Weder bin ich großer Nolan-Fan noch bin ich an Interstellar mit haushohen Erwartungen herangegangen.
Nach den teils euphorischen Reaktionen und Rezensionen wollte ich mir im Kino mit eigenen Augen ein Bild von diesem Filmphänomen machen.
Für mich gibt es drei Themenpakete, weshalb ich Interstellar für misslungen halte:
1.Schmalz und holzschnittartige All-American-Hero-Charaktere
Schon die Einführung der Familie auf einer dystopischen Erde zeigt mir nur stereotype Charaktere. Die zentrale Figur Cooper ist alleinerziehend, aufopfernd, schlau, mutig, rebellisch, kernig, cool und weder die untergehende Zivilisation noch die teils aufmüpfigen Kinder können ihn auch nur eine Sekunde aus der Ruhe bringen. Die zweite zentrale Figur, seine Tochter “Murph” scheint ebenfalls aus dem Charakter-Setzbaukasten: sympathisch unkonventionell, eigenwillig, hochbegabt, integer und süß. Bei allen Reibereien ist jeder für jeden da, wertschätzend. Hohle Phrasen, z. B. bei der Schulkonferenz, werden von Cooper ironisch demaskiert. Es ist die geballte Essenz aus amerikanischen Idealen, die diese Familie ausmacht. Das und der Hang der Inszenierung zu arg gefühlvollen Tönen in der Vater-Tocher-Beziehung, definieren für mich Kitsch, der versucht authentisch rüberzukommen. Für die meisten scheint das zu funktionieren, mich haben die Figuren kalt gelassen.
Ab der zweiten Hälfte im Film häufen sich die Flenn-Szenen nochmal massiv. Das ist alles hochemotional und sehr forciert. Das Sahnehäubchen ist eine kurze Ansprache über die Liebe, die nicht metaphorisch, sondern faktisch (!) als die Raum und Zeit überwindende Macht dargestellt wird, die alles lenkt. Dies wird tatsächlich in einem Gespräch unter Wissenschaftlern geäußert, mit dem Inbrunst der Überzeugung. Da bin ich vor Fassungslosigkeit fast aus dem Kinosessel gepurzelt.
2. Die mit wissenschaftlichen Details überfrachtete bzw. überkomplexe Handlung
Es wird extrem viel erklärt in Interstellar, ohne wirklich Wissen zu vermitteln. Was aber auch kein Wunder ist, weil die Konzepte um die es geht, hochabstrakt sind. Die Handlung ist gespickt mit wissenschaftlichen Details, mit denen man ganze Bibliotheken füllen könnte: Relativitätstheorie und die Natur der Zeit, Quantenmechanik, Wurmlöcher, Schwarze Löcher, 5-dimensionale Räume...
Im letzten Viertel herrscht dagegen Wundergläubigkeit vor, die wissenschaftlich verbrämt wird. Interstellar betritt esoterische Gefilde, beruft sich aber auf moderne Erkenntnisse und beharrt darauf, dass jedes Ereignis im Film logisch erklärt werden kann. Da steht er komplett im Gegensatz zu 2001, der sich eine mystische Dimension erhält und keine Erklärbär-Monologe absondert.
Ich bin nicht der Meinung, dass man jedes Detail verstehen muss, damit ein Film funktioniert und man kann dem Zuschauer auch zumuten um die Ecke zu denken und über seinen persönlichen Tellerrand zu schauen, aber auf mich wirkt Interstellar überambitioniert und streberhaft. Er ist einfach mit Ideen überfrachtet, was ihn zum perfekten Film für blasse Nerds macht, die in wochenlanger Arbeit jedes Detail recherchieren können, um die Handlung zu rekonstruieren.
3. Die Kernaussage des Films, die eher zu einem 1950er-Jahre-SF-Streifen passt und konservative Werte hochhält
Bei aller Kompliziertheit feiert der Film die einfache Lösung. Die Menschheit hat die Karre in den Dreck gefahren, aber nicht mit Mühe und vereinten Kräften versuchen sie die Karre wieder herauszuziehen, sondern „die Wissenschaft“ in Form der NASA soll die Hau-ruck-Lösung bringen. Im Auftrag der Wissenschaft fungieren heldenhafte Astronauten als Zünglein an der Waage.
Überhaupt wird „der Griff nach den Sternen“ glorifiziert, als Inbegriff menschlichen Fortschritts. Dazu passt Coopers cool-unangepasster Cowboystil. Interstellar ist schon ein sehr genaues Abbild konservativer amerikanischer Werte: das ganze Heroische, Wissenschafts- und Technikvertrauen,die tränenselige Vater-Tochter-Beziehung, das Hochhalten der Familienwerte, Liebe, ja die Liebe und unser Mann im All, der leicht rebellische, aber immer super-sympathische Cooper – Heureka.
FAZIT: Diese Negativpunkte wären für mich zu verkraften gewesen, wenn Interstellar einfach spannende Unterhaltung gewesen wäre. Mit fast drei Stunden Laufzeit zog sich der Film aber wie Kaugummi.
Beeindruckend sind am ehesten noch die visuelle Umsetzung und – ja – auch die Ideen und Details, wenn es nicht viel zuviele wären, dass einem bald der Kopf schwirrt. Die Filmmusik von Hans Zimmer hat mir anfangs mit ihrem kühl-kirchenorgelartigen Sound gut gefallen, aber im Laufe der Zeit wird sie doch recht penetrant, vor allem wenn die Musik Szenen übertönen will, die sowieso schon laut sind (z. B. beim Eintritt des Raumschiffs in die Atmosphäre).
So bin etwas zerschlagen aus dem Kino gewankt und es ist für mich schwer vorstellbar, dass sich jemand nach der ersten Sichtung Interstellar freiwillig ein zweites Mal antut. Mein Art von Kino ist das definitiv nicht.
Aber zweifellos hat der Film bei vielen einen Nerv getroffen, was an den Kritiken und Zuschauerreaktionen zu sehen ist.
5/10