Es ist so eine Sache mit der Innovation. Ist sie nämlich einmal da gewesen, bleibt später und nach einiger Zeit oft nicht einmal mehr deren Nimbus übrig. Trittbrettfahrer lassen nicht lange auf sich warten und springen auf den Zug auf, den andere aufs Gleis setzten. Das ist zwar künstlerisch nicht besonders beeindruckend, doch so natürlich wie ein Naturgesetz. Und so ist das auch im Kino. Da kam Robert Rodriguez 2005 daher und lieferte einen cineastischen Augenschmaus ab, der visuell, wenn auch nicht unbedingt erzähltechnisch, zum Außergewöhnlichsten gehörte, was man bis dahin kannte. In unseren Breitengraden lang erwartet und vielerorts verspätet angelaufen, mauserte sich „Sin City" (2005) schnell zu einer Art Geheimtipp für Filmfreunde mit Freunden. Da der mexikanisch stämmige US-Amerikaner und gefeierte Kultregisseur mit seiner Geschichte um einen Haufen defekter Typen in einer noch defekteren Stadt ziemlich Kasse machte, war klar, dass ein zweiter Teil folgen würde. Doch zu lange werkelte und verschob Rodriguez um die Wette, um im Fahrwasser des Erstlings auch sein Sequel in monetär sichere Gewässer zu schippern. Zu groß die Konkurrenz und das schon seit Jahren, als dass da ein Alleingang ratsam gewesen wäre. Und so kommt was viele ahnten. Der Film floppt. Leider unverdient.
Wie im Vorgänger verschachteln und verspachteln Frank Miller und Robert Rodriguez mehrere Geschichten miteinander, die mit dem ersten Teil allerdings nicht ganz stimmig sind, was Chronologie und Gerüst angeht. Doch so wichtig oder gar störend ist das nicht und wird ohnehin bald durch die angenehm kaustische Atmosphäre in Basin City vergessen gemacht. Denn inmitten zuckersüßer Versuchung, klaffender Abgründe, trügerischer Chancen und über den Rindstein gespannter Fallstricke schleichen alte Bekannte und neue Freunde durchs mattschwarze Bild.
Johnny (Joseph Gordon Levitt) möchte den fiesen Senator (Powers Boothe) beim Glücksspiel beeindrucken und pokert dabei womöglich zu hoch. Ava Lord (Eva Green), die titelgebende männerverschlingende Dame, gefällt sich darin, das starke Geschlecht auf sein Geschlecht zu reduzieren und sich selbst Stärke in Form finanzieller Mittel zu erschlafen. Dabei zieht sie - für den männlichen Zuschauer angenehmer Weise - praktisch den gesamten Film über blank und überzeugt, wie schon bei den Athenern letztes Jahr und damals im Angesicht James Bonds, als Femme Fatale aus dem Bilderbuch. Natürlich wuseln auch noch Tänzerin Nancy (Jessica Alba) und ihr Adoptivonkel Marv (Mickey Rourke) durch die Gassen. Das hohle Ding angetrieben durch Rachsucht und Schmerz. Der hässliche Hüne diesmal ohne formulierbaren Hintergrund. Das Schöne dabei, alle wollen irgendwen töten. Noch schöner dabei, fast allen gelingt das auch.
Erneut bemüht sich Frank Miller um stimmige, das pechschwarze Bild kommentierende Dialoge. Und wie vor inzwischen neun Jahren reüssiert er damit, vom ein oder anderen überflüssigen Geblabbel abgesehen, durchaus. Allein der Stein des Anstoßes dürfte diesmal ein kleinerer sein, denn in die nun erzählten Geschichten verirren sich nicht gar so viele Irre wie einst. Das ist schade. Gerade der Frauen verschlingende Kannibale Kevin (Elijah Wood) und der ekelhafte Yellow Bastard (Nick Stahl) sorgten für zünftigen Spaß beim damit etwas kompromissloseren Erstling. Je nach persönlichem Gusto mag damit die Verfilmung des zweiten Buchs der Sin City Serie etwas besser munden oder eben etwas fader schmecken. Ganz sicher ist, familienfreundlich wird es deshalb nicht in Frank Millers lieb gewonnenem Moloch aus Gewalt und Sex.
Wer sich von „Sin City - A Dame to Kill For" das verspricht, was mit "Sin City" 2005 versprochen wurde, der wird bestimmt nicht enttäuscht. Werkgetreu und mit Liebe zum Detail wird auch diesmal Unappetitliches wohlschmeckend serviert. Zwar nicht ganz so widerwärtig wie einst, dafür wesentlich schärfer. Dass übrigens mehrere der vormaligen Darsteller durch neue ersetzt wurden (etwa Clive Owen durch Josh Brolin), fällt wie das geplatzte zeitliche Korsett der Geschichte nicht wirklich negativ ins Gewicht. Was man leider nicht vom gewählten Zeitpunkt der Veröffentlichung des Films sagen kann. Der hätte nämlich, um erfolgreich zu sein, ein paar Jahre früher kommen müssen. Uns soll das nur insofern stören, als dass die sündige Stadt, zumindest was das Kino angeht, wahrscheinlich zusammen mit ihren Leichen beerdigt wird.