Die Zwillingsbrüder Lukas und Elias verbringen unbeschwerte Ferientage in dem idyllisch an Waldsee und Wiesen gelegenen elterlichen Haus. Ihre Mutter, die sich nach einem Unfall einer kosmetischen Operation unterziehen musste, kommt mit badagiertem Kopf zurück in diese Heimstatt, doch die Zwillinge hegen schnell den Verdacht, dass die Person hinter den Bandagen nicht ihre Mutter ist…
Schwer zu packen, schwer zu knacken – das ist „Ich seh, ich seh“, ein Heimatfilm, ja ein Heimathorrorfilm der besonderen Art. Schon das ätzende Intro mit der singenden Trapp-Familie deutet an, dass man gänzlich anderes erwarten muss und dass das heimelige 50er-Jahre-Wöhlfühl-Kuscheln in diesem Film wohl nichts zu suchen hat! Und so kommt es dann auch: Motive aus Stephen Kings „Misery“ klingen da ebenso schwach an wie jene einer zum Torture-Porn abgewandelten Form der „Hänsel und Gretel“-Erzählung. Dass das Oeuvre eines Night M. Shyamalan mit den bekannten Aha-Twists letztendlich auch bedient wird, dürfte sich wahrscheinlich schon rumgesprochen haben, oder? Hübsch surreal wird das Ganze in wohlfeil durchkomponierten, eine gewisse bizarre Kühle unterstreichenden Bildern im Stile eines präzise sezierenden Stoffes aus der Michael-Haneke-Schule dargeboten, bei dem die modern errichtete und mit ungemütlichen Designer-Möbeln überfrachtete Beton-„Waldhütte“ das ideale Setting bildet. Dass das alles eigentlich auch ausgemachter Mummenschanz ist und einige Logikbrüche beinhaltet, nimmt man zwar als geübter Zuschauer zur Kenntnis, lässt sich aber von der durch Veronika Franz und Severin Fiala kreierten unheilvollen Atmosphäre schnell in Schlepptau nehmen. Lange wird nämlich der Umstand verschleiert, aus welcher Richtung eigentlich wirklich die Bedrohung kommt und wie sich diese in Gewalt entlädt. Und dass es zu einer Eruption kommen wird, scheint recht schnell sehr sicher zu sein. Das Ende dann ist wirklich schockierend und pointiert „Ich seh, ich seh“ zu einem der besten deutschsprachigen Kunst-Horrorfilme der letzten Jahre. Bildformat: 2,35:1. Mit Lukas und Elias Schwarz, Susanne Wuest, Elfriede Schatz u. a.
© Selbstverlag Frank Trebbin