I am hoping that I can be known as a great writer and actor someday, rather than a sex symbol.
Getreu dem Motto "Nicht kleckern, sondern klotzen", ließ es Steven Seagal in den 1990ern ordentlich krachen. Und das nicht nur mit Handfeuerwaffen, sondern recht häufig unter Zuhilfenahme allerlei menschlicher Knochen. In den seligen Zeiten vor seiner bizarren Selbstmästung, als man ihm das Kampfsport-Ass noch ansah, legte der in Japan ausgebildete US-amerikanische Actionstar die Grundlage für einen Film-Ruhm, der angesichts seines umfangreichen C-Movie-Ausstoßes heute für Filmneulinge auf den ersten Blick nicht mehr nachvollziehbar ist. Die Jüngeren unter uns kennen den viel zu beleibten Toupet-Träger mit Sonnenstudiofetisch nur noch als sich durch wirre und wirrste Storys balgenden Sonderling, der sich diametral entgegengesetzt zu seinem voranschreitenden Alter immer jüngere Mädels als Betthäschen ins Skript schreiben lässt. Dass die inzwischen oft seine eigenen Enkelinnen sein könnten, kommt dem griesgrämigen Mantelträger auf Ostblockfronturlaub offenbar nicht in den Sinn. Doch genug der Ausflüge in aktuelle Stillosigkeiten und oben zitierte Ausrutscher. Widmen wir uns der Zeit, da Steven Frederic Seagal Filmgeschichte schrieb.
„Deadly Revenge - Das Brooklyn Massaker" war der vierte Kinofilm des damals für seine kompromisslose Gewaltdarstellung bekannten Actionstars. Und er sollte neben dem im Jahr zuvor erschienenen „Marked for Death - Zum Töten freigegeben" (1990) sein brutalster Genrebeitrag werden. In einer nach heutiger - bitterer - Erfahrung überraschend plausibel erzählten Geschichte um den Mord an einem guten Freund im New Yorker Stadtteil Brooklyn, sucht Detective Gino Felino (Steven Seagal) hemdsärmelig auf eigene Rechnung nach dem ihm bekannten Täter, der im Drogenrausch weiterhin eine blutige Spur durch das heimische Viertel zieht. Doch bevor Steven Seagal schließlich in einem vollends gelungen choreographierten Showdown den Schurken genüsslich zermalmt, darf sich der Actionfreund über einige der unterhaltsamsten Kampfsporteinlagen freuen, die je das Licht der Lichtspielhäuser erblickten.
It doesn't work if the bad guys kill his mother's uncle's friend's neighbor's pet dog.
You've got to make the stakes high.
Seinen Unterhaltungswert gewinnt das Brooklyn Massaker aus dem Mix von Seagals lässigem Aus-der-Hüfte-Kampfsport, der in seiner professionellen Gelassenheit das Gehüpfe der Konkurrenz um Jean-Claude Van Damme und Dolph Lundgren beinahe hilflos wirken lässt, und dem wahrhaft schaurigen Bad Guy der Story mit dem schon latent störenden Namen Richie, welcher überzeugend widerwärtig von William Forsythe in Szene gesetzt wird. Da werden schimpfende Verkehrsteilnehmerinnen mit einer Kugel im Kopf abgefertigt und rollstuhlfahrende Vietnamveteranen als Dank für geleistete Hilfe treulos weggeputzt. Von Beginn an ist völlig klar, was geschieht, wenn Gino den schmierigen Richie in die Finger bekommt, denn der speckige Aushilfsitaliener, der sich noch dazu ausschließlich von Drogen ernährt, ist kein Gegner für den kühlen, brachialen Cop, der sich ohnehin bald als unbesiegbar entpuppt. Doch schmälert diese nebensächliche Drehbuchinsuffizienz deshalb nicht den Reiz dieser, zugegeben, recht vorhersehbaren Angelegenheit, da weder Dramaturgie noch etwaige darstellerische Höchstleistung die Aushängeschilder dieses Genremeilensteins sind, sondern die von Steven Seagal beinahe befremdlich authentisch transportierte Gnadenlosigkeit seines Protagonisten.
Most of us have unhealthy thoughts and emotions that have either developed as a result of trauma or
hardships in their childhood, or the way they were raised.
Was auch immer in Steven Seagals Kindheit schief gelaufen ist, der Actionstar schlüpfte nicht etwa in die Rolle des brachialen Cops. Er spielte sich selbst. Seagal, immerhin ein Mann mit genügend Feinden im Filmgeschäft, war nicht nur hinter vorgehaltener Hand dafür bekannt, durchaus auch mal im Privaten unbekümmert Hand anzulegen bei zwischenmenschlichen Problemen. Wie einst John Wayne überzeugt der Amerikaner bei seinen Filmen mit einer Glaubwürdigkeit, die er nie hätte spielen können, wäre sie ihm nicht sozusagen in die Wiege gelegt gewesen. Doch was sich beim längst verstorbenen Westernstar in wohliger Sympathie manifestierte, wirkt bei Seagal bedrohlich. Und genau diese Atmosphäre des Brutalen, dieser ehrliche Drang zur Gewalt, der den Aikidomeister stets unabschüttelbar umgibt, fasziniert die hartgesottenen Freunde erwachsenengerechter Action.
Action films are great, but an action film that has characters that are compelling and a story that people can care about is something even better. We love to see action heroes that are vulnerable, that are sensitive, that
are family people, that are accessible.
Von wem er hier auch immer spricht, sich selbst kann er damit nicht meinen. Vor allem nicht in „Deadly Revenge", dem Brooklyn Massaker. Da beschränkt sich Steven Seagals Verletzlichkeit nämlich darauf, durch den Mord an seinem besten Freund bis aufs Blut gereizt zu sein. Das Verbrechen eingangs dient eigentlich nur als willkommener Anlass, den dafür Verantwortlichen und eine Handvoll weiterer Pechvögel durch den Fleischwolf zu bröseln. Auch seine Frau in Scheidung, die ihn natürlich immer noch liebt, bleibt nur Beiwerk, das der Figur Gino Felino etwas Menschliches verleihen soll, was ungefähr so überzeugend wirkt, wie Josef Stalin als Weihnachtsmann oder Daniel Küblböck als Steven Seagal. Bitte das nicht als Kritik missverstehen! Gelänge es John Flynn, dem Regisseur, das Eheleben Steven Seagals glaubhaft in Szene zu setzen, verlöre die Kampfmaschine entscheidend an Authentizität. Sie würde ihre Faszination einbüßen. Was nutzt dem Krachfilmfreund eine manipulierte gefühlsechte Ein-Mann-Armee?
I think we're living in a world where society is very difficult.
Steven Seagals Antwort darauf ist verblüffend einfach. Sind die Ganoven und Kanaillen der Straßen von Brooklyn nämlich erst dumm genug, sich mit dem beinahe hydraulisch um sich prügelnden Berserker anzulegen, werden ihnen postwendend die Gräten gebrochen, Hieb- und Stichwerkzeuge unsanft zurückgegeben oder die Haxen mit der Pumpgun weggeschossen. Wieder und wieder gerät Gino Felino dankbarerweise in Situationen, in denen ihm immer weitere offenbar unzurechnungsfähige Delinquenten entgegentreten, die aus den schlimmen Verstümmelungen ihrer bereits in die Notaufnahme verfrachteten Vorgänger nichts gelernt zu haben scheinen. Wo Schwarzenegger nur wenige Jahre zuvor durch seine physische Präsenz punktete, begeisterte Steven Seagal mit seiner ultrabrutalen Kampfkunst, die in jener Zeit nie mit einem Augenzwinkern oder einer Rechtfertigung verwässert wurde. So besinnt sich Gino Felino, nachdem er einen der dummblaffenden Einfaltspinsel überwunden und entwaffnet hat, kurzerhand eines Besseren und wirft den hilflosen Kerl aus dem Fenster des sechsten Stocks. Dass der damit endgültig seiner Chance auf Resozialisierung beraubt wird, scheint für Steven Seagal nicht unbedingt ein moralisches Dilemma darzustellen. Es ist diese Art Kaltblütigkeit, die, natürlich überzogen und potenziert, womöglich etwas von dem wahren Naturell des Actionstars erahnen lässt. Und genau das ist es, was der geneigte Fan sehen möchte. Selbst wenn es, wie in den Produktionen der späten Neunziger, mit einem verschmitzten Lächeln auf dem Gesicht daherkommt.
I want to make a movie that can grab people by the heart strings.
Ist es Hybris oder Humor, den Steven Seagal angesichts eines solch frommen Wunsches an den Tag legte? Wir sind als Freunde seiner Frühwerke gnädig und vermuten wohlgesonnen und offiziell sehr nachdrücklich das Letztere. In tiefer Dankbarkeit dafür, dass ihm das bis heute nicht gelungen ist.