbesondere durch den von John Woods repräsentierten Charakter, getrimmt und das permanente obszöne Gequatsche, flache Dialoge etc. können einem auch gut und gerne mal auf die Nerven gehen – wie auch in diversen Tarantino/Rodriguez-Filmen. Was diesen Film jedoch deutlich von „From Dusk till Dawn“ und Konsorten unterscheidet, ist die weitestgehende Humorlosigkeit, die eine gewisse Grimmigkeit entstehen lässt, welche „John Carpenters Vampire“ bisweilen positiv an Endzeitfilme erinnern lässt oder zumindest ansatzweise eine apokalyptische Stimmung heraufbeschwört. Nicht uninteressant sind auch die Momente, in denen sich Autor Jakoby daran erinnert, dass die Vampir-Thematik einmal viel mit verbotenen sexuellen Obsessionen und unheilschwangerer Leidenschaft zu tun hatte: Zwischen Tony und Katrina entwickelt sich nämlich etwas, als sie über ihn herfällt und beißt, was weit mehr wie ausgelebte Sexualität und Außenseiterromantik wirkt statt wie Brutalität – insbesondere, wenn sie sehenden Auges mit einem von Jack gewährten Vorsprung in eine von Verfolgung und Sucht nach Nahrungsaufnahme, dem Blut lebender Menschen, geprägten Zukunft entlassen werden.

Die leichte Überlänge schafft die Dramaturgie immer wieder zu kompensieren, indem sie beispielsweise an geschickter Stelle ein weiteres Massaker bei Priestern installiert und so den Trott des Films und der Verfolgungsjagd für Schauwerte und Erfahrungen seiner Protagonisten unterbricht. Gespickt wird die Sause zusätzlich durch etwas nackte Haut. So verkehrt, wie „John Carpenters Vampire“ von einigen aufgefasst wurde, ist er dann letztlich gar nicht, wenn man nicht allzu sehr am klassischen Vampir-Mythos hängt und einer modernistischen Variante wie dieser aufgeschlossen gegenübersitzt, an deftiger Action und Wüstenambiente Spaß haben kann und manch Plattitüde und Klischee zu verzeihen bereit ist. Schauspielerisch geht das auch alles soweit durch; bisweilen übertreibt’s man etwas, was sicherlich den Vorbildern und den Action-Genre-Elementen geschuldet ist, auch ein Maximilian Schell („Marlene“) hat übrigens einen Auftritt als Kardinal. Andererseits sollte man schon etwas mehr, etwas Epischeres oder wenigstens Tiefgründigeres daraus machen, wenn man „Meister Valek“ zum Ursprung des Vampirismus überhaupt erklärt, als ihm bessere Kammerjäger und Sprücheklopfer auf den Hals zu hetzen und so den Vampir-Mythos eben nicht nur zu variieren, sondern ihm eigentlich nicht wirklich gerecht zu werden.

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