Pavlowscher Reflex, manchmal hasse ich dich.
Da braucht nur ein findiger Filmemacher im Vorspann darauf zu verweisen, daß er hier etwas präsentiert, daß aus der Feder von Horror-Großmeister Howard Philips Lovecraft stammt (inclusive seines Nachlaßverwalters literarischer Natur: August Derleth) und schon setzt die Sekretbildung ein. Also flugs mal weitschweifig gesucht und fündig geworden: "Die verschlossene Tür" von 1967.
Falls jetzt jemand Hals über Kopf zum Bücherregal stürzt, um in seinen vielfarbigen Ausgaben des Cthulhu-Mythos und seiner Angehörigen nach eben dieser Story zu suchen, wird wohl enttäuscht zurückkehren, denn maximal beruht die Story auf Notizen oder Anregungen von Lovecraft und was schließlich die Filmemacher aus der Story gemacht haben, hat mit den Großen Alten so viel zu tun wie meine Omi mit einem Narwal am Nordkap (also die Stricknadel und die trägt Omi nicht am Kopf rum...)
Worum es in diesem fast vergessenen Suspenser denn so geht: vorzugsweise um ein unwahrscheinliches Ehepaar auf Reisen. Es handelt sich dabei um den schon leicht angejahrten Gig Young als Dr. Mike Kelton (der ein gutes Jahrzehnt später solchen Filmen per Suizid aus dem Weg ging), der sich lustig bereiterklärt hat, mal den Wurzeln seiner Frau Susannah (Carol Lynley) hinterher zu spüren. Zu diesem Zweck reist er mit ihr auf eine kleine Insel vor der Küste von Massachussetts (die Drehorte lagen übrigens in England, was man nicht merkt), wo ihre Familie, die Whateleys immer noch leben. Zwar fährt dort niemand sonst hin, aber das kann unsere Ausflügler nicht abschrecken, auch nicht ein lauwarmer Empfang entfernter Verwandter (einen ziert der narbige Verlust eines Auges) und die Info, daß Susannahs (die eigentlich Sarah heißt) Eltern wohl vom Blitz getroffen wurden, nachdem sie sie zur Sicherheit als Kind nach New York gaben.
Wie es dazu kam, kann man gleich zu Beginn genießen, wenn in einem wunderbaren POV-Track eine unbekannte Gestalt die Einwohner einer Mühle stalkt und schließlich in einem Dachbodenraum zurückgedrängt wird, wo sich besagte titelgebende Tür befindet.
Die Nachricht, daß man die "Mühle" jetzt wieder in Besitz nehmen möchte, um etwas Hotelähnliches daraus zu machen, versetzt die Inselbevölkerung in helle Aufregung, alle sind bis zur lethalen Dosis begeistert. Wer jetzt aber seinen Lovecraft (und seinen Derleth) gelesen hat, erwartet nun alte Flüche, Steinkreise, seltsame Zeichnungen, finstere tentakelige Wesen und abscheuliche Monströsitäten, die die Degeneration der Bewohner indirekt mitbewirkt haben. Schließlich kennt man den Clan der Whateleys aus Lovecrafts sensationeller Erzählung "The Dunwich Horror" - und Kundigen gelten sie nicht gerade als ideale Nachbarn.
Aber hier: nix ist es mit den Kräften des Unbekannten, allenfalls sind die Inselbewohner so kooperativ, wie man das als Durchschnittspreuße in einem oberbayrischen, niederschwäbischen oder süderhessischen Dorf zu Besuch erwarten könnte, solange noch kein Bier oder Wein auf dem Tisch steht. Bißchen mißtrauisch und kurz angebunden, aber durchaus nicht unwillig. Die größte Gefahr geht von einer Gruppe von Berufsjugendlichen/Dorfdeppen/Möchtegernrockern aus, die keine nähere Funktion haben, als Tünnes zu machen, durch die Gegend zu heißen oder den leicht unterdurchschnittlich gebildeten Dorfschlampen mal unter den Rock zu greifen. Das soll wohl abgründig sein, wirkt aber eher wie die Spätfolge eines typischen Mr.America-meets-the-evil-Rockers-Films aus den seligen Tagen des frühen RocknRoll.
Pluspunkt: Anführer dieser lauernden Deppen ist unser liebstes Filmmonster aus England: Oliver Reed, der auch hier wieder irgendwo zwischen schleimigen Schwiegermutterliebling und blutrauschendem Krümelmonster agiert. Eigentlich ist die Mühle ja ihm versprochen (obwohl er zugibt, nie reingehen zu wollen), was ihn arg vergrätzt und weswegen er sich auch bei Omi/Tantchen beschwert. Die residiert in einem alten Leuchtturm (tolle Location) und starrt aufs Meer hinaus und wenn so eine Figur von Flora Robson gespielt wird, dann ist schon mal Qualität angesagt.
Tja, und dann darf man vermuten, daß die POV-Gestalt ja wohl immer noch in der Mühle haust, die inzwischen mit ordentlich Spinnweben dekoriert wird und die von Miss Lynley ohne größeres Talent dazu mal eben besenrein gewischt wird.
Sonst passiert hier eine Weile (eine sehr lange Weile) eigentlich nicht viel. Die Jungs provozieren das Pärchen, Kelton erweist sich als notfalls recht geschickt mit der Handkante, dann entführen sie ihn mal wieder und quälen ihn und er entkommen und mischt sie wieder auf - und ja, ich hab auch auf den Horror oder den Thriller gewartet.
Aber bei kleinem Budget muß man eben improvisieren und strecken und so dauert es bis ins letzte Drittel, ehe der Gast unter dem Dach dann endlich mal aktiv wird und auch jemanden meuchelt und dann ist auch schon das Finale mit der Auflösung da. Ich sag mal als Hausnummer: Mühlenbrand in Rügenwald und wer da nun wirklich oben mit den Ketten rasselt, wird nicht verraten, allerdings ist die Auflösung deutlich unspektakulärer als man es gern hätte.
Das mag jetzt langweilig klingen, trotzdem hab ich dieses vergessene Perlchen irgendwie in mein Herz geschlossen. Das mag an der teilweise enorm guten Ausstattung und den wunderbaren Drehorten liegen, allein die Leuchtturmszene gegen einen knallblauen Himmel ist einfach Bombe und verspricht Dinge, die nur das Drehbuch nicht halten kann. Reed ist wie immer eigentlich den ganzen Film wert und Young bemüht sich nach Kräften, gegen seine Unterforderung anzuspielen.
Etwas mehr Mystik, Mystery und Horror hätten dem Film gut getan, aber die Kameraführung ist hervorragend, die Atmosphäre stimmt und die Farben hauen enorm gut rein, so daß David Greenes Filmdebüt (er war aber bereits ein solider TV-Regisseur) durchaus als Bastard zwischen klassischem Horror der Hammerschiene und modernen Thrillern der 70er angesehen werden darf.
Mit Derleths Story hat das alles natürlich praktisch nur den Namen gemein, aber wer eine gute DVD auftun kann, mag sich an Stimmung, Licht und Atmosphäre satt sehen und vergessen, daß es hier mit Blut und Gewalt eher zahm zur Sache geht. (5/10)