Review

Die Zwillinge Elias und Lukas verbringen ihre Ferien zusammen mit ihrer Mutter, die gerade erst eine kosmetische Operation hinter sich hat und deren Gesicht darum komplett bandagiert ist, in ihrem außerhalb eines kleinen Dorfs gelegnen, luxuriösen Haus. Bald schon legt die in der Rekonvaleszenzphase befindliche Frau recht merkwürdige Verhaltensweisen an den Tag, die auch mit einigen vermeintlichen charakterlichen Veränderungen einhergehen, was bei dem jungen Brüderpaar irgendwann die Frage aufkommen lässt: "Ist die Mama vielleicht gar nicht die Mama?"... und wenn sie es wirklich nicht ist, wer hat sich da unter falscher Identität eingeschlichen...? Kühl und sachlich wie ein Michael Haneke - allerdings ohne dessen oberlehrerhafte Attitüde - geht das Regie-Duo Severin Fiala und Veronika Franz seinen "Ich seh, ich seh" an, der den Zuschauer mit seinen genau durchkomponierten Bildern und dem gemächlichen Erzähl-Tempo zunächst auf Distanz hält, nur um sich im Verlauf der nicht wirklich vorhersehbaren Handlung ganz dreckig von hinten anzuschleichen und einen fast unmerklich in seinen Bann zu ziehen, bis einem das wirklich verstörende Schluss-Drittel inklusive der finalen Schluss-Pointe förmlich den Boden unter den Füßen wegzieht. Dieser entgegen gängige Seh-Gewohnheiten gebürstete österreichische Genre-Beitrag entpuppt sich damit glatt als einer der perfidesten Gattungs-Vertreter der letzten Jahre, der mit seiner Wandlung vom kunstvollen Psycho-Thriller hin zum Beinahe-Torture-Porn sowohl die Cineasten als auch den gemeinen Horror-Fan abholen kann. Visuell wie auch inhaltlich ist die Angelegenheit aus einem Guss, nichts mindert hier die Strenge der Inszenierung, die da bewusst kantig und immerzu leicht "off" daherkommt und es nicht für nötig erachtet, einem jedes kleine Detail auf dem Silbertablett zu servieren, sondern manches auch einfach mal nur zwischen den Zeilen passieren lässt... ein Approach, auf den man sich einlassen muss, damit "Ich seh, ich seh" seine volle Wirkung entfaltet. Auf publikumswirksame Action und typische Spannungs-Momente à la Hollywood wird dabei verzichtet, aber trotzdem ist dieses weitestgehende Drei-Personen-Stück doch niemals langweilig. Dass das Ende mit einem Shyamalan-esken Twist aufwartet, ist in diesem Fall übrigens wirklich mal kein Manko, denn abgesehen von kleinen, logischen Unebenheiten passt hier alles eigentlich ganz gut zusammen, wenn man die Geschichte rückblickend nochmal Revue passieren lässt. Im Nachhinein muss man dem Streifen dann doch zugestehen, sämtlichen Ablenkungsmanövern völlig auf den Leim gegangen und geschickt auf eine falsche Fährte gelockt worden zu sein, wenn plötzlich klar wird, dass hier nicht wie zunächst vermutet auf "Augen ohne Gesicht" gerifft wurde, sondern in Wahrheit der Geist eines ganz anderen Films über "Ich seh, ich seh" schwebt... und welcher das ist, das soll hier natürlich nicht verraten werden. Fazit: Euro-Horror mal anders und ganz großes Kino!

9/10

Details
Ähnliche Filme