Review

Mit „Bandidos“ beweist sich erneut, dass im Italowestern eigentlich gar nicht beheimatete Filmemacher oftmals in der Lage sind die eingesessenen Genreregisseur zu übertrumpfen.
Massimo Dallamanos erst zweite Regiearbeit ist ein solches Juwel. Einst als Kameramann unter Sergio Leone bei „Für eine Handvoll Dollar“ und „Ein paar Dollar mehr“ tätig, wirkt die visionäre Schaffenskraft des Genrevaters sichtlich positiv auf ihn ein. Was er dort lernte, setzte er mit „Bandidos“ um und er ist verdammt gut darin. Er kopiert Leone nicht, sondern eignete sich selbst, freilich ohne die letzte Brillanz, dessen Feingefühl für eine ausdrucksstarke Bildsprache an.

Nur zum Vorteil gereicht ihm dabei das tolle Drehbuch, das neben tragischen Figuren auch eine clever konstruierte Story parat hält, an der Dallamano, auch dank des offensichtlich überdurchschnittlichen Budgets, sich so richtig austoben darf.
Markant sind die Figuren auch gerade deswegen, weil in den Hauptrollen keine allzu typischen Gesichter des Italowesterns anzutreffen sind, sondern unverbrauchte, aber eigentlich genrefremde Darsteller wie Enrico Maria Salerno („Königstiger vor El Alamein“, „Das Geheimnis der schwarzen Handschuhe“) oder Venantino Venantini („War Devils - Die Kriegsteufel kommen“, „The Executor - Der Vollstrecker“) gar kein zwangsläufiges Suggerieren bekannter Stereotypen zulassen.

Vortrefflich baut das Drehbuch auf den Stärken seines Genres und katapultiert den Zuschauer inmitten einer schicksalbestimmenden Männer-Konstellation, die zunächst nur von zwei Männern geführt wird und mit einem toll inszenierten Zugüberfall ihren Auftakt hat. In diesem sitzt auch Richard Martin (Salerno) und während die Bande um Billy Kane (Venantini) im gesamten Zug ein Massaker anrichtet und dabei auch nicht Halt vor Frauen und Kindern macht, verteidigt Martin die letzten Überlebenden seines Abteils. Als ihm bewusst wird, dass dort draußen Kane wartet, mit dem ihm offenbar etwas verbindet, steigt er aus und wird als Dankeschön als einziger am Leben gelassen – mit zerschossenen Händen. So gewährleistet Kane, dass Martin nie wieder einen Revolver abfeuern kann...

Allein schon in diesen ersten Minuten unterstreicht Dallamano seine Ambitionen hier mehr als nur seinen gewöhnlichen Teil zum Genre zu leisten. Er will einen, der aus der breiten Masse mittelmäßiger bis belangloser Filme herausragt und dieses Ziel erreicht er problemlos dank seiner fein ausgearbeiteten Figuren.
Da wäre an erster Stelle natürlich Richard Martin zu nennen, der sich in den ersten Minuten noch als gepflegt gekleideter Kunstschütze zu erkennen gibt, nachdem er seine Fähigkeiten jedoch verlor auch aus dem Gleichgewicht geriet und nun trinkend, abgewrackt, verkommen und von Rache beseelt, nur von dem Wunsch vorangetrieben wird, es Kane, wenn sich die Gelegenheit bietet, heimzuzahlen. Dass er immer noch die Kunst des Schießens antreibt, hängt weniger mit seiner Leidenschaft zusammen, als dass er ein Talent sucht, dass naiv genug ist, sich erst von ihm ausbilden und dann manipulieren zu lassen, um als Werkzeug seiner Rache zu fungieren.
Als sein vielversprechender Schüler bei einer seiner Vorführungen durch einen Zuschauer halb belustigt aus dem Leben scheidet und Martin enttäuscht und genervt wieder von vorn beginnen muss beziehungsweise auch seinen Lebensunterhalt, der nun mal von seinem Schüler abhängt, in Gefahr sieht, rast er ihnen wütend hinterher und verwickelt sie in eine wüste Schlägerei, wobei ihm ein junger Fremder tatkräftig zur Seite steht. So bilden sie ein neues Duo. Unbeeindruckt davon, dass sein neuer Schüler ein entflohener Sträfling ist, sieht Martin in ihm ein Talent und Werkzeug.

„Bandidos“ ist eine komplexere Angelegenheit, als sie auf den ersten Blick scheint und nimmt sich darüber hinaus auch viel Raum für die Beziehungen seiner Figuren, ihrer Probleme und ihrer eigentlichen Ziele, die so offensichtlich oftmals gar nicht sind. Eingangs so nebensächliche Szenen dringen später dem Zuschauer als wichtig ins Bewusstsein und keiner der drei ist ehrlich oder vor Verrat sicher.
Denn Martins neuer Ricky Shot lässt sich nicht aus Bestimmung von dem Meisterschützen so gut ausbilden. Er hat seine Gründe durch dessen gute Schule zu gehen, denn er war selbst in diesem Zug, der Martins Leben so verändern sollte.
Für den Lehrer wiederholt sich schließlich die Geschichte des Schülers, der aus seinem Lehrer nur den Nutzen zieht und ihn dann fallen lässt, um sich gegen seinen Meister und für die Umsetzung eigener Ziele zu entscheiden. In seiner Verbitterung hat er aus den Fehlern der Vergangenheit nicht gelernt und ist dann wieder auf sich allein gestellt – diesmal jedoch mit dem Willen das Schicksal eben selbst zu erzwingen.
Seine von Dallamano öfter dämonisch in Szene gesetzte Pein Billy Kane wartet nur auf diesen Moment und spürt während dessen gar nicht, wie seine Männer sich von ihm loszusagen und zu hintergehen versuchen, dabei aber fast vor Ehrfurcht erstarren, weil Kane über nahezu übermenschliche Fähigkeiten mit dem Revolver verfügt und unter seinesgleichen keine Freunde kennt, sie stattdessen, sich ihrer Furcht bewusst, wieder hinter sich eingliedert, ihrer notfalls entledigt und selbstbewusst zur Tagesordnung übergeht.

Detailversessen und mit einer versierten Kameraarbeit, die ihn als Mann vom Fach auszeichnet, hantiert Dallamano mit symbolbehafteten Einstellungen, beweist Ideenvielfalt bei einigen toll eingesetzten Ego-Perspektiven (u.a. die über den Tresen rutschende Flasche) und quetscht dabei den letzten Tropfen Dramatik aus der Geschichte, als Martin sich verraten fühlt und enttäuscht mit ansehen muss, wie sein sorgsamer Plan den Bach runtergeht und Kane nebst Billy Shot einer vorbereiteten Falle entgehen, um gemeinsam aus der Stadt zu reiten. Doch dies soll nicht das Ende sein.

Denn zum Schluss sollen alle Ziel in weite, unerreichbare Ferne rücken. Genugtuung und Leben werden genauso in einem finalen, toll gefilmten, langen Shootout auf den Straßen einer Kleinstadt vernichtet, wie der ersehnte Beweis der Unschuld. Die aufkeimende Moral erweist sich damit in zumindest einem Fall als Bestimmung des Schicksals, wie es anfangs eigentlich nicht geplant war.

Nicht zuletzt wegen seines durchweg dem Eigennutz die oberste Priorität einräumenden Ensembles, hinterlässt „Bandidos“ einen prägenden Eindruck. Seine Figuren sind listig, verkommen, selbstsüchtig und ohne Skrupel. Sie rechtfertigen ihr Handeln nicht, sie sehen es als naturgemäßes Bestandteil dieser ihrer Welt an und Massimo Dallamano ist verdammt gut darin diesen wahrhaftig ausgezeichneten Stoff mit seinen ausgearbeiteten Figuren in Bild und Ton erstklassig umzusetzen.


Fazit:
„Bandidos“ gehört zu den herausragenden Italowestern, die sich gleich hinter den Genreprimen einordnen und den leider kargen Hohlraum zwischen Genrespitze und Masse besiedeln. Von den beeindruckenden Darstellern, die, gerade weil sie nicht ständig Rollen im Italowestern abspulten, nicht versuchen stupide Routine walten zu lassen, bis hin zur knifflig-komplexen Geschichte zwischen einem verbitterten Lehrer und seinen rebellischen Schülern und Massimo Dallamanos absolut überzeugender Regie, die in der einen oder anderen Situation die geistige Handschrift Leones trägt, gibt es an „Bandidos“ nichts auszusetzen. Dieser Italowestern hat wirklich Klasse!

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