Die Mitdreißiger Nick und Amy Dunne scheinen ein perfektes Ehepaar zu sein, als Amy am fünften Hochzeitstag plötzlich und unerwartet spurlos verschwindet. Die aus diversen Social-Media-Plattformen bestens bekannte Buchautorin sorgt dadurch für ein erhebliches Medien-Echo inklusive Suchaufrufen und Charities, bleibt aber vorerst unauffindbar - dafür gerät ihr Ehemann in den Verdacht, sie ermordet zu haben. Befeuert durch diverse Talkshows fängt auch die Polizei an, gegen Nick zu ermitteln, der jedoch gar nicht weiß wie ihm geschieht und sich zunehmend isoliert sieht - nur seine Zwillingsschwester, mit der er gemeinsam eine Bar betreibt, hält noch zu ihm. Im Zuge dieser Ermittlungen stellt sich heraus, daß Nick und Amy doch nicht eine so ungetrübte Ehe geführt haben, sondern Mißtrauen, Seitensprünge und hohe Schulden den Alltag der beiden bestimmt hatten. Und auch Amy ist keineswegs tot, sondern spielt ein raffiniertes Spielchen mit den alles dominierenden sensationsgeilen Medien...
Mit Gone Girl - Das perfekte Opfer hat Regisseur David Fincher (Sieben, Fight Club) einen weiteren fesselnden Psycho-Thriller vorgelegt, der in zwischendurch eingeblendeten, sorgfältig aufeinander abgestimmten Rückblenden das Grauen eines Ehe-Alltags offenbart. Dazu kommt die schonungslose Demaskierung der heile-Welt-Fassade eines B-Promi-Paares, das sich unter dem Druck der Öffentlichkeit und der bigotten Eltern immer mehr entfremdet. Nach einem (erwartbaren) Plot Twist um die verschwundene Erfolgsautorin kommt ein ausgeklügelter Plan zum Vorschein, mit dem Amy all ihre angesammelten Probleme auf einen Schlag loswerden will - aber selbst einem solch kühnen Vorhaben sind durch Zufälle Grenzen gesetzt und Amy muß improvisieren, um ihre Ziele zu erreichen.
Neben den hervorragenden darstellerischen Leistungen der Protagonisten (Rosamund Pike spielt die eiskalt berechnende Blondine nahezu perfekt, und auch Ben Affleck als wurschtiger Durchschnittstyp ohne berufliche Ambitionen mit Hang zu Gewalttaten weiß auf ganzer Linie zu überzeugen) besticht Gone Girl durch präzise Kameraperspektiven, die in einigen besonders blutigen Momenten von einem verstörenden Score treffend untermalt werden. Der zwischen den Zeilen zu erkennende deutliche Seitenhieb auf die Allmacht der veröffentlichten Meinung verdient sich ebenso einen Pluspunkt wie die lange Zeit vorherrschende Spannung des Films (sei es über das tatsächliche Schicksal von Amy zu Beginn oder später über ihren "Plan B"), dessen Überlänge mit 149 Minuten in keiner Sekunde negativ auffällt. Selbst die Nebenrollen wissen zu überzeugen: Neil Patrick Harris als stinklangweiliger Bürohengst Desi Collings (der sich eine Frau zu kaufen gedenkt um sie dann in einem goldenen Käfig zu halten, was er als völlig normal empfindet), Carrie Coon als Margo Dunne, die ihrem Bruder Nick ins Gewissen redet und stoisch an seine Unschuld glaubt oder auch Staranwalt Tanner Bolt (Tyler Perry), der seine sorgsam aufgebaute Verteidigungsstrategie ein ums andere Mal von Nicks Verhalten durchkreuzt sieht.
Leider jedoch gleitet der Film trotz all der geschilderten positiven Eigenschaften im letzten Drittel ins Phantastische ab und verläßt damit den zuvor eingeschlagenen Pfad des zwar extremen, aber bis dato jederzeit nachvollziehbaren Geschehens (Achtung, in diesem Absatz folgen einige Spoiler): Die durchtriebene Amy hat ihr Verschwinden also nur vorgetäuscht und sich die einzelnen Schritte für ihren Plan auf Post-its geschrieben, die sie fein säuberlich in einen Kalender geklebt hat. Neben diversen Anrufen, Enthüllungen etc. lautet einer dieser Punkte "Selbstmord?" - das kann aber auf keinen Fall ein Punkt ihres Plans sein, da ein Selbstmord sie sofort aus dem Spiel nehmen und sie um die Früchte ihres Ränkespiels bringen würde. Zwar schmeißt sie dieses Post-it später weg, aber ab diesem Zeitpunkt kommen erste Zweifel auf. Diese werden noch verstärkt, als sie sich in ihrer perfekten Tarnung (Brille, geänderte Frisur, falscher Name, kleines Auto etc.) von ihrer neuen Nachbarin, einer weit unter Amys Niveau agierenden Schnalle und deren Zufallsbekanntschaft so mir nichts dir nichts ausrauben läßt - erwartet hätte ich in diesem Moment eine KungFu-Einlage oder etwas Ähnliches, aber denkste, sie läßt sich ihren Geldgürtel einfach abnehmen. Und damit ist schon der nächste Kritikpunkt erreicht, nämlich ihre zeitweilige Mittellosigkeit, die sie in ihrem kleinen Auto übernachten läßt - wer solch gewagte Pläne schmiedet und auch durchzieht, hat immer noch ein As im Ärmel, sprich irgendwo finanzielle Reserven: Nur Amy offensichtlich nicht, sodaß sie sich an einen verflossenen Liebhaber heranmachen muß, was dadurch sehr konstruiert wirkt. Dieser Desi Collings wird dann ebenfalls in ihr Spiel mit einbezogen, wobei Amy wie schon früher (in einigen Rückblenden expressis verbis angedeutet) recht offensiv ihre Vagina einsetzt um gleich darauf einen eiskalten Mord zu begehen - all dies spricht für einen unumstößlichen Willen, eiserne Selbstdisziplin und jedenfalls absolut gegen einen ins Kalkül gezogenen Suizid.
Das Verhör im Spital offenbart dann weitere Schwächen: Amys Mimik während der Befragung vor Ort durch die Polizei (die sie zwar in einem frischen Kittel, aber mit noch erheblichen Blutspuren am Hals absolviert) läßt genauso wie ihre ausweichenden Antworten darauf schließen, daß sie nicht die Wahrheit spricht - aber dies will erstaunlicherweise niemand erkennen. Nur Nick ahnt allmählich, was da auf ihn zukommt, jetzt wo er den Mord-Vorwurf losgeworden ist. Die an Amy gerichtete Frage, ob sie sich denn bei Nick noch sicher fühle, müßte viel eher umgekehrt an Nick gestellt werden - aber dessen gedämpfte Gefühlswelt lassen ihn nicht erahnen, daß er selbst in größter Gefahr schwebt, das nächste Opfer zu werden. Und so kommt Amy mit ihrer Version als angebliches Entführungsopfer von Desi durch, da offenbar niemand für nötig hält, dessen Aufenthaltsdaten (er arbeitete schließlich und muß wohl gesehen worden sein) zu überprüfen. Genausowenig wie eingangs die große Menge weggewischten Blutes in der Küche (einen Aderlass, den sie kaum überleben hätte können) oder auch der vollgeräumte Schuppen mit Waren, die wohl irgendjemand angeliefert haben muß, dem wiederum jemand das Tor geöffnet haben muß (wer wohl?) - all diese und viele weitere Kleinigkeiten, die Zweifel an Amys Story aufkommen lassen hätten, werden jedoch nicht weiter überprüft. Der Film endet dann nach einem (gefühlt zu langem) Patt zwischen den beiden Wiedervereinten und läßt das Ende mehr oder weniger offen - ein unspektakulärer Schluß eines Dramas, das sich eigentlich ein furioses Finale verdient hätte. Trotz der erwähnten Überlänge wäre eine (den Film allerdings noch mehr verlängernde) vertiefte Beschreibung des Werdegangs der Person Amy, die über derart hohe kriminelle Energie verfügt, wie man sie noch selten in einer Hollywood-Produktion zu sehen bekam, wünschenswert gewesen.
Aufgrund dieser im letzten Drittel doch etwas gekünstelten Dramatik, die man als Thriller-Freund zwar zur Kenntnis nimmt, die ein erneutes Ansehen des Films (dessen Verlauf man somit bereits kennt) jedoch eher verhindert, neige ich dazu für dieses ansonsten weitgehend auf Spitzenniveau gedrehtes Drama eine etwas weniger gute Wertung zu vergeben, was auch an den insgesamt (bis auf Nicks Schwester und den schwarzen Star-Anwalt) unsympathischen bis schwer gestörten, soziopathischen Charaktären liegt, die trotz ihrer brillanten Darsteller wenig bis keine Anknüpfungspunkte bieten: "Nur" 7 Punkte.