Review
von Leimbacher-Mario
Chuckys langweilige Cousine
Das diabolische Aufbewahrungszimmer der Warrens bietet genug interessante, übernatürliche Requisiten für ein Dutzend Spin-Offs - doch wenig aus dem modernen Klassiker "The Conjuring" bot sich so an wie die Killerpuppe "Annabelle". Also erfahren wir in ihrem Stand-Alone-Film, wie sie ihre bisherigen Besitzer terrorisiert hat & warum der geweihte Glaskasten der Geisterjäger nicht umso so umhütet wird. Durchaus verdient dieser Film, doch die gerade angekündigte Puppen-Fortsetzung hätte ich lieber gegen die Geschichte einer weiteren Warren-Anekdote eingetauscht - denn ein "Annabelle"-Film reicht nicht nur dicke, er ist auch gar nicht mal so gut.
Ich benutze ihn, zusammen mit "Ouija", zwar des Öfteren als Beispiel für einen flachen, mauen Mainstream-Horrorfilm, bei dem maximal einmal Streamen reicht, doch die Voll-Katastrophe ist er jetzt nicht. Zumindest aus Sicht eines Fans des grusligen Genres sollte man ihn nicht komplett vorverurteilen. Wenn man keinen Klassiker erwartet & "Conjuring"-Vergleiche heranzieht, kommt die gemeine Puppe sogar noch durchschnittlich weg. Selbst wenn das "Chucky" vor 30 Jahren schon besser gemacht hat & in einem Jahr voll gutem Mainstream-Horror ("Don't Breath", "Lights Out", "Conjuring 2") die gammelige, starre Puppe dann doch wieder arg billig & statisch wirkt.
Mit einer überraschend dichten Atmosphäre & seinem hochwertigen Retro-Look punktet "Annabelle" - mit "Rosemaries Baby"-Gedanken hätte ich hier nie gerechnet, doch ich hatte sie. Dazu kommt eine durchaus kompetente Besetzung & ein Ehepaar/junge Eltern, mit denen man phasenweise mitfiebert, denen man kein Bad-End gönnt. Selbst wenn es Charakterschablonen sind - fürchtet man nicht immer um ein bedrohtes, unschuldiges Baby? Außerdem mochte ich den Sound der 60s & das Hintergrundwissen um den satanistischen Kult vom Beginn.
Doch leider verspielt "Annabelle" diese guten Ansätze & einige wirklich gruselige Passagen, mit handwerklich & dramatischen Anfängerfehlern bzw. ärgerlicher Oberflächlichkeit. Klischees, die man hundertfach kennt, findet man hier an jeder Ecke. Dazu billigste Jump-Scares & Tinitus-Geräusche, eine vorhersehbare Story & einfach zu wenig Tiefgang. "Annabelle" ist also doch das Musterbeispiel von momentanen Horror-Grossproduktionen - solide gemacht, glatt gebügelt, mutlos. Entweder für abgehärtete Genre-Fans die alles gucken, oder für leichte Beute bzw. Horror-Neulinge & Gelegenheitsgucker.
Fazit: lahmes "Conjuring"-Spin-Off oder gelungener Retro-Puppen-Horror? Die Wahrheit liegt wohl irgendwo dazwischen, mit Hang zum safen Cash-Grab. Noch eine "Annabelle" braucht kein Mensch. Ausser die Studiobosse.