Geradezu hinreißend fehlkonzipiert und dazu noch von einem Filmemacher wie Alfonso Brescia („Sie hauen alle in die Pfanne“, „Battle of the Stars“), dessen handwerkliche Qualitäten auch noch zu wünschen übrig lassen, kann „Sein Wechselgeld ist Blei“ trotz seiner Ambitionen ohne Vorbehalte in die unübersichtliche Grabbelkiste geworfen werden.
Denn so episch man hier mit dem Bürgerkrieg, Liebe, Verrat, Tod, Verlust und natürlich auch Rache auch aufziehen will, so mustergültig scheitert man auch und das liegt nicht nur daran, dass Leonardo DiCaprio-Verschnitt Peter Lee Lawrence („Die Rechnung zahlt der Bounty-Killer“, „Sando Kid spricht das letzte Halleluja“) alles viel zu kompliziert gestalten muss.
Missouri wurde gleich zu Beginn des amerikanischen Bürgerkriegs vom Norden besetzt und sah sich den Soldaten hilflos ausgesetzt. Die Sklaven flohen und ohne diese Arbeitskräfte drohten die Farmen nicht weiter bestellt zu werden. Johs (Peter Lee Lawrence) und sein Bruder Hank (Lucio Rosato) halten dem im Rollstuhl sitzenden Farmer Evans (Andrea Bosic, „Halleluja Companeros“, „Panzerschlacht an der Marne“) dennoch die Treue, zumal sie ein Auge auf seine hübschen Töchter Lizzy (Rosalba Neri, „Seine Winchester pfeift das Lied vom Tod“, „Johnny Yuma“) und Christine (Beba Loncar) geworfen haben. Als Johs einen angeheuerten Cowboy vom Hof jagt, der Lizzy vergewaltigen wollte und der wenig später mit einem Trupp Nordstaatler zurückkehrt, die Hank nebst Lizzy erschießen, hat Johs nur noch eins im Sinn – Rache. Er schließt sich dem Guerillatrupp von Butch (wieder in Bestform: Nello Pazzafini) an...
Was wie eine interessante Charakterstudie beginnt, artet schnell in einen mittelklassigen Italowestern voller Fehler aus. Denn Johs ist zu Beginn eine eher friedfertige Figur, die dem Norden sogar Recht gibt und Töten als letztes Mittel sieht, nach dem Tod seines Bruders, von Rachegefühlen getrieben, dem Hass jedoch freien Lauf lässt und nach einigen Attacken mit Butchs Bande auch alle Skrupel ab. Der Einfluss der Gewalt auf das Wesen des Menschen? Als intelligenter Ansatz sicherlich lobenswert, aber leider nie Ziel des Films, der über seine bloße Vorgabe nie hinauseilt.
Schwer tut sich der Film in der deutschen Fassung an der in diesem Fall unpassenden und leider ausnahmsweise auch nicht gelungenen Witzsynchronisation Rainer Brandts, die kein bisschen zum Geschehen passt, allerdings auch nur zeitweise zum Tragen kommt, während Brescia, so einsilbig er ansonsten auch filmt und instruiert, ein paar ziemlich rasante Szenen gebacken bekommt – u.a. der halsbrecherische Kutschenüberfall.
Doch eigentlich soll dies nur die viel zu lange Exposition für das folgende Szenario nach dem Bürgerkrieg sein. Denn dort treibt sich dann Johs, dessen Anhaltspunkt der Identität des Mörders nur eine Medaille ist, als Gesetzloser herum, während seine opportunistische Angebetete Christine sich ausgerechnet mit dem heimlichen Mörder Clifford (Luigi Vannucchi) eingelassen hat, der nun in ihrer Heimat offiziell zwecks Requirierung eingesetzt wird und Evans Ranch will. Lange Rede, kurzer Sinn, Johs schaut nach langer Zeit auf der Flucht mal wieder auf dem Gut vorbei und sieht beide in trauter Zweisamkeit, ist angepisst und flüchtet mit ihr im Gepäck schließlich vor den anrückenden Häschern, geführt von Clifford selbst, gen Mexiko. Will der doch Christine für sich beschlagnahmen...
Der Rest ist Daily Soap und zwar keine besonders gute, denn verraten und verkauft, vertraut Johs Christin, die er einst so liebte, nicht mehr. Die wiederum entdeckt ihre Gefühle für ihn wieder und das zieht sich trotz weniger Unterbrechungen.
Die sind dann auch noch meist von fragwürdiger Natur. So schließt sich beispielsweise Nathan den Verfolgern mit an, obwohl er den wahren Mörder eigentlich identifizieren kann und schleicht sich nachts zu Christine, um sie instruieren anstatt mitzunehmen. Warum er als Sklave überhaupt auf Evans Farm blieb und sich nie äußert bleibt ungeklärt. Übrigens genau wie die Tatsache, dass Johs aus dem Leichnam seines Bruders noch extra die tödliche Kugel holte, obwohl er schon das Medaillon als Anhaltspunkt hatte, und später feststellt, dass das Kaliber nur für einen seltenen Gewehrtyp verwendet wird. Der Junge muss ein wandelndes Waffenlexikon sein. Ich ziehe mich hier nicht an Kleinigkeiten hoch, denn es gibt noch mehr solcher Unwahrscheinlichkeiten die jedem halbwegs aufmerksamen Zuschauer leider sofort auffallen. Das sind nur die krassesten Fehler des schlampigen Drehbuchs.
Die Action kann es bisweilen noch richten, aber großartig und spannungsintensiv ist selbst das Finale nicht, wo Brescia dann ein kleiner Leone sein möchte und gründlich scheitert. Zu den Bildern hatte wohl selbst Star-Komponist Bruno Nicolai keine Lust mehr als Auftragsarbeit zu leisten. Ich kann es ihm nicht verdenken.
Nie kommt Schwung in die Angelegenheit. Die Vorhaben werden zwar in aller Ausführlichkeit erläutert, aber nicht mit Leidenschaft umgesetzt. Es fehlt an düsterer Atmosphäre und Charakteren, die über die Funktion von Abziehbildern hinausgehen. Mit Joshs wird sich noch am ehesten anfangs auseinandergesetzt, um das später ganz aufzugeben und sich in das banale Flucht- und Racheszenario zu stürzen.
Etliche Figuren wie Evans, der überhaupt keinen Durchblick hat, oder Nathan, der zwar den Durchblick hat aber lieber die Scheuklappen aufsetzt, verhalten sich total närrisch und leider besitzt Peter Lee Lawrence auch nicht die darstellerischen Möglichkeiten seinem Filmego Sympathien abzuringen. Mit ihm fiebert man als Zuschauer jedenfalls gewiss nicht, obwohl ihm alles genommen wird – selbst die Freundschaft. Dafür ist er einfach zu lieb. Er guckt nur böse, handelt aber nie so.
Fazit:
Die Charakteristika des Italowesterns sind abseits des Leitmotivs mir der Lupe zu suchen. Eingebettet in eine harmlose Inszenierung von Alfonso Brescia vollzieht sich ein uninteressanter Rachetrip der üblichen Gangart ohne Rasanz, Leidenschaft und Emotionen. Viele Motive bleiben dank es schlampigen Drehbuchs im Dunkeln, wobei eventuelle Kürzungen der Handlung noch etwas retten können. Aber das glaube ich nicht.
Auch die Darsteller überzeugen kaum, sind von ihren Rollen allerdings offensichtlich gelangweilt und drücken dies auch dementsprechend aus. Soweit kompetent in Szene gesetzt ist die Chose zwar, aber genauso distanziert läuft sie auch vor dem Zuschauer ab. Naja, ich mag es eben gern ein paar Takte düsterer. „Sein Wechselgeld ist Blei“ bleibt damit letztlich etwas für Western-Fans, die auch etwas für die Italo/U.S. – Bastarde übrig haben. Dazu zähle ich gewiss nicht.