„Derailed“, „Death Train“, „Atomic Train”, „Speed Train” oder auch „Steel Train” – die Liste unkontrollierbarer oder entführter Züge im B-Action-Genre ist lang und die Vertreter meist unterdurchschnittlich. „Con Express“ hebt sich überraschenderweise wohltuend von ihnen ab. Eine Überraschung deswegen, weil es eine der letzten P.M. Entertainment Produktionen war, bevor die B-Movie-Schmiede die Pforten schließen musste und zu der Zeit entstandene Filme wie „Epicenter“ fast nur noch aus entliehenem Material bestanden.
Pluspunkte sammelt „Con Express“ allein schon, weil er nicht in Osteuropa sondern in Salt Lake City heruntergekurbelt worden ist, auf dem Regiestuhl der sehr talentierte Filmemacher Terry Cunningham („The Chaos Factor“, „Elite“) saß und hinter der Kamera mit David Bridges jemand Platz nahm, der sich unter B-Routinier Anthony Hickox („Storm Catcher“) seine Sporen verdient hat. Da trüben der Szenenklau aus „Runaway Train“ sowie diverser Stock-Footage-Einsatz bei allen Kampffliegerszenen jedenfalls nicht mehr ganz so sehr den Filmspaß.
„Con Express“ ist mit seinen 85 Minuten Nettolaufzeit ein kurzweiliges, überraschend professionell inszeniertes B-Movie geworden, wie man es zu der Zeit eigentlich kaum noch zustande brachte. Die verschneiten Berge und Landschaftspanoramen tragen ihren Teil dazu bei.
Leider herrscht in der ersten Hälfte ein eklatanter Actionmangel, was Cunninghams Aussage in einen Interview (auf der DVD zu finden), dass Budgetschwierigkeiten zu einer Drehbuchüberarbeitung führten (die ursprüngliche Idee wäre niemals realisierbar gewesen) unterstützt. Alex Brooks (Sean Patrick Flanery, „D-Tox“, „Best Men“), Angestellter bei der Zollbehörde, muss die Geschehnisse nämlich während eines Bewerbungsgespräch wiedergeben, was im Endeffekt dazu führt, dass das Tempo total verschleppt wird und außer einer ordentlich inszenierten, unblutigen Schießerei in den ersten 45 Minuten nichts zu sehen gibt. Immerhin wird dabei jedoch, vor allem dank der Nebelspielereien und dem Auftreten der Darsteller, deutlich, dass Cunningham über mehr Talent als Flachzangen wie Yossi Wein oder Jim Wynorski verfügt.
Die zweite Hälfte ist da schon besser. Der schon zu Beginn verhaftete russische Ex-General Anton Simeonov (Arnold Vosloo, „Darkman“, „The Mummy“) soll aus den kalten Bergen per Flugzeug nach Washington überführt werden, doch einer seiner getarnten Handlanger vereitelt das, die Maschine schmiert ab und wird von der russischen Top Agentin Natalya (unser wenig erfolgreicher Export Ursula Karven) gelandet. Während Simeonov sich aufmacht, um das extrem gefährliche Kampfgas aus dem ebenfalls durch die Berge rasenden Zug zu holen, sind Natalya und Alex nach anfänglichem gegenseitigen Misstrauen (was Doktorspielchen nicht alles beheben können...) dem Bösewicht auf den Fersen.
Die zweite Hälfte des Films gestaltet sich recht kurzweilig und überzeugt mit seiner für B-Verhältnisse spektakulären Inszenierung. Die Idee einen mit gefährlichen Kampfstoffen geladenen Zug mit einer Lawine aufzuhalten, ist jedoch unverfroren blöd und sorgt dann für einen exzessiven Einsatz von Stock Footage (Kampfjets, Raketen, ausgelöste Lawinen – kein Plan woher das alles stammt). Überzeugend ist jedoch das, was Cunningham dann tatsächlich selbst inszeniert. Die Übernahme des Zugs erfolgt mittels ausführlichem Schusswaffeneinsatzes (Da wird dann auch mal gnadenlos auf die gefährlichen Fässer gehalten...) und hat einige tolle Stunts (Laufen und Ballern auf den Dächern der Waggons) zu bieten. Zu einem richtigen Showdown will es hier, genau wie wenig später am Flugplatz, dann nicht kommen und auf ein todbringendes Duell wartet man dann auch vergebens. Doch dafür entschädigt „Con Express“ mit einer überraschenden Wende und einer, leider aus "Stop! Or My Mum Will Shoot" geklauten, Flugzeugausbremsung mittels durch Propeller zerlegten Lkw.
Nicht nur die Inszenierung, sondern auch die Schauspieler hinterlassen einen klar überdurchschnittlichen Eindruck. Arnold Vosloo hätte als dämonischer Oberbösewicht von mir noch viel mehr Screentime bekommen, Flanery schlägt sich Helfer in der Not gut, wird aber nie zum richtigen Filmhelden und Ursula Karven sieht auch mit 38 noch gut aus – was sie dann natürlich auch zeigen muss. By the way gibt sie im, auf der deutschen DVD befindlichen, Interview, neben inhaltslosem Gestammel, auch ein witzige paar Anekdoten vom Dreh zum besten. In einer Nebenrolle ist übrigens Pyun-Spezi Tim Thomerson („Nemesis“, „Blast“) zu sehen.
„Con Express“ stellt den B-Action-Fan in fast jeder Hinsicht zufrieden, auch wenn die erste Hälfte etwas actionarm ausfällt. Cunninghams Talent wird insbesondere in den Shootouts deutlich. Blutige Einschüsse werden nur sparsam genutzt, dafür darf Rücken an Rücken geballert, durch Fensterscheiben gehüpft und vor Explosionen geflüchtet werden. Die wenigen CGI-Tricks (Entgleisung des Zugs) werden durch schnelle Schnitte ordentlich kaschiert.
Fazit:
Einer der bestinszeniertesten B-Actionfilm der letzten 4 Jahre enttäuscht mit einer mageren Hälfte, liefert dafür im zweiten Teil erstklassige B-Unterhaltung ab. Es mangelt „Con Express“ zwar an einem ordentlich aufgebauten Showdown und echten Duellen, doch Kurzweiligkeit, gute schauspielerische Leistungen, ein spannungsfördernder Score und spektakuläre Stunteinlagen sind ihm nicht abzusprechen. Da stört der in diesem Fall geschickte Zelluloiddiebstahl, mal abgesehen vom Lkw-Schredder, gar nicht mehr so.