1993 ging John Woo nach Hollywood und legte mit "Hard Target dort sein US-Regiedebüt hin.
Nach einem sehr flotten Beginn in dem uns Woo schon eine gute choreografierte Kampfszene mit Van Damme zeigt dauert es anschließend eine ganze Weile bis der Zuschauer in den Genuss weiterer spektakulärer Actionszenen kommen darf. Ab und zu gibt es mal eine kleinere Prügelei oder es wird jemand erschossen, aber im Grunde passiert in der ersten Hälfte nicht wirklich viel. Der böse Obermacker Lance Henriksen stiehlt Jean-Claude Van Damme auch einbisschen die Schow. Fakt ist nämlich, dass man in Hälfte 1 in 70% der Szenen nicht die von ihm verkörperte Figur Chance sieht, sondern Henriksen.
John Woo hat einen Fehler gemacht. Er wollte in der ersten Hälfte eine Story integrieren und darunter leidet die Action. Mir persönlich war in der ersten Dreiviertelstunde einbisschen langweilig weil einfach nichts los ist. Da die Handlung sowieso ziemlich dünn ist hätte man sich das ruhig schenken können und sich dafür ganz auf die Action konzentrieren sollen.
Nach 50 Minuten ist es soweit. Wir bekommen eine Actionfeuerwerk zu sehen, wie es nur von John Woo höchstpersönlich kommen kann. Es gibt Explosionen, viel Geballer und massig Tote. Der Zuschauer hat kaum noch Zeit zu verschnaufen. Es gibt einige coole Szenen mit Van Damme auf einem Motorrad. Einmal tritt er während der Fahrt Mission Impossible 2 like einen Typen in Zeitlupe vom Motorrad. Diese Szene ist sehr spektakulär und lässt das Herz eines jeden Actionfans höher schlagen. Ein anderes Mal steht Van Damme während der Fahrt auf, zückt seine Wumme, schießt auf das ihm entgegen kommende Auto und springt als sein Motorrad mit dem Wagen kollidiert darüber hinweg. Anschließend explodiert das Auto. Einfach nur geil die Szene! Solche grandiosen Actionszenen hätte ich mir schon in der ersten Hälfte gewünscht. Das ist unrealistisch und -logisch, macht aber Spass. Wer sich einfach zurücklehnt und genießt bekommt super Action zu sehen und wird richtig gut unterhalten. Das macht viele der Schwächen von Hälfte 1 wieder wett. Allerdings gibt es auch in den zweiten 45 Minuten noch ein paar kleinere Macken. So vermisst man zum Beispiel den Akimbo-Stil. Erst bei der Riesenschießerei am Ende schnappt sich Van Damme Chow Yun-Fat like 2 Knarren und macht Lance Henriksen und seinen bösen Buben Feuer unterm Hintern. Das Megageballer am Ende macht richtig Spass und ist von Meister Woo astrein inszeniert worden. Es erinnert stark an seinen letzen Film aus Hongkong, "Hard Boiled". Da ging es ähnlich zur Sache. Der Schowdown zwischen Van Damme und Henriksen ist ebenfalls sehr gelungen.
John Woo ging 1993 neue Wege und kehrte seiner Heimat den Rücken zu. Während in seinen alten Filmen praktisch immer Chow Yun-Fat die Hauptrolle war, so sieht man hier Jean-Claude Van Damme. Er überzeugt in aller Regel weniger durch gutes Schauspiel als viel mehr durch seine Kämpfe und seine Akrobatik. Die gibt es auch in "Hard Target" zu bewundern, zum Beispiel in den bereits erwähnten Szenen mit dem Motorrad.
Eins kann Van Damme jedoch nicht: Reiten. Wer genau aufpasst wird feststellen, dass er in den Szenen wo Chance durch die Gegend reitet nie richtig zu sehen ist wie er auf dem Pferd sitzt. Entweder sieht man sein Double aus der Vogelperpektive oder aber man sieht nur sein Gesicht, nicht aber das Pferd. Vielleicht hätte Van Damme vor den Dreharbeiten Reitunterricht nehmen sollen...
Weiße Tauben sind ein Markenzeichen von John Woo. In seinen Eastern hat das auch ganz gut gepasst. Sie gehören zur chinesischen Kultur dazu. In einem Hollywoodactionfilm sieht das aber leider weniger gut aus. Wenn Van Damme rumballert und dabei überall Tauben durch die Gegend fliegen ist das nicht gelungen. Ich finde Woo hätte die Vögel hier ruhig weggelassen können.
Durch die starke zweite Hälfte kann das US-Regiedebüt von John Woo mit seinen harten und sehr guten Actionszenen letzten Endes doch noch überzeugen. Nach "Face/Off" und "Windtalkers" ist "Hard Target" ganz klar der beste Woo aus Hollywood. Trotzdem, die Klasse von "Bullet in the Head", "A Better Tomorrow" und "Blast Killer" wird bei weitem nicht mehr erreicht.