Besonders eingeprägt hat sich mir aus dem Film "Shrew's Nest", oder wie er im Original heißt: "Musarañas" ("Spitzmäuse"), das Zitat aus einem Rückblick von Nia, der jüngeren von beiden Schwestern, die im Mittelpunkt des Films stehen. Sinngemäß sagt sie, ihre (deutlich ältere) Schwester habe ihr vor dem Schlafen immer etwas aus einem Buch vorgelesen, in dem Menschen einander böse Dinge antun und ein allmächtiger Dämon diese Menschen unablässig beobachte. Bei dem adäquat beschriebenen Buch handelt es sich um nichts anderes als die Bibel. Wie sich schon zu Beginn herausstellt, hängt über dem gesamten Filmgeschehen der böse Schatten des sexuellen Missbrauchs, dem die ältere Schwester Montse, beklemmend intensiv gespielt von Macarena Gómez, von ihrem Vater (kongenial von unter dicken Brauen finster hervorblickenden Luis Tosar gespielt, den Fans des spanischen Genrekinos aus dem fiesen Thriller "Mientras duermes" - "Sleep Tight" - kennen könnten) unterworfen wurde, wovon sie bis hin zum Wahnsinn psychisch deformiert ist und unter anderem unter einem agoraphobischen Zwang leidet, niemals die eigene Wohnung verlassen zu können.
Der Film nimmt vor allem die Perspektive ihrer jüngeren Schwester ein, die von ihrer Schwester vor dem Bösen in ihrem Elternhaus geschützt wurde und so die psychisch gesunde Perspektive auf das Geschehen repräsentiert. Oberflächlich gesehen erinnert ein Teil des Geschehens an Stephen Kings psychodramatischen Roman "Sie" - "Misery" -, das Handeln von Montse erfolgt aber unter anderen Aspekten, nicht zuletzt da sie selbst kaum minder gefangen in ihren Ängsten ist, als sie es dem zufällig in ihre Fänge geratenen Carlos bereitet. Es entwickelt sich eine Dreiecks- und Eifersuchtsgeschichte zwischen Montse, Nia und Carlos, die in einem explosiv gewalttätigen Ende kulminiert, das mancher Zuschauer wohl eher kritisch beäugen dürfte und mit bizarren Gewaltakten ein bisschen wie ein Zugeständnis an Fans des Horrors anmutet, der im Großteil des Films ja in erster Linie subtil in den drohenden Blicken von Luis Tosar und im verzweifelten Ausdruck von Macarena Gómez seine einschneidende Wirkung entfaltet.
Starkes Psychodrama mit Thriller- und Horrorelementen, eine Bestätigung des hohen aktuellen spanischen Genrefilmstandards.