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Jake Gyllenhaal spielt einen jungen Ehrgeizling, der erfolglos nach einem Job sucht, während er sich mit diversen legalen und illegalen Aktivitäten über Wasser hält. Eines Nachts wird er Zeuge eines Unfalls. Dabei sieht er auch, wie ein anrückendes Kamerateam das Unfallopfer und die Helfer filmt, um das Videomaterial anschließend meistbietend an einen der lokalen Nachrichtensender zu verkaufen. Daraufhin kauft er sich eine Kamera und geht als „Nightcrawler“ selbst auf die nächtliche Jagd nach möglichst blutigen Bildern. Für diese schreckt er vor nichts zurück.

Ein Film aus dem Nichts. So lässt sich „Nightcrawler“, der zwischen „Interstellar“ und „Die Tribute von Panem“ trotz guter Kritiken leider ein wenig durchs Raster zu fallen droht, wohl charakterisieren. Regie der beschaulichen 8,5-Millionen-Dollar-Produktion führte der Neuling Dan Gilroy, wobei mit Jake Gyllenhaal zumindest ein namenhafter Hauptdarsteller mit von der Partie war. Überraschenderweise ist Gilroy mit „Nightcrawler“ dabei gewissermaßen im Windschatten der großen Blockbuster der beste Film des Jahres gelungen.

Das Bemerkenswerteste an „Nightcrawler“ ist neben dem grandiosen Hauptdarsteller, über den an anderer Stelle noch zu sprechen sein wird, dass er auf drei Ebenen funktioniert. Der Film ist eine zynische Mediensatire, eine verstörende Charakterstudie und zugleich ein spannender Thriller, wobei alle drei Ansätze für sich genommen ausgezeichnet funktionieren, während Gilroy, der auch für das Drehbuch verantwortlich ist, sie hervorragend und nahtlos zur Synthese verknüpft. Diese wird flüssig und ohne Brüche erzählt und garantiert einen unvergesslichen Kinoabend.

Der Protagonist erscheint anfangs vor allem ehrgeizig. Er bittet einen Mittelständler, dem er geklauten Stahl verkauft, um einen Job, zählt in Windeseile seine persönlichen Vorzüge sowie seinen Masterplan für die nächsten Jahre auf, blitzt aber zunächst ab. Sein Background, seine familiären Verhältnisse bleiben zunächst offen, dass er im Grunde kein Privatleben hat, kristallisiert sich dann nach und nach heraus. Mit zunehmender Laufzeit blickt Gilroy immer eindringlicher und schonungsloser in die seelischen Untiefen seiner Figur, die vor immer weniger zurückschreckt, nicht nur Diebstähle und Einbrüche begeht. Der Nightcrawler entpuppt sich vor allem als ein extrem rationaler, berechnender Nihilist, als ein Soziopath, der zu menschlichen Regungen nicht fähig zu sein scheint. Seine Gefühlskälte, sein menschenverachtendes Verhalten stellt Gilroy immer schonungsloser zur Schau, was emotional extrem aufwühlt. Der Protagonist schaut zu, wie Menschen vor seiner Kamera sterben, statt ihnen zu helfen, er setzt sein Leben und das seines Partners aufs Spiel, um möglichst schnell am Ort des Verbrechens zu sein und immer, wenn man geneigt ist zu glauben, dass es schlimmer nicht werden kann, offenbart Gilroy neue Abgründe, er erspart dem Zuschauer wenig. Der Nightcrawler geht immer weiter, um seine perverse Version des Amerikanischen Traums zu leben. Die emotionale Kälte des Nightcrawlers offenbart sich aber auch bei dessen Date mit der Leiterin einer Nachrichtensendung, bei der er zunächst die Vorzüge gegen die Nachteile einer Beziehung rational abwägt, woraufhin er sie zum Sex erpresst. Für ihn ist die Beziehung ein Tauschgeschäft zum beiderseitigen Nutzen, nicht mehr und nicht weniger. So widerwärtig der Protagonist dabei konstruiert ist, so faszinierend sind er und sein Tun.

Das ist vor allem auch der Gala-Vorstellung von Jake Gyllenhaal geschuldet, der hier zweifelsohne die beste Leistung seiner Karriere zeigt. Gyllenhaal, dessen bekannteste Rollen wohl immer noch die in „Brokeback Mountain“ und „Jarhead“ sind, hat sich schon immer zu düsteren Rollen in ebenso düsteren Filmen hingezogen gefühlt, so wirkte er beispielsweise in „Donnie Darko“ und „Zodiac“ mit und zuletzt in „Prisoners“ sowie „Enemy“, was auch erklären dürfte, weswegen er „Nightcrawler“ mitproduziert. In diesen Rollen konnte er immer schon überzeugen, aber was Gyllenhaal hier zeigt, ist beängstigend gut. Er bringt die emotionale Kälte seiner Figur perfekt auf die Leinwand. Wenn er mit seinem ausdruckslosen Gesicht, seinem fixierenden Blick neben einem Sterbenden steht und diesen bei seinen letzten Atemzügen filmt, verschmilzt er regelrecht mit seiner Figur. Dasselbe gilt für die Fahrtszenen durch das nächtliche Los Angeles, in denen sich die Lichter der Großstadt in den hervortretenden, kalten Augen des Protagonisten spiegeln. Emotionale Ausbrüche sieht man dabei selten, aber wenn sie kommen, dann sind sie grandios gespielt, wie etwa der Ausbruch vor dem Badezimmerspiegel. Besonders widerwärtig erscheint der Nightcrawler auch im Verhör auf dem Polizeirevier, wo er den Stolz auf seine Untaten offen zur Schau stellt, wobei Gyllenhaal ein grandioses Feindbild abgibt, ohne seine Figur zur Karikatur verkommen zu lassen. Ihn umgibt regelrecht eine Aura des Soziopathen, man könnte ihn für einen solchen halten, würde man ihn nicht aus anderen Filmen kennen. Hierfür sollte eigentlich ein Oscar fällig werden. Daneben ist Riz Ahmed als Mitarbeiter des Protagonisten zu sehen, wobei er mit seiner gelassenen, menschlichen und durchaus sympathischen Art einen gelungenen Kontrast zur Hauptfigur abgibt. Daneben wird der Cast u.a. durch Bill Paxton und Rene Russo komplettiert, also durch zwei bekannte Gesichter, die ihre Rollen gelungen ausfüllen.

Daneben zeichnet Gilroy ein deprimierendes Bild der amerikanischen Lokalnachrichten, die sich nicht an Lokalpolitik, Wirtschaft oder Kultur abarbeiten, sondern stattdessen lieber morgens Verkehrsunfälle, Mord und Totschlag zeigen, je blutiger desto besser. Dabei sind Fakten, wie etwa die sinkende Verbrechensrate in Los Angeles, allenfalls Randnotizen, stattdessen wird eine Story geliefert, nach der die Kriminalität zunehmend die wohlhabenderen Vororte mit vorwiegend weißer Bevölkerung erreicht und dann ausschließlich nach Bildern gesucht, die diese Story untermauern. Dass damit bewusst Angst und Panik verbreitet werden, interessiert die Verantwortlichen kaum, die halbwegs seriösen Journalisten sind längst in der Minderheit, sodass Quote klar vor Qualität geht. Nur in einem derart kranken System kann ein Soziopath wie der Nightcrawler Anerkennung für seine unmoralischen und meist auch illegalen Untaten finden. Immer wieder gibt es Szenen, die eigentlich lustig wären, wenn einem das Lachen nicht im Halse stecken bleiben würde, weil die Nachrichtensendungen besonders in den USA mittlerweile dem gezeigten Bild entsprechen. Letztlich funktioniert „Nightcrawler“ genauso wie die Nachrichtensendungen, die er auf zynischste Weise karikiert. Er ist schwer erträglich, knallhart und schonungslos, aber abwenden kann man sich dennoch zu keinem Zeitpunkt. Damit handelt es sich bei Gilroys Film nach fast vier Dekaden um eine Art legitimen Nachfolger von Sidney Lumets „Network“.

Der Rahmenhandlung folgend ist „Nightcrawler“ dabei letztendlich als Thriller angelegt, bei dem der Protagonist zunehmend ins Visier der Polizei gerät. Da es Gilroy hervorragend gelingt, die Medienkritik und die Konstruktion seiner Figur flüssig ins Geschehen einzubringen, gewinnt dieses zunehmend an Fahrt und erzeugt zum Ende hin atemlose Hochspannung, wobei hier auch auf kleinere Action-Sequenzen gesetzt wird. Dabei wird auch das Verhältnis des Nightcrawlers zu seinem Mitarbeiter immer stärker belastet, da dieser allmählich erkennt, mit wem er sich da eingelassen hat und für die illegalen Tätigkeiten ein höheres Gehalt einfordert. So überzeugt Gilroys durchweg beeindruckendes Erstlingswerk auch durch unverhoffte Wendungen, seine düstere Atmosphäre und einen perfekten Spannungsbogen, wobei die glänzend gefilmten Aufnahmen vom nächtlichen Los Angeles auch visuell beeindrucken, genauso, wie das verstörende Videomaterial des Nightcrawlers, bei dem das gefilmte Grauen mit der Wackelkamera hervorragend eingefangen ist.

Fazit:
„Nightcrawler“ ist aufwühlend und verstörend, durchweg von beißendem Zynismus geprägt, zeichnet das bedrückende Bild eines nihilistischen, berechnenden Soziopathen und wirft dabei einen schonungslosen Blick auf das amerikanische Nachrichtenbusiness, während Regisseur Gilroy die Spannung bis hin zum ernüchternden Finale gekonnt auf die Spitze treibt. Damit ist „Nightcrawler“, bei dem allein die Galavorstellung von Jake Gyllenhaal das Eintrittsgeld wert ist, unerträglich, aber auch so fesselnd, dass man sich nicht abwenden kann. Kurzum: Ein Werk, das einen bleibenden Eindruck hinterlässt, ein Meisterwerk und der beste Film 2014.

95 %

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