Review

Ein ganzes Stückchen "Night of the Living Dead" (1968), gepaart mit 50er Jahre Body Snatcher-Elementen - was erklärt, weshalb der Film ein wenig an frühe Cronenbergs ("Shivers" (1975) & "Rabid" (1977)) erinnert - & Richard Mathesons "I am Legend" (1954) samt Verfilmungen ("The Last Man on Earth" (1964) & "The Omega Man" (1971)), deren erste ja auch bereits Romeros Debüt nachhaltig beeinflusst hatte, zusätzlich angereichert um unheilvollen Küstenstädtchen-Horror à la Lovecraft - wie man ihn damals auch aus "Doomwatch" (1972) oder "La Noche De Las Gaviotas" (1975) gewohnt war - & entrückte, traumwandlerische Figuren in unwirklich-alptraumhaften Situationen (ein bisschen an "Carnival of Souls" (1962) erinnernd!) und letztlich abgeschmeckt mit surrealem Dekor, leicht argentoesker Beleuchtung und einem unheilvoll dröhnenden Soundtrack, der es wahrlich in sich hat: so in etwa lässt sich "Messiah of Evil" beschreiben, der seinerzeit Aspekte aus "Shivers", "Dawn of the Dead" (1978), "Dead and Buried" (1983) oder sogar "In the Mouth of Madness" (1994) vorwegnahm und dennoch erst im Laufe vieler Jahre einen kleinen, aber feinen Kultstatus erreichen durfte. Huyck & Katz bestätigen zumindest den Lovecraft-Einfluss,[1] nennen aber auch die damaligen Größen der Autorenfilmer - Antonioni & Godard -, um ihre Inspirationsquellen aufzudecken: Diesen Einfluss sollte man sicher nicht überbewerten, aber der erstaunliche Gestaltungswille, der für kostengünstige Horrorreißer nicht selbstverständlich ist, scheint sich durchaus daraus ergeben zu haben. Wer unbedingt will, mag im Atelier des Vaters der Hauptfigur und in dessen mit blauer Farbe beschmierten Gesicht kleine Verbeugungen vor "Blow Up" (1966) oder "Pierrot le fou" (1965) sehen... (Letzteres bestätigten Huyck & Katz ebenfalls...)
Ein rundum guter Horrorfilm ist "Messiah of Evil" sicherlich nicht: Die Geschichte der jungen Arletty, die [Achtung: Spoiler!] ihren Vater in einer kleinen Küstenstadt sucht - wo er sich als Maler betätigt -, dort allerdings bloß die Gesellschaft des hippen Dandys Thom und seiner Spielgefährtinnen findet und sich mit ihnen aggressiven Übergriffen einiger Bewohner ausgesetzt sieht, welche mehr und mehr einem alten Fluch anheimfallen, der auf einen Überlebenden der Donner Party & geheimnisvollen Sektierer (sowie seine Jünger) zurückgeht, welcher vor hundert Jahren Kannibalismus praktiziert haben soll und offenbar eine neue Religion ins Land hineintragen wollte, um letztlich in das Meer hineinzugehen und hundert Jahre später - wenn der Mond sich blutrot zu färben beginnt - wieder zurückkehren zu wollen, wirkt letztlich doch ein wenig zusammengewürfelt: zumal der unheimliche Sektierer letztlich weniger Raum bekommt, als er ursprünglich bekommen sollte. Huycks & Katz's kleine, lovecraftsche Privatkosmologie besitzt aufgrund der kurzen Laufzeit und den produktionsbedingten Abweichungen vom ursprünglichen Ziel nicht dieselbe Kohärenz, die Lovecrafts eigenen Kosmos ausmacht: Wendungen & Enthüllungen kommen zu schnell, Hintergrundinformationen fallen zu spärlich aus, der Mix aus Zombiefilm und apokalyptischer Sektierer-Thematik fällt eher bizarr & weniger stimmig aus. Zumal dies alles auch als Ausgeburt des verwirrten Geistes der Hauptfigur betrachtet werden kann, welche nach ihren realen oder eingebildeten Erlebnissen in einer geschlossenen Anstalt landet.
Auch die kleinen - "Shivers" & "Dawn of the Dead" vorwegnehmenden - Seitenhiebe, die den kollektiven Konsum (im Kino, im Supermarkt) als zombieartigen Trieb ausweist, bilden hier eher Randnotizen und kein zentrales Thema. Und die grundsätzlich mögliche Lesart, nach der Thom als exzentrischer Gegenkultur-Vertreter und zugleich - mit seinen Free Love- & Dope-Begleiterinnen - als Opfer der kleinbürgerlichen Stadtbewohner dem Film eine satirische Ausrichtung verpassen würde, wird ein wenig dadurch unterlaufen, dass die Polizei grundsätzlich auf Thoms Seite steht; und dadurch, dass eine der befremdlichsten Ghoul-/Zombie-/Vampir-Gestalten von einem afroamerikanischen Albino, einem Außenseiter unter den Außenseitern, verkörpert wird. Natürlich ist auch "Messiah of Evil" ein typisches Produkt der frühen 70er Jahre, sodass sich einige populäre Ansichten und Vorlieben durchaus niedergeschlagen haben, aber ebenso, wie seine Dramaturgie letztlich durch einige Abweichungen vom Drehbuch und durch einige Umschnitte etwas unglücklich ausgefallen ist, bilden auch seine satirischen Ansätze (oder auch seine Zitate & Anspielungen) kein großes Ganzes.

Wirklich gelungen ist hingegen die großartige Inszenierung, die dem Film einige memorable und wahrhaft entsetzliche Momente beschert. Die beständige Bedrohung - die handlungsmäßig bereits von Anfang an gegenwärtig ist - wird von dem großzügig eingesetzten, monotonen Dröhnen des Soundtracks, der irrealen Hervorhebung mancher Geräusche und die unnatürliche Beleuchtung der Räume in dominierenden Rot- und Blautönen kongenial begleitet: dass die Bilder von Arlettys Vaters die seltsam aufs Meer hinausblickenden, starr stehenden Bewohner der Gegend auch noch als leblose Nachbildungen in die Innenräume hineinholen, wo man ihren toten Blicken in jeder Ecke ausgesetzt zu sein scheint, ist dann die optimale Brücke zwischen der Bedrohung durch die Form und der Bedrohung durch die Ereignisse.[2]
Diese alptraumhafte Grundstimmung wird regelmäßig in drastische Höhepunkte überführt, in denen Ratten verspeist, Blut geweint oder Kakerlaken erbrochen werden, in denen aber vor allem kollektiv agierende Massen über die einzelnen Haupt- und Nebenfiguren herfallen, um ihr Fleisch zu essen, was unter panischen Furcht- & Schmerzensschreien inmitten nüchterner Supermarkt-Kulissen oder vor grell beleuchteter Kinoleinwand reichlich verstörend anmutet. Wenn dann im Finale die Angreifer ohne Rücksicht auf die eigene Unversehrheit durch Dachfenster in die Innenräume springen und direkte Auseinandersetzungen nicht nur mit fließendem Blut, sondern zudem auch noch mit fließender Farbe enden, hat der Film sicherlich seinen Höhepunkt erreicht: Wenn Arlettys besessener bzw. wahnsinnig gewordener Vater den Unterarm der Tochter mit seinen farbbeschmierten Händen umklammert und sich diese Umklammerung anhand der Farbspuren, die er auf dem Körper der sich entwindenden jungen Frau hinterlässt, auch im Nachhinein noch sehen lässt, wenn er sich zwischen dem eigenen vergossenen Blut und ausgelaufenen Farbeimern am Boden wälzt, dann hat Huyck einen perfekten Weg gefunden, jenseits einfacher Splatterszenen die noch frische Bedrohung in die Körper seiner Figuren einzuschreiben. Dass die Farbe und die Gemälde in "Messiah of Evil" das (Kunst-)Blut und die Figuren & Räume des Films quasi verdoppeln, ist wohl der interessanteste Aspekt im ganzen Film, gerade auch weil seine Handlung als Rückblende einer wahnsinnig Gewordenen oder Gewesenen - welche letztlich selbst zur Malerin wird - ausgewiesen wird: In diesem Spiel mit Wahrheit und 'Wahnheit', mit Vor-Bild und Abbild, mit Realität und Illusion mögen tatsächlich die vagen Vorbilder Antonioni und Godard zu erahnen sein.

Wer den Horrorfilm der 70er Jahre schätzt, wer kuriose Alptraumszenarien zu würdigen weiß, wird an "Messiah of Evil" letztlich durchaus seine Freude haben. Dass die hochwertige Form letztlich befriedigender & ergiebiger ist, als die Uneinheitlichkeit von Handlung & Gehalt, ist allerdings ein kleiner Wermutstropfen.
6,5/10


1.) Dieser wird nochmals deutlicher, wenn man sich vor Augen hält, dass der Darsteller des Thom, des Dandys, der bezüglich seiner Herkunft widersprüchliche Angaben zu machen scheint, ursprünglich auch in einem nicht entstandenen Finale den zurückkehrenden Sektierer spielen sollte: wie in "The Shadow Over Innsmouth" (1931/1936) hätte am Ende also beinahe die Erkenntnis einer Hauptfigur gestanden, dass sie selbst von dem, was sie bedroht, abstammt.
2.) Dass die nicht übermäßig gelungene deutsche Synchronfassung des inzwischen bei
Maritim Pictures erschienenen Streifens dafür sorgt, dass sich die Bild-/Ton-Schere nie so ganz schließen will, passt daher ganz gut zum unwirklichen Charakter dieses Films, der in seiner Originalversion mit den vielen Voice-over-Kommentaren ja auch einen ähnlichen Effekt bedient.

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