Review

„Ich kann nur sagen, sie sieht, ähm…“ –…grässlich aus! Grauenvoll!“ – „Nein, ich habe eigentlich nur an etwas gedacht wie... romantisch.“ – „Wie wär’s mit... unheimlich?“

Nach einer ganzen Reihe an Arbeiten fürs Fernsehen, vornehmlich für Serien, lieferte der britische Regisseur David Greene („U-Boot in Not“) im Jahre 1967 mit dem Horrorfilm „Die verschlossene Tür“ sein Kinodebüt ab.

Die in einem kleinen Fischerdorf auf einer britischen Insel aufgewachsene Susanna Kelton (Carol Lynley, „Beware! The Blob“) hat in New York ihren Mann Mike (Gig Young, „Mein letzter Kampf“) geheiratet. Nach einigen Jahren kehrt sie mit Mike auf die Insel zurück, um einem alten Kindheitstrauma auf die Spur zu kommen: In der elterlichen Mühle, in der sie früher lebte, wurde sie als Kind von etwas Unheimlichem bedroht, als sie im Bett lag. Was hat es damit auf sich? War es nur ein böser Traum? Leider stößt die Anwesenheit der Stadtmenschen unter der ruppigen Bevölkerung, insbesondere bei einer Bande Halbstarker, auf wenig Gegenliebe...

Greenes Film über ein dunkles Inselgeheimnis ist dem Suspense-Bereich zuzuordnen; explizite, blutige Grausamkeiten bekommt man keine zu sehen. Inseln, auf denen ob ihrer Abgeschiedenheit und Isolation mehr oder weniger eigene Gesetze herrschen und deren Bewohner allem, was von Außerhalb kommt, skeptisch bis ablehnend gegenüberstehen, sind ein dankbares Motiv für einen Film dieser Art. So bekommt man einen schrulligen, undurchsichtigen Charakterkopf nach dem anderen zu Gesicht, mit denen die Städter konfrontiert werden. Die eigentliche Handlung wurde um einen sehr dominanten Nebenkriegsschauplatz um den von einem bulligen und bestens aufgelegten Oliver Reed („Der Fluch von Siniestro“) als Ethan angeführten Haufen dreckiger, aggressiver Landeier erweitert, der Susanna und Mike das Leben schwer macht. Besonders Ethan hat etwas dagegen, dass die mittlerweile stillgelegte, verwaiste Mühle in Susannas Besitz übergeht, ist aber gleichzeitig unheimlich scharf auf die attraktive Stadtmieze, wofür er seine einheimischen, rustikaleren Gespielinnen vernachlässigt. Das klassische „Culture Clash“-Thema also, überspitzt wiedergegeben und wenig gutes Haar an den auch vor Vergewaltigung nicht zurückschreckenden jungen Männern lassend. In diesem Rahmen darf Gig Young sogar seine Karatekünste zum Besten geben und sich mit der Bande herumprügeln.

Differenzierter gezeichnet wurde Susannas Tante Agatha (Flora Robson, „Kampf der Titanen“), die zunächst den Eindruck macht, nicht alle Tassen im Schrank zu haben, jedoch zu einer wichtigen Schlüsselfigur wird – was bereits mit Einführung ihrer Rolle zu erahnen ist. Was „Die verschlossene Tür“ aber eigentlich ausmacht, sind insbesondere zwei Aspekte: Zum einen ist es die Stimmung, die Greene zu erzeugen wusste. Er braucht keine nebelverhangenen Nächte bei Gewitter oder ähnliche klischeebehaftete Genrecharakteristika, um eine gruselige Gänsehaut-Atmosphäre zu erschaffen. Er weiß, dass derartige Traumata allgegenwärtig sind, insbesondere, wenn man die mit ihnen verknüpften Orte wieder aufsucht. In sonnendurchfluteten, staubigen, hellen Bildern zeigt uns Greene den leicht paranoiden Horror des Alltags in einer fremdgewordenen Umgebung, projiziert das Gefühl latenten, doch permanenten Unwohlseins auf sein Publikum. Dies gelingt vor allem, und damit komme ich zur zweiten großen Stärke des Films, durch eine Kameraführung, die bereits im grandiosen Prolog den maximal möglichen Schauer aus subjektiver „Point of View“-Perspektive aus Sicht des unheimlichen Etwas, das aufs Kinderbett zuwankt, herausholt und mithilfe derselben Technik immer wieder beobachtende Blicke aus der alten Mühle entsendet, was dem Zuschauer zu einem Wissensvorsprung gegenüber den Protagonisten verhilft und das ungute Gefühl des Ausgeliefertseins in der isolierten Fremde erzeugt und bedient – durchaus vergleichbar mit der in den stärkeren Momenten vorherrschenden Atmosphäre in Joe D’Amatos „Man-Eater“. Darüber hinaus zelebriert die Kamera geradezu eine hochästhetische Bildgestaltung, die u.a. interessante Perspektiven bietet, beispielsweise wird immer wieder durch Glasfenster gefilmt, und seien sie auch noch so klein oder schmutzig, sich für ihre Dynamik an sich in den Details wiederfindenden Formen und Linien der authentisch wirkenden Kulissen orientiert und genau weiß, wann sich ein in die Tiefe gehendes Panorama und wann ein Zoom auf Gesichter anbietet. Das sollte zwar eigentlich selbstverständlich sein, geschieht hier aber auf eine oftmals durchaus originelle, positiv überraschende Weise. Nicht so sehr viel weniger bedeutsam für das Gelingen der atmosphärischen Dichte ist mit Sicherheit der Soundtrack, der häufig mit minimalistischen Tonabfolgen arbeitet, um die Stimmung einzelner Szenen zu unterstützen, ohne sich allzu sehr in den Vordergrund zu drängen. Um es auf den Punkt zu bringen: Schauspieler, Regie, Kamera und Musik harmonieren ganz wunderbar miteinander.

Zum Knackpunkt wird letztlich leider die Handlung, die in einem Finale mündet, das enttäuschend ausfällt, ja, streng genommen nur enttäuschen konnte, nachdem man auf die beschriebene Weise Spannung und Grusel erzeugt hatte. Die Gestalt hinter der verschlossenen Tür kann nicht halten, was zuvor versprochen oder zumindest suggeriert wurde und es erscheint doch arg unglaubwürdig, wie sie in der Lage gewesen sein soll, ihre Opfer zu töten. Stattdessen bekommt der Film zum Ende hin viel – zu viel – von einem Familiendrama verpasst und erzeugt plötzlich tatsächlich mehr Mitleid als Horror. Mit der obligatorischen Feuersbrunst stahl man sich sodann auch denkbar einfach aus der Affäre. Schade, denn „Die verschlossene Tür“ hatte nun wirklich irrsinnig viel Potential, krankt aber an seinem Finale. Für Filmästheten und Suspense-Horror-Freunde dürfte David Greenes Film dennoch ein Genuss sein.

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