Im selben Jahr, in dem TCM entstand, wurde mit "Deranged" ein ansprechender Doku-Horrorfilm gedreht, der den Vergleich mit dem viel später entstandenen "Ed Gein" nicht scheuen muss. Er ist sogar trotz der für mich etwas überraschenden FSK 16 deutlich härter als sein 18er Nachfolger.
In "Deranged" wird die Story von Ed Gein modifiziert und als das Leben von Ezra Cobb dargestellt. Ez lebt bei seiner Mama auf der Farm irgendwo in Amerika, einer Ecke, an der der geneigte Zuschauer nicht tot über den Zaun hängen möchte. Kurz vor ihrem Tot (wundervoll: die grüne Suppe rein und das rote Blut raus - Hut ab) schärft die gute Seele ihrem Sohn ein, dass alle Frauen außer Mutti das Verderben sind. Ez beherzigt die letzten Worte von Mama und lebt alleine auf der Farm weiter. Als ihm nach einem Jahr zusehends mütterliche Nähe fehlt, buddelt er seine Mutter wieder aus und zieht mit ihr nach Hause. Leider ist die Gute schon recht angefressen. Deshalb fängt Ez an, zuerst Ersatzteile und dann noch passende Gesprächspartner vom Friedhof zu holen. Ist eklig, sicher kriminell, aber noch kein wirkliches Problem für seine Mitmenschen. Dieses Problem beginnt mit der Ermordung einer Jugendfreundin seiner Mutter und der Entführung und Erschlagung einer Kellnerin. Letztgenannte nimmt auch stellvertretend für uns alle in Augenschein, wie sich Ez mittlerweile verändert hat. Er trägt selbst schon Leichenhaut, bastelt sich Musikinstrumente aus humanen Rohstoffen und speist in der Gesellschaft von Leichen. Leider kann die sehr tuff reagierende Kellnerin die Menschheit nicht warnen. So kriegt Ez nach die Freundin des Sohnes seines Arbeitgebers, die er killt und wie ein erlegtes Wild ausweidet. Dabei wird er gestellt.
Nun, die Geschichte ist logischer Weise nicht mehr neu. Nur ist sie bei "Deranged" extrem gut umgesetzt. Hier funktioniert die Pseudo-Doku aufs feinste und nimmt dem Film eine Menge Suspence. Dadurch wird der Weg frei für die eingehende Betrachtung von Ez/Ed. Er ist kein debiles Mordinstrument, sondern ein zutiefst verstörter Mensch, der zielstrebig killt, dann aber wieder liebenswert ist. Schauspielerisch wird hier eine Glanzleistung abgeliefert. Klasse ist auch, das Ez kein Geheimnis daraus macht, was er tut (Schließlich hängt sein letztes Opfer für jeden erkennbar mitten in der geöffneten Scheune zur Wieterbearbeitung auf), aber keiner nimmt ihn ernst. Hierdurch und durch die sehr differenzierte Ausgestaltung seines Hauses gewinnt der ganze Plot sehr an Glaubwürdigkeit. Auch das sang- und klanglose Ende wirkt extrem glaubwürdig. Es sei hier noch kurz erwähnt, was meine Lieblingsszene ist. Als die Kellnerin das Haus von Ez betritt, findet sie ihn inmitten seiner Leichen sitzen. Er trägt Omakleider und eine Hautmaske. Und er blickt die Kellnerin so an, dass man nachempfinden kann, dass Ez durchaus hofft, jemand anderes kann seine Art zu Leben verstehen. Er will akzeptiert werden, wie er ist (oje, dass klingt ziemlich nach Sozialpädagoge).
"Deranged" ist ein wirklich guter Film, für dessen Ausgrabung dem Label die Dankbarkeit sämtlicher Genrefans entgegenströmen sollte. Absolut empfehlenswert, wenn man sich grundsätzlich mit dem Dokumentarcharakter anfreunden kann. Für mich 8 von 10 Punkten.