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Als Costa-Gavras "L'aveu" (La confessione / Das Geständnis) 1970 drehte, lagen die darin geschilderten Ereignisse beinahe zwei Jahrzehnte zurück. Der im Film gezeigte Prozess gegen führende Politiker der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei orientierte sich am "Slánský"-Prozess von 1952 - benannt nach dem langjährigen Generalsekretär Rudolf Slánský - der mit dem Todesurteil von 12 der Angeklagten endete. Nicht zufällig basierte der Prozess auf einem Vorwurf wegen Landesverrats, denn nach dem Ende des 2.Weltkriegs und dem Beginn des "Kalten Krieges" hatten sich die Vorzeichen geändert. Der us-amerikanische Kommunist Noel Field wurde vom russischen Geheimdienst 1949 als angeblicher Spion entlarvt, weshalb jeder Kommunist, der während des Krieges mit ihm zusammen arbeitete, als Verräter unter Verdacht geriet.

Schon der normale Menschenverstand lässt die Konstruiertheit dieser Anklage erkennen, denn selbst wenn sich der Vorwurf gegen Noel Field als richtig heraus gestellt hätte, ließe sich daran kein Fehlverhalten festmachen, da die Verbündeten von Fields damaliger Rolle keine Kenntnisse hatten. Doch sollten sie davon gewusst haben, wie ihnen von den Anklägern unterstellt wurde, wieso hatten sie dann nicht entsprechend gehandelt? - An ihrem Kampf gegen den Nationalsozialismus und ihrem Engagement für ihren kommunistisch regierten Staat hatte es bisher keinen Zweifel gegeben. Costa-Gavras verdeutlicht an der Figur des stellvertretenden tschechoslowakischen Außenministers Artur London (Yves Montand), der zu der Gruppe der angeklagten Politiker gehörte und nach dessen Buchvorlage der Film entstand, deren Intention. Bis zu ihrer Festnahme waren sie loyale Mitglieder der kommunistischen Partei, weshalb sie regelrecht verstört auf die Anklage reagierten und sogar noch den Versuch unternahmen, eventuelles eigenes Fehlverhalten selbstkritisch zu hinterfragen, wie es in der kommunistischen Doktrin gefordert wird.

Zur Entstehungszeit von "L'aveu" hatten sich diese Vorwürfe schon seit vielen Jahren als haltlos erwiesen. Noel Field wurde 1955 wieder aus der Haft entlassen und Rudolf Slánský 1963 juristisch rehabilitiert, denn nach dem Tod Josef Stalins 1953 hatten sich die Prozesse als reine Säuberungsaktionen erwiesen, mit denen Stalin und wenige seiner Verbündete wie der tschechoslowakische Staatspräsident Klement Gottwald, unliebsame Konkurrenz loswerden wollten. Das viele von ihnen zudem Juden waren, verdeutlicht den tief in der Gesellschaft verankerten Antisemitismus. Während des "Prager Frühlings" 1968 hatte auch die tschechoslowakische kommunistische Partei unter Alexander Dub?ek mit den damaligen Angeklagten ihren Frieden geschlossen, so dass dieses unliebsame Kapitel, für das in den eigenen Reihen vor allem Josef Stalin verantwortlich gemacht wurde, beendet schien. Nicht ohne Grund war auch der zu Unrecht inhaftierte und gefolterte Noel Field nach seiner Entlassung Kommunist geblieben.

Der griechische Regisseur Costa-Gavras hatte 1969 mit „Z“ einen exemplarischen Film über die Machtergreifung einer rechtsgerichteten Diktatur in seinem Heimatland gedreht, bevor er sich 1973 mit „État de siège“ (Der unsichtbare Aufstand) den Mechanismen der Militärdiktatur in Uruguay widmete, die vom us-amerikanischen Geheimdienst unterstützt wurde. Zu dessen Aufgaben gehörte auch die Schulung von Foltermethoden, die gegen die Widerstandsbewegung angewendet werden sollten. In beiden Filmen agierte Yves Montand sowohl als Hauptdarsteller, als auch als Produzent an der Seite von Costa-Gavras, weshalb ihr dritter gemeinsamer Film „L’aveu“, der zwischen diesen Werken herauskam, vordergründig aus der Reihe fällt, da er sich einer zurückliegenden, inzwischen scheinbar angemessen bewerteten Thematik widmete. Doch der tatsächliche Anlass für die Entstehung des Films lag genauso in Ereignissen der Gegenwart wie bei „Z“ und „État de siège“, denn Costa-Gavras stellt im Film einen unmittelbaren Zusammenhang zu der Niederschlagung des „Prager Frühlings“ 1968 her, als russische Panzer dem tschechischen Versuch eines „Sozialismus mit menschlichem Antlitz“ ein Ende bereiteten. Bis dahin hatte Yves Montand mit dem Kommunismus sympathisiert, weshalb die Diskussion, die er in seiner Rolle als Artur London mit Journalisten über die Prozesse der frühen 50er Jahre und die Rolle Stalins führt – in „L’aveu“ zeitlich kurz vor den Ereignissen in Prag angesiedelt - nicht nur Londons, sondern auch eigene autobiographische Züge trägt.

Costa-Gavras fügt diesen Gegenwartsbezug ab der Mitte des Films ein, wodurch es deutlich wird, dass Artur London nicht zum Tode verurteilt werden wird - ein in mehrerer Hinsicht genialer Drehbuchkniff. Die Tatsache, das London gemeinsam mit seiner französischen Frau Lise (im Film von Montands Ehefrau Simone Signoret gespielt) die 1968 erschienene Buchvorlage für den Film schrieb, ließ dessen Überleben zwar erwarten, aber der Film springt in dem Moment in die Gegenwart, nachdem schon ein monatelanges Martyrium hinter dem früheren stellvertretenden Außenminister lag, das Costa-Gavras in schmerzhafter Deutlichkeit vor dem Betrachter ausbreitet. Dabei verzichtet er auf jede unmittelbare körperliche Gewalt, sondern zeigt die psychische Methodik, mit der der Angeklagte dazu gebracht werden soll, die ihm angelasteten Vorwürfe zu gestehen. Artur London erweist sich als sehr widerstandsfähig, hält wochenlangen Schlaf- und Nahrungsentzug, sowie die vorgelegten Geständnisse seiner Freunde und Mitstreiter aus, aber die nicht endenden Verhöre und psychischen Folterungen höhlen auch seinen Widerstandsgeist aus, bis er wider besseren Wissens seine Verfehlungen zugibt. In der Figur des Verhörspezialisten Kohoutek (Gabriele Ferzetti), der von der Schuld Londons überzeugt ist, da er entsprechende Weisungen von oben erhielt, lässt Costa-Gavras zudem die typischen Mechanismen eines Beamtenapparates erkennen, die den Einzelnen scheinbar von Schuld entlasten, da er nur seiner Pflicht nachgekommen ist.

Durch das frühe Wissen, dass die Identifikationsfigur London nicht sterben wird, nimmt Costa-Gavras dem Film eine Spannungssituation, die den Blick auf die Farce des Schauprozesses und die weiteren Angeklagten verstellt hätte. Auch körperliche Gewalt, die zu dauerhaften Schäden geführt hätte, wäre kontraproduktiv gewesen wäre, denn bei der Gerichtsverhandlung, die der Öffentlichkeit detailliert vorgeführt wird, soll jede Form eines Märtyrertums vermieden und der Anschein einer fairen Verhandlung gewahrt bleiben. Begriffe wie Ehrlichkeit, das Recht auf Verteidigung oder ein gerechtes Urteil, werden angesichts eines erbärmlichen, menschenverachtenden Schauspiels pervertiert. Durch die in der Gegenwart angesiedelte Diskussion, lässt Costa-Gavras erkennen, wie schwer sich die Kommunisten mit dem Missbrauch dieser Begriffe getan hatten, wie sehr sie der Idee nachhingen, nur Stalin und wenige Mitstreiter hätten damals ihre humanen Absichten verraten. Doch die brutale Niederschlagung der vorsichtigen Demokratiebewegung in der Tschechoslowakei, die Costa-Gavras mit dokumentarischen Aufnahmen zeigt - dazwischen Bilder des entsetzt blickenden Yves Montand einblendend - belehrte Viele eines Besseren. Auch für sie hatte sich die Herrschaft der UDSSR endgültig als Diktatur entlarvt.

Neben dem generellen Blick auf die Methoden der psychischen Folter, ist „L’aveu“ auch eine persönliche Auseinandersetzung mit den eigenen Idealen, wie sie von der Linken Ende der 60er Jahre vehement geführt wurde. Vielleicht liegt darin der Grund, warum „L’aveu“ heute zu unrecht so wenig bekannt ist, oft nicht einmal im Zusammenhang mit Costa-Gavras sonstigen politischen Filmen genannt wird. Die detaillierte Ansicht der diktatorischen Methoden der kommunistischen Partei, verknüpft mit den Ereignissen in Prag 1968, konnte Anhänger dieser Politik nicht befriedigen, bedeutete aber auch nicht den Schritt auf die andere Seite des eisernen Vorhangs. Im Gegenteil betonte Costa-Gavras damit seinen Willen zu einer unabhängigen, kritischen Betrachtung jeder restriktiven Politik. (10/10)

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