Review

Land ohne Gewissen

"99 Homes" reiht sich ein zu neueren, amerikakritischen, antikapitalistischen Filmen der letzten Jahre wie "The Big Short" oder "The Wolf of Wall Street", nur leider ohne je den Hauch von deren Bekanntheit erreicht zu haben. Bei einer Besetzung mit Andrew Garfield, Michael Shannon und Laura Dern ist das überraschend, bei diesem wichtigen, aktuellen Thema sogar ärgerlich. "99 Homes" ist nämlich ein wirklich solides, packendes Sozialdrama über ein marodes System, bei dem man entweder mitspielt oder an dem man zerschellt. Oder beides. Erzählt wird die wendungsreiche Story eines Familienvaters, dessen Haus von der Bank zwangsgeräumt wird. Nun steht er mit seiner Mutter und seinem Sohn auf der Straße bzw. im heruntergekommenen Motel. Doch ein brisantes Jobangebote von der Firma, die ihm eben noch sein Leben zerstört hat, stellt ihn samt seiner Moral auf eine harte Probe... 

Wer hat nicht den Traum vom eigenen Haus? In Amerika scheinbar noch mehr Leute als hier und dort laufen so etliche Familien in Schuldenfallen und plötzliche Armut. "99 Homes" porträtiert das System und die geldgierigen Leute, die von diesen platzenden Träumen und scheiternden Existenzen profitieren. Und wie perfide all das verzahnt ist, wie weichgezeichnet die Grenzen verlaufen können. Emotionale, moralische, seelische Grenzen. Unspektakulär und geerdet zeichnet diese Kapitalismuskritik ein Land am moralischen Abgrund. Oder schon darüber hinaus. Hoffnungsvoll und pessimistisch zugleich wird ein Entkommen aus dem rottenden System fast ausgeschlossen. Happy End schon lange nicht mehr garantiert. Lange hat keiner mehr so egoistisch und gefühlskalt Häuser verscherbelt und Leben zerstört, wie Michael Shannon. Andrew Garfield wirkt dagegen oft etwas zu heilig, launig und pathetisch. Das kann er besser, ruhiger und pointierter. Gleiches kann man dem Script vorwerfen, welches durchaus redundant, tollpatschig, manipulativ und kitschig gennant werden darf und es sich vor allem im Finale viel zu einfach macht. Insgesamt überwiegt jedoch die Betroffenheit, die nicht zu unrecht leicht in Wut umschlagen kann. 

Fazit: "99 Homes" wirkt oft wie eine hochwertige TV-Produktion, jedoch mit einer Kraft und Überzeugung, die man selten sieht. Wäre ein guter Companion Film zu "Nightcrawler". Porträtiert eine Nation mit ganz düsterer Moral. Menschen, die sich selbst und ihr Gewissen schon ewig aufgegeben haben.

Details
Ähnliche Filme