Vom Vergessen aber nicht vergessen werden
Wenn man über "Still Alice" redet, dann redet man automatisch über Julianne Moore. Fast ausschließlich. Mit ihr steht und steigt die emotionale Buchverfilmung über eine mittelalte, gut stituierte Professorin, die an einer frühen und aggressiven Form von Alzheimer langsam dahinschwindet. Moore beweist einmal mehr, wie beeindruckend sie in dramatischen, ruhigen Rollen aufblüht. Während sie in großen Blockbustern (z.B. "Kingsman 2") immer ewas deplatziert und aufgesetzt wirkt, hievt sie eine eindringliche, bodenständige Geschichte wie "Still Alice" auf ein komplett anderes Niveau. Sie beweist, dass sie eine der besten Darstellerinnen ist - nicht nur Hollywoods sondern der Welt. Sie ist der Kopf, das Gesicht und die Seele dieser traurigen und gleichzeitig seltsam ermutigenden Geschichte, in der mich einzig das sehr offene und ambivalente Ende etwas geärgert und hängen gelassen hat. Ich dachte da kommt noch was.
Es gibt nicht wenige Filme über das Thema Alzheimer - von "An ihrer Seite" über "Wie ein einziger Tag" bis zu "Honig im Kopf". Von schmerzhaft über depressiv bis kitschig. Doch "Still Alice" sticht da in seiner Art voller Understatement und kitschfreiem Realismus heraus. Beschönt oder weichgespült wird hier nichts. Einzig und allein die Tatsache, dass es sich bei Alices Familie um eine wohlhabende handelt, könnte man monieren. Doch innerhalb dieser Grenzen spielt der Film mit offenen und erstaunlich eindringlichen, nachvollziehbaren Karten. Für jedermann. Wie nuanciert und subtil Moore die immer mehr abbauende aber nie wirklich aufgebende Alice porträtiert, kann man nur mit Edeklasse titulieren. Zudem wird sie von einem unauffälligen aber ebenfalls klasse Ensemble unterstützt - u.a. mit Alec Baldwin und Kristen Stewart (die einmal mehr beweist, dass mit ihr zu rechnen ist). Nie drückt das Drama zu sehr auf die Tränendrüse - kommen, tun sie trotzdem. Szenen wie wenn Alice erstmalig vergisst wo die Toilette in ihrem Haus ist oder wenn sie ihre schauspielende Tochter nicht mehr erkennt, gehen tief unter die Haut. Als i-Tüpfelchen lässt einem dieses wichtigen Drama überraschend viel Raum zum Thema Sterbehilfe bzw. der Lebenswürdigkeit des unaufhaltsamen Verfalls.
Fazit: außer vielleicht frisch Alzheimer-gebeutelten Familien, denen das Gezeigte extrem nah gehen könnte, kann man "Still Alice" eigentlich jedem ohne Bedenken empfehlen. Eine nüchterne, subtile, intensiv recherchierte Buchverfilmung, die allein schon durch Julianne Moore ein emotionaler, wachrüttelnder Erfolg ist. Vergisst man nicht!