Review

„Irrtum und Pervertiertheit existieren. Wir sind von teuflischer Gegenwart umgeben.“

Nach seinen „Reitende Leichen“-Filmen schrieb und inszenierte der spanische Genrefilmer Amando de Ossorio mit dem im Jahre 1975 veröffentlichen „Der Exorzist und die Kindhexe“ einen hübsch schundigen „Der Exorzist“-Epigonen, der zwar geschmacklos einige Sinti-und-Roma-Klischees ausbeutet, aber dennoch kaum versucht, sich wirklich von Friedkins großem Vorbild zu emanzipieren.

„Heutzutage pumpen sich die Jugendlichen voll mit Sex und Drogen auf der Flucht vor der Wirklichkeit.“

Eine der schwarzen Magie mächtige „Zigeunerin“ (Kali Hansa, „The Perverse Countess“) belegt Susan (Marián Salgado, „Tödliche Befehle aus dem All“), die jugendliche Tochter des reaktionären Bullen Mr. Barnes (Ángel del Pozo, „Horror-Express“), mit einem dämonischen Fluch, nachdem dieser wenig zimperlich gegen ihre Familie vorgegangen war und sie ihn mitverantwortlich für den Tod ihrer alten Mutter (Tota Alba, „Um sie war der Hauch des Todes“) macht. Susan ist nicht mehr wiederzuerkennen, verfügt über übernatürliche Fähigkeiten und schickt den einen oder anderen ihr unliebsamen Zeitgenossen über’n Jordan – denn der Geist der Toten hat Kontrolle von ihr ergriffen und sinnt auf Rache…

„Satan, erhöre uns! Gib uns deine Macht!“

Eine fluchende alte Hexe, Diebin und Kindesentführerin mit Haarausfall stürzt sich während eines Polizeiverhörs aus dem Fenster in den Tod – jene Mutter der jüngeren Hexe, die daraufhin Barnes‘ Tochter Susan eine Halskette und eine Dämonenfigur schenkt, die diese nichts Böses ahnend annimmt. Daraufhin beginnt Susan, Anne (Lone Fleming, „Die Nacht der reitenden Leichen“), die Assistentin ihres Vaters, und deren Freund Bill (Daniel Martín, „Für eine Handvoll Dollar“) zu beschimpfen wie ein Rohrspatz – dabei ist die Seele der toten Alten noch gar nicht in den Körper des Mädchens gefahren, dies geschieht erst in der nächsten Szene. Die Tochter des fahrenden Volkes, die den Fluch ausgesprochen hat – übrigens eine ausgesprochene Sexyhexy –, betreibt Mummenschanz und beschwört den Deibel, dem sich Susan dann in Trance verschreibt. Susans Gesicht verwandelt sich in das der Toten, was schauerlich grotesk aussieht und mittels großzügiger Make-up-Effekte inklusive Zeitraffer erreicht wird. Sie opfert ein Baby, dessen Blut ein Satanskult trinkt. Anschließend sieht sie wieder normal aus.

„Epilepsie, Drogen, Schizophrenie…“

In Sachen kruder Gewalt geht de Ossorio also wesentlich weiter als Friedkin und bricht das Tabu, dass keine Kinder getötet werden. Pater Juan (Julián Mateos, „Die Grausamen“) gegenüber stellt Susan völlig zurecht das Zölibat infrage, woraufhin de Ossorio respektive sein Cutter eine Rückblende installieren, die zeigt, wie Juan seine damalige Freundin sitzenließ, um Priester zu werden. In weniger irdisch-sachlich anmutenden Momenten kriecht Susan wie alldieweil Regan auf dem Rücken, bewegt sie Möbel und andere Gegenstände und spricht sie angeblich in etlichen verschiedenen Sprachen – woran man das Publikum aber nicht teilhaben lässt (wäre vielleicht zu aufwändig geworden). Geister- und Schwebeeffekte, durch die Wohnung hüpfende Kröten und klappernde Türen, ganz normaler Spuk also. So richtig aufhorchen lässt der Film aber, als man das Grab der Alten öffnet, sie verbrennt – und sich als noch gar nicht so richtig totgewesen erweist… Eine wahrlich schauerliche Szene.

„Ob Medizin oder Teufelsaustreibung – das ist mir vollkommen egal!“

Ein Doktor (Fernando Hilbeck, „Das Leichenhaus der lebenden Toten“) quatscht reichlich pseudowissenschaftliches Zeug daher, dass es – zumindest in der deutschen Synchro – ein wahres Vergnügen ist, und manch Seitenhieb auf die Sensationspresse verleiht dem Film sogar ein wenig Sozialkritik. Ein urplötzlich angerissener, aber im weiteren Verlauf keine weitere Rolle spielender Nebenhandlungsstrang um Juans Ex-Freundin Esther (María Kosty, „Das Blutgericht der reitenden Leichen“), die sich nun als Hure verdingt, Juan dafür die Schuld gibt und ihn zu sich bestellt, irritiert indes und reißt aus der eigentlichen Handlung heraus. Wieder interessanter wird es, wenn Susan mit verstellter Stimme Annes Freund herbeilockt… Anne bemüht sich derweil um den obligatorischen Exorzismus, der für Bill aber zu spät kommt: Susan tötet ihn und schneidet ihm seine Testikel ab. Als sie ein weiteres Baby entführt und dem Satanskult heranträgt, stürmt die Polizei die Party und ein fetter Schnauzbart erschießt unsere Sexyhexy ohne jede Not – das war Mord, Bulle!

Aber was war denn nun mit dem Exorzismus? Den handelt de Ossorio gegen Ende spontan anmutend, jedenfalls sehr rasch und unspektakulär ab, wahrscheinlich wohlwissend, dass er nicht in der Lage gewesen wäre, ein solch nervenaufreibendes psychologisches Duell wie einst Friedkin zu inszenieren. Immerhin wird in diesem Zusammenhang dann doch noch einmal Juans Verflossene kurz aufgegriffen. „Der Exorzist und die Kindhexe“ ist ein dreister, billiger „Der Exorzist“-Rip-Off mit mehr Toten und ein paar absonderlichen Ideen – und deshalb für Freundinnen und Freunde des schlechten Geschmacks ziemlich unterhaltsam!

Im Original handelt es sich bei Barnes übrigens um keinen Polizisten, sondern einen Politiker. Möglich also, dass die ursprünglich intendierten Dialoge einen höheren Anspruch verfolgen als die deutsche Fassung und sich kritisch mit spanischer Reaktion und Franco-Faschismus auseinandersetzen – angesichts des Erscheinungsjahres, nämlich dem des Todes Francos, vielleicht kein allzu weit hergeholter Gedanke, der meinen Eingangssatz von de Ossorios mangelnder Emanzipation von Friedkin relativiert.

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